Süddeutsche Zeitung

Buchvorstellung:Heldinnen der Straße

Alessandra Mattanza hat ein Buch über die weibliche Street-Art-Szene geschrieben. Im Kunstlabor 2 in München stellt es die New Yorker Autorin und Fotografin nun vor.

Von Jürgen Moises

Als Lady Pink alias Sandra Fabara Ende der Siebziger damit begann, New Yorker U-Bahn-Wagen mit Graffiti zu bemalen, war die Szene fast ausschließlich männlich. Sie erlebte Sexismus, blöde Sprüche, aber am Ende setzte sie sich als Graffiti-Writerin durch. Heute zählt die in Ecuador geborene Künstlerin, die als Siebenjährige nach New York kam, zu den Pionierinnen der Street Art und zu einer Referenzfigur in der Hip-Hop-Subkultur. Dass sie auch heute noch auf Feindseligkeit trifft, erzählt Lady Pink in "Street Art is Female" von Alessandra Mattanza. Die New Yorker Autorin, Drehbuchautorin und Fotografin porträtiert darin 24 internationale Street-Art-Künstlerinnen. Am 16. Dezember stellt sie ihr Buch im Kunstlabor 2 in München vor.

Begleitet wird Mattanza dabei von Stephanie Utz, die das Kunstlabor 2 genauso wie das Museum of Urban and Contemporary Art (MUCA) in München leitet. Außerdem hat sie das Vorwort zu dem im Prestel-Verlag erschienen Buch geschrieben, das vielleicht nicht wie behauptet als erstes, aber bisher wohl am umfangreichsten über die weibliche Street-Art-Szene informiert. Grundlage dafür waren Gespräche mit den Künstlerinnen, zu denen neben Lady Pink etwa Aiko aus Japan, die Afghanin Shamsia Hassani oder die aus München stammende Mina Mania zählen. In den großzügig bebilderten Texten geht es um die Lebenswege, um Einflüsse. Aber vor allem auch darum, was es bedeutet, sich in einer Männerwelt zu behaupten.

Der Grundansatz ist damit emanzipatorisch. Es geht Mattanza erkennbar darum, weibliche Vorbilder, um nicht zu sagen Heldinnen zu präsentieren und damit weiteren Frauen den Weg zur Street Art zu ebnen. Dazu passt, dass fast alle der vorgestellten Street-Art-Künstlerinnen laut ihren Aussagen selbst positive, feministische oder andere gesellschaftliche Botschaften vermitteln wollen. Um eine kunstkritische Auseinandersetzung geht es im Buch nicht, und entsprechend gerät auch der rein künstlerische Aspekt zuweilen in den Hintergrund. Aber man bekommt einen recht guten Eindruck, warum die Künstlerinnen das tun, was sie tun.

Dass bei der Street Art die Grenzen zum Design und zu "kommerziellen" Zwecken gefühlt fließender sind als bei der sonstigen "freien" Kunst: Auch dieser Eindruck stellt sich ein. Aber auch dann, wenn jemand wie Aiko Seidenschals für Louis Vuitton gestaltet, könnte man das als Bestrebung verstehen, die eigenen Botschaften zu verbreiten. Die in Frankfurt und Berlin lebende Hera wiederum wurde, nachdem sie die Wand eines Schuhgeschäfts bemalt hatte, von Nike entdeckt. Und ob das nun den sozialen Absichten entgegensteht, darüber kann man mit ihr streiten. Denn bei der Buchvorstellung wird Hera genauso wie andere Akteurinnen zugegen sein. Andererseits ist der Kunstmarkt nun mal geprägt von wirtschaftlichen Interessen. Und es hat durchaus etwas "Erholsames", wenn die Frauen so offen darüber sprechen.

Street Art is Female, Vorstellung des gleichnamigen Buchs von Alessandra Mattanza, Fr., 16. Dez., 18.30 Uhr, Kunstlabor 2, Dachauer Straße 90, kunstlabor.org

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5715498
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/chj/czg
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.