Süddeutsche Zeitung

Mit Schwämmchen und Pinsel:Die königliche Kutsche soll wieder glänzen

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Im Marstallmuseum in Schloss Nymphenburg können Besucher live erleben, wie die Stoffe und Stickereien im Innenraum des Kleinen Galawagens von König Ludwig II. restauriert werden.

Von Melanie Strobl

Ein leises Rauschen ist zu hören in den Räumen des Marstallmuseums im Schloss Nymphenburg. Normalerweise herrscht zwischen den prunkvollen Kutschen aus vergangenen Jahrhunderten Stille. Und auch die goldenen, aufwendig verzierten Wagentüren der Kutschen sind gewöhnlich geschlossen. Doch in dieser Woche gibt es für Besucherinnen und Besucher etwas mehr als nur die Kutsche zu sehen: Im sogenannten kleinen Galawagen von König Ludwig II. steht eine Frau in weißem Kapuzen-Overall und tupft ganz sachte mit kleinen Schwämmchen über die schnörkelförmigen Stickereien im Wageninneren. Karin Oertel ist Textilrestauratorin und arbeitet bis Freitag, 22. Juli, im Marstallmuseum live an der Innenausstattung der Kutsche. Das leise Rauschen kommt von einem kastenförmigen blauen Sauger, der vor dem goldenen Gefährt steht und Staub auffängt.

"Wir hoffen, dass unsere Methoden den Alterungsprozess verlangsamen", sagt Klaudia Pontz. Sie ist Projektleiterin der Restaurierung am kleinen Galawagen, seit etwa 35 Jahren arbeitet sie schon als Textilrestauratorin. Licht, Staub und Klimaschwankungen, das alles führe zum Abbau der Materialien, sagt Pontz.

Karin Oertel kümmert sich darum, den roten Samt, das rote Leder und die Stickereien der Kutsche zu säubern. Dafür benutzt sie weiche Pinsel, etwa aus Ziegen- oder Marderhaar. Herunterfallender Schmutz wird mit dem Sauger eingefangen. Danach muss sie herunterhängende Fäden sichern und Stellen, an denen Samt herausgebrochen ist, mit Stoff unterlegen. Etwa 200 Arbeitsstunden sind für die Restaurierung einkalkuliert, sagt Pontz.

Um den kleinen Galawagen aus dem Jahr 1879 nicht zu beschädigen, steht Karin Oertel auf einer Gerüstbrücke aus Holz, die es ihr erlaubt, im Wageninneren zu arbeiten. Bis auf die Augen hinter der Brille sieht man nur wenig von der Textilrestauratorin. Zum Arbeiten trägt sie neben dem weißen Overall auch eine Maske, um sich vor Staub und möglichem Käfer- oder Mottenbefall der Textilien zu schützen. Mit ihrer Stirnlampe leuchtet sie auf die Stickereien, die nur noch an manchen Stellen golden schimmern. "Die Stickereien, die luft- und lichtgeschützt waren, sind noch golden. Dort, wo sie exponiert waren oder wo sie von Fingern berührt wurden, sind sie verschwärzt", erklärt Pontz. Die Oberflächen ließen sich zwar reinigen, doch die Verschwärzung der Goldfäden könne nicht rückgängig gemacht werden.

Wie viel Schmutz sich von den Stickereien löst, sieht man an den grauen Radierschwämmchen, die Karin Oertel in einer Metalldose sammelt. Gerade tauscht sie einen dreckigen Schwamm gegen einen neuen, weißen. Sie nimmt ihn mit einer Pinzette und geht immer wieder über die Stickereien, die sich auf dem roten Samt ranken. Hartnäckigen Schmutz kann die Textilrestauratorin auch mit einer Wasser-Alkohol-Mischung säubern. Doch "jede Reinigung ist auch eine gewisse Beschädigung", sagt die Projektleiterin Pontz. Deshalb müsse immer abgewogen werden, wie stark man das Material tatsächlich bearbeiten kann.

Wer genauer hinsieht, erkennt im Inneren der Kutsche viele kleine Stecknadeln, die Karin Oertel auf den Stickereien angebracht hat. "Es gibt sehr viele Metallfäden, die sich gelöst haben, sodass sie wie Spaghetti nach unten hängen", sagt Pontz. Durch die Stecknadeln werden die losen Fäden wieder in Position gebracht. Etwa alle drei Stunden macht Oertel eine kurze Pause von der Restaurierung. Denn unter dem Overall ist es heiß und auch das Luftholen falle ihr durch die Maske schwer.

An diesem Freitag haben Besucherinnen und Besucher des Marstallmuseums noch einmal die Möglichkeit, der Textilrestauratorin bei der Arbeit im kleinen Galawagen von König Ludwig II. zuzusehen. Auch im August und September sind Termine vor Ort geplant - genaue Daten stehen jedoch noch nicht fest.

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