Kompass:Vom Hofgarten bis zum Hinterhof

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Die Münchner Museumslandschaft ist weithin bekannt. Wer aber kennt all die Vereine und Stiftungen, die mit zeitgenössischen Kunstausstellungen aufwarten? Eine Auswahl.

Von Evelyn Vogel

Wer in München einen Ausstellungsbesuch plant, denkt meist an die großen Museen der Stadt. Allen voran: Pinakotheken, Lenbachhaus, Glyptothek und Antikensammlungen, NS-Dokumentationszentrum, Stadtmuseum und jüdisches Museum, Museum Fünf Kontinente, Haus der Kunst, Bayerisches Nationalmuseum und Villa Stuck. Daneben gibt es aber zahlreiche Vereine und Stiftungen, die mit ihren zeitgenössischen Programmen die Kunstszene Münchens bereichern - und deren Besuch überdies keinen oder nur geringen Eintritt kostet.

Kunstverein München

Der Kunstverein in der Galeriestraße 4 im Hofgarten feiert dieses Jahr 200. Geburtstag. (Foto: Evelyn Vogel)

Die Adresse ist nobel, die Institution durch und durch bürgerlich: Hinter Arkaden in wunderbar großen, lichten Räumen gegenüber der Residenz am Hofgarten befindet sich der Kunstverein München. Sein Ausstellungsprogramm liest sich über die zurückliegenden Jahrzehnte wie ein Who is Who der zeitgenössischen Kunstszene. Viele Künstlerinnen und Künstler hat der Verein schon in München gezeigt, lange bevor sie sich im Museumsumfeld etablieren konnten. Der Münchner Kunstverein - wie übrigens viele der mehr als 300 Ausstellungsinstitutionen, die die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine zählt - kann Dinge wagen, an die sich staatliche oder städtische Häuser oft (noch) nicht herantrauen. Die Direktoren sind nur ihren Mitgliedern verantwortlich. Derzeit etwa 1300, womit der Kunstverein einer der größten Deutschlands ist. Die Mitglieder kommen nach wie vor aus dem Bürgertum sowie der Künstlerschaft und bilden ein recht lustiges Völkchen, das bei Eröffnungen (außerhalb von Pandemiezeiten) gerne feiernd zusammenkommt. Im kommenden Jahr wird der Kunstverein München 200 Jahre alt. Parallel zu den aktuellen Ausstellungsproduktionen arbeitet er daher seit einiger Zeit sein Archiv und seine Geschichte systematisch auf und hat eigens einen öffentlich zugänglichen Archivraum geschaffen. Die großen Räume im ersten Stock ändern immer wieder ihr Gesicht, je nachdem ob Malerei, Skulptur, Grafik, Film oder Installation zu erleben ist. Aktuell sind dort unter dem Titel "Every Word was Once an Animal" filmische Arbeiten der deutsch-iranischen Künstlerin Yalda Afsah zu sehen (bis 3. April).

Kunstverein München, Galeriestr. 4, am Hofgarten, Di-So 12-18 Uhr

Eres-Stiftung

In einer Jugendstilvilla in der Römerstraße 15 in Schwabing hat die Eres-Stiftung ihren Sitz. Der Ausstellungsraum ist im Souterrain. (Foto: Florian Peljak)

"Kunst braucht Wissenschaft, um am Erkenntnisgewinn der Gegenwart mitzuwirken. Wissenschaft braucht Kunst, um Forschungsergebnisse sinnlich wahrnehmbar vermitteln zu können." Nach dieser Maxime handelt die 2004 gegründete Eres-Stiftung, deren Kosmos Kunst und Wissenschaft umfasst. Und selten hat man "Forschungsreisen durch Theorie und Praxis" so anschaulich und vielfältig dargestellt erlebt wie bei dieser Stiftung, die ihren Sitz seit 2008 in einem wunderschönen Jugendstilhaus an der Römerstraße in Schwabing hat. Die Ausstellungen im Souterrain, in denen zeitgenössische Kunstwerke neben mitunter hochkomplexen neuesten wissenschaftlichen Techniken und Forschungserkenntnissen zu einem gemeinsamen Thema präsentiert werden, werden immer von Vorträgen begleitet. Ob Natur-, Stadt- oder Weltraum, Menschen, Tier- oder Pflanzenwelt, Technologien wie Überwachung oder künstliche Intelligenz - Kunst und Wissenschaft gehen hier eine oft aufregende und immer aufschlussreiche Symbiose ein. Da sitzen dann schon mal echte Astronauten in einem fast psychedelisch gestalteten Ausstellungsraum, um über die Raumfahrt und die Schwerelosigkeit zur referieren. Außerdem engagiert sich die Eres-Stiftung für Studierende der Kunstakademie und hat für sie einen Projektraum geschaffen. Derzeit ist die Ausstellung ALGA des dänischen Konzeptkünstlers Tue Greenfort zu sehen (bis 29. Jan.; Künstlergespräch mit Tue Greenfort: Do., 27. Jan., 19 Uhr).

Eres-Stiftung , Römerstr. 15, Sa 11-18 Uhr (und nach Vereinbarung)

DG Kunstraum

Im Komplex der Siemens-Hauptzentrale mit Eingang über die Finkenstraße 4 befindet sich der Kunstraum der DG. (Foto: Florian Peljak)

Am Rande der gläsernen Konzernzentrale von Siemens am Wittelsbacherplatz, genauer an der Finkenstraße, befindet sich der DG Kunstraum. Die Einrichtung der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst wird getragen von einem 1893 gegründeten Kunstverein, der sich der "Auseinandersetzung mit den existenziellen Fragen des Menschen in der Gegenwart" verschrieben hat. Das umfasst so ziemlich jedes gesellschaftlich relevante Thema von der Geburt bis zum Tod - und darüber hinaus. Doch wer nun befürchtet, mit fundamentalistischer Theorie und frömmelnden Kunstwerken geplagt zu werden, irrt gewaltig. Die vier bis fünf jährlichen Ausstellungen, die von einem vielfältigen Rahmenprogramm aus Künstlergesprächen, Vortragsreihen, Konzerten und Lesungen flankiert werden, sind so zeitgemäß und gesellschaftskritisch, vor allem aber so "woke" , wie es ein Kunstprogramm im 21. Jahrhundert nur sein kann. Aktuell läuft dort in der Reihe Doppelpass die Ausstellung "Depot oder Deponie" von Christoph und Sebastian Mügge (bis 18. Feb.)

DG Kunstraum , Finkenstr. 4, Di-Fr 12-18 Uhr

Kunstfoyer der Versicherungskammer

Im Erdgeschoss des rosafarbenen Bürokomplexes der Versicherungskammer Kulturstiftung befindet sich das Kunstfoyer. (Foto: Florian Peljak)

Wer sich für Fotografie interessiert, kennt das Kunstfoyer der Versicherungskammer Kulturstiftung. Ob Klassiker der Schwarz-Weiß-Fotografie wie Henri Cartier-Bresson, Margaret Bourke-White und Sebastião Salgado oder Fotografen wie Saul Leiter und Martin Parr, die durch ihre Farbaufnahmen bestechen - sie alle und viele mehr waren und werden immer wieder im Kunstfoyer gezeigt. Auch Fotoagenturen wie Magnum und Ostkreuz oder der Ästhetik und Verbreitung bestimmter Kameras wie Leica widmen sich ganze Ausstellungen. Aber auch Malerei und Grafik, Filmdesign und Theaterausstattungen, Plakatkunst und manches mehr ist hier zu sehen. In den sehr großen Räumen im Erdgeschoss des rosafarbenen Kolosses an der Ecke Maximilian-/Widenmayerstraße steht so viel Platz zur Verfügung, dass manch ein Museum neidisch werden könnte. Viele der Ausstellungen sind Kooperationen mit anderen Institutionen, so können auch oft aufwendige Kataloge produziert werden. Außerdem finanziert die Kulturstiftung Konzerte, Förderprojekte und Kunstpreise. Derzeit ist im Kunstfoyer die Ausstellung "Ragnar Axelsson. Where the world is melting" zu sehen (bis 18. April).

Kunstfoyer der Versicherungskammer Kulturstiftung , Maximilianstr. 53, täglich 9.30- 18.45 Uhr

Kunstraum Holzstraße

Der Kunstraum München versteckt sich in einem Rückgebäude der Holzstraße 10 im Glockenbachviertel. Nur selten wird so plakativ darauf hingewiesen wie hier während einer Ausstellung des aus Nordkorea stammenden Künstlers Sun Mu. (Foto: Thomas Splett)

In zwei Räumen, verteilt auf zwei Etagen in einem Hinterhof im Glockenbachviertel ist der Kunstraum München zu Hause. Dieser Kunstverein mag klein sein und - gegründet 1973 - auch noch nicht besonders alt, aber die Ausstelllungen und Vermittlungsprogramme stellen eine nicht unwichtige Stimme im Chor der Münchner Kunstszene dar. Natürlich gibt es hier auch klassische Wandhängungen, Skulpturenausstellungen, mitunter auch etwas sehr sachliche und hermetisch wirkende Vitrinenpräsentationen. Aber am tollsten ist es, wenn die Räume sich komplett verändern und in ein Gesamtkunstwerk verwandeln. Und das passiert gar nicht so selten. Die zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler, die hier präsentiert werden, wechseln zwischen regional und international. Kataloge und Editionen werden mit schöner Regelmäßigkeit produziert - was bei einem Verein mit gerade mal 300 Mitgliedern ein echtes Verdienst ist. Aktuell geben die Archivdisplays von Rasso Rottenfusser Aufschlüsse über das Modell Kunstraum (bis Ende des Jahres); am 27. Januar startet die Ausstellung "Gustav Metzger - Revisited" (bis 6. März)

Kunstraum München , Holzstr. 10, RG, Mi-So 14-19 Uhr

Architekturbunker

Der Bunker an der Blumenstraße beim Viktualienmarkt soll zum Architekturzentrum entwickelt werden. Schon jetzt kündet die Schrift-Installation: UM-WAND-ELN des Münchner Künstlers Christoph Brech an der Fassade des Blumenbunkers davon, was mit ihm geschehen soll. (Foto: Gustav Götze)

Wäre der Architekturgalerie nicht vor einiger Zeit die Nutzungsberechtigung für den Hochbunker an der Blumenstraße zugesprochen worden, wäre sie nun heimatlos. Denn zum Ende des zurückliegenden Jahres hat die Architekturgalerie ihr seit Jahrzehnten angestammtes Zuhause an der Türkenstraße verlassen. Die Räume dort (nur erreichbar über einen Buchladen und zu dessen Öffnungszeiten) waren klein und übersichtlich. Der Bunker - eine Hinterlassenschaft des Zweiten Weltkriegs - mit seinen meterdicken, schwer beheizbaren Mauern und den Räumen mit niedrigen Decken auf mehreren Etagen ist eine echte Herausforderung. Hier soll über die Jahre ein Architekturzentrum mit Ausstellungsbereich, Archiv, Buchhandlung und Café zum Austausch über Architektur, Stadtentwicklung und Städteplanung entstehen. Die Transformation hat zwar schon begonnen - davon kündet der silbrig strahlende Schriftzug von Christoph Brech, der die Fassade des imposanten Turms nahe dem Viktualienmarkt umgibt -, geht aber immer nur in Etappen voran. Und mit jeder Etappe kommt ein weiteres Architekturbüro zum Zuge sowie eine neue Ausstellung hinzu. Das ist das Konzept. Derzeit werden zwei Etagen mit Ausstellungen bespielt. Begleitet werden sie von Führungen, Vorträgen, Buchvorstellungen und Diskussionen. Gerade jetzt in Pandemiezeiten versucht die Architekturgalerie, den Bunker über ein konzentriertes Begleitprogramm dem Publikum zu erschließen. Im Moment sind dort die Ausstellungen "Memories" und "Perlen" zu sehen (beide bis 28. Feb.).

Architekturgalerie im Bunker, Blumenstr. 22, Besuch derzeit nur nach Anmeldung mail@architekturgalerie-muenchen.de

Alexander Tutsek-Stiftung

Der neue Ausstellungsraum der Alexander Tutsek-Stiftung in der Parkstadt Schwabing: die Black Box. (Foto: Florian Generotzky)

Fotografie und Glaskunst sind die Schwerpunkte des Ausstellungsprogramms der Alexander Tutsek-Stiftung und werden in der Regel auch innerhalb der Ausstellungen kombiniert. Bei beiden setzt man radikal auf Zeitgenössisches. So ist es immer wieder überraschend, welche Künstler sich ganz und gar dem Glas verschrieben und eine faszinierende Formsprache für dieses Material entwickelt haben. Zu sehen gibt es aber auch Werke von Künstlern, die eher in der Malerei oder Grafik zu Hause waren und erst spät das Glas als Ausdrucksmöglichkeit für sich entdeckt haben. Im Bereich der Fotografie hat sich zuletzt ein Schwerpunkt auf Fotokunst aus Japan und vor allem China herausgebildet. Was vor allem mit den Vorlieben der Stiftungsvorsitzenden und Sammlerin Eva-Maria Fahrner-Tutsek zusammenhängt. Sie hat die Stiftung zusammen mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann Alexander Tutsek im Dezember 2000 gegründet. Für ihre Ausstellungstätigkeiten hat die Stiftung neben der alten Jugendstilvilla in Schwabing im November vergangenen Jahres in der Parkstadt Schwabing die Black Box eröffnet. Aktuell ist an beiden Standorten die Ausstellung zu sehen: "Wide Open. Ins Offene" (bis 24. Juni).

Alexander Tutsek-Stiftung, Black Box: Georg-Muche-Str. 4, Mi-Fr 12-17 Uhr; Villa: Karl-Theodor-Str. 27, Di-Fr 14-18 Uhr

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