„Ja“, sagt Silvano B. (Namen geändert), „sie soll bestraft werden“. „Sie“, das ist die 28-jährige Charlyn M. Die Frau soll dem Barkeeper Silvano B. im Münchner Restaurant L’Osteria am Lenbachplatz ein Weinglas ins Gesicht geschlagen haben, der Mann erlitt eine Platzwunde. Das Amtsgericht würde gerne wegen gefährlicher Körperverletzungen gegen sie verhandeln. Nur: Charlyn M. kommt nicht zum Gerichtstermin. „Dann lassen wir sie jetzt mit der Polizei suchen und einsperren“, erklärt Richter Stefan Vollath.
Die akademische Viertelstunde wird minutiös eingehalten: 15 Minuten warten Richter Vollath, die Protokollführerin, die Staatsanwältin sowie der Nebenkläger mit seinem Anwalt Anton Pfeffer am Montagmorgen auf das Erscheinen der Angeklagten. Der Zeiger der Uhr rückt auf 9.15 Uhr, der Stuhl auf der Anklagebank bleibt leer. Schließlich verkündet der Richter den anwesenden Prozessbeteiligten, dass nun ein Haftbefehl gegen Charlyn M. ergehen werde.
Silvano B. verlässt etwas geknickt den Gerichtssaal. Prozess geplatzt, er muss einem neuen Termin entgegenfiebern und wiederkommen. Er sagt, dass er bis heute unter der Attacke leide, schiebt ein Haarbüschel nach hinten und zeigt auf die Narbe an seiner Stirn. Er musste in einer Klinik genäht werden, die Stelle sei taub „und ich habe ständig Kopfschmerzen an der rechten Seite, bis heute“.
Drei Monate zuvor, am Abend des 29. Juli, stand Silvano B. wie immer hinter der Bar des eleganten Restaurants am Lenbachplatz. Er arbeitete seit zweieinhalb Jahren dort und kannte Charlyn M., die als Servicekraft angestellt war. An dem Abend allerdings, so erzählt der Barmann, sei sie privat mit Freunden im Außenbereich des Lokals gesessen. Und sie sei an die Bar gegangen, um Gratis-Getränke für sich und ihre Freunde zu holen.
Silvano B. erzählt, er habe sie zurechtgewiesen, sie dürfe in Privatkleidung nicht hinter die Bar, und Freigetränke für alle, „das geht nicht“. Daraufhin sei sie wütend geworden und aggressiv, habe ein Weinglas gepackt, ausgeholt und es in sein Gesicht geschleudert. Wie Rechtsanwalt Anton Pfeffer sagt, sei die Frau dann in Richtung Küche entschwunden. Ein anderer Mitarbeiter, der sie verfolgt und zur Rede gestellt habe, habe eine Ohrfeige kassiert.
Silvano B. erstattete Anzeige bei der Polizei – und Charlyn M. ebenso. Sie behauptete, der Barkeeper habe sie sexuell belästigt, ihr ans Gesäß gefasst, erzählt der Anwalt Pfeffer. Doch die polizeilichen Ermittlungen hätten ergeben, dass derartige Übergriffe nicht nachweisbar seien. „Das Verfahren wurde eingestellt.“ Das Restaurant am Lenbachplatz habe ebenfalls die Mitarbeiter befragt – und Charlyn M. entlassen.
Der Prozess wegen gefährlicher Körperverletzung sowie vorsätzlicher Körperverletzung gegen die 28-Jährige wird hingegen stattfinden, sobald die Polizei ihrer habhaft wird. Silvano B. will wieder vor Gericht erscheinen und aussagen, „sonst macht sie das beim nächsten Mal wieder mit einem anderen“.
Rechtsanwalt Anton Pfeffer hat die Angeklagte vor dem Prozess angeschrieben und eine Schmerzensgeld-Forderung über 1800 Euro angemahnt. „Aber sie hat auf nichts reagiert“, erzählt er. Bei seinen Recherchen habe er erfahren, dass auch schon der Gerichtsvollzieher auf der Suche nach der Frau sei, „der findet sie auch nicht“. Vielleicht ist die Polizei erfolgreicher.