Die Entscheidung der Jury war einstimmig: Geht es nach ihr, soll das Münchner Kunstareal künftig in einen „Kunstgarten“ verwandelt werden. Den Entwurf dafür – eine Art Parkanlage mit Eingangstoren, Bäumen und anderen Pflanzen, großen, fest installierten Landschafts-Plateaus zum Sitzen und mobilen Möbeln – hat das Pariser Atelier Roberta vorgelegt. Insgesamt hatten sich elf Büros beteiligt. Die Einreichungen sind bis Mittwoch in der Immatrikulationshalle der Technischen Universität an der Arcisstraße zu sehen, zeitlich unbegrenzt auf der Homepage des Kunstareals.
Bei der Präsentation des Siegerentwurfs fanden die Politiker lobende Worte für das Konzept. Von „Münchens Spa“ und „Wellness-Area“ spricht Bayerns Kunstminister Markus Blume. Stadtbaurätin Elisabeth Merk beschwört die Vision vom „großen grünen Salon“ mitten in der Stadt. Dort öffne sich ein Raum für Begegnungen unter den Besuchern, Anwohnern und Studierenden.

Immerhin umfasst das Kunstareal 18 Museen und Ausstellungsräume, zwei Dutzend Galerien und sechs Hochschulen, neben der Technischen Universität mit ihrem Stammhaus gehören unter anderem auch die Musikhochschule und die Filmhochschule dazu. Markus Blume spricht angesichts der 66 Hektar großen Fläche, auf der sich „5000 Jahre Kulturgeschichte“ abbildeten, gar von einem „eigenen Kulturstaat in der Stadt“. Und er scheut nicht die Analogie zum Vatikanstaat, der innerhalb Roms lediglich 44 Hektar umfasst.
Der Siegerentwurf enthält aber durchaus auch Konfliktpotenzial, die Redner sprechen es zum Teil bereits an. Unklar ist etwa, wie die Denkmalpfleger auf durch Grünzeug verstellte Sichtachsen auf ikonische historische Gebäude reagieren könnten. Ferner bleiben sämtliche Fragen offen zur Wegeführung um und durch das Areal.
Auffallend in dem Zusammenhang: Das Modell des Ateliers Roberta zeigt nur einen Ausschnitt, rund ein Viertel, des 66-Hektar-Geländes – den Königsplatz mit umliegenden Gebäuden. Dabei umspannt das Kunstareal viele Straßenzüge mehr. Auf dem Königsplatz selbst wirken die Eingriffe vergleichsweise moderat. Klar ist aber auch: Solch tiefe Furchen hinterlassende Spaßveranstaltungen wie der Rummel zur internationalen Automobilausstellung wären dort nach der Realisierung des Konzepts nicht mehr vorstellbar.
Computersimulationen von den Ansichten anderer Teile des Kunstareals sind an den Wänden der TU-Halle zu sehen. Die Besucher können abstimmen, welche Neuerungen ihnen besonders wichtig sind, etwa „Schattenflächen und Lichtungen“, Biodiversität oder Sitzgelegenheiten. Nimmt man die fiktiven Ansichten ernst, gäbe es jedenfalls zwischen Ägyptischem Museum und Alter Pinakothek bestenfalls noch Platz für einen Fahrradweg.
Doch jetzt schon über neue Staus und Flugtaxis für Touristen nachzusinnen, ist unsinnig. Das weiß, wer in den vergangenen Jahren andere Wettbewerbe verfolgt hat, die Staat oder Stadt für Kulturprojekte ausgelobt hatten – und dieser hieß gleich von vorneherein nur „Ideenwettbewerb“. Da wären etwa die Wettbewerbe für den Neubau des Konzerthauses im Werksviertel, die Sanierung des Hauses der Kunst und die Generalsanierung des Gasteigs. Keiner davon wurde bislang umgesetzt – trotz prominentester Beteiligung von Architekturbüros aus aller Welt und zum Teil längst unterschriebener Verträge. Passiert ist bisher: nichts als der gebetsmühlenartig wiederholte Hinweis auf „leere Kassen“.
Und die einzige Zahl, die bei der Ausstellungseröffnung genannt wurde, ist denn auch: 60 000 Euro. Diese Summe steht bislang für die nächsten Planungen bereit; für deren Umsetzung noch null Euro. „Ja, das ist der Elefant im Raum“, sagt Münchens Kulturreferent Anton Biebl zu der Frage, wie das Ganze eines Tages finanziert werden soll?

Man könnte schmunzeln, quälte sich München nicht schon seit Dekaden mit der Frage herum: Wie die Stadt besser nach außen sichtbar machen kann, welche unfassbaren Schätze ihre Museen von Dürer bis Warhol bergen, und warum etwa die Museumsareale in Wien oder Berlin magische Anziehungspunkte für Reisende aus aller Welt sind, während sie in München doch nur immer wieder zur und von der Wiesn torkeln.
Ausstellung zum Ideenwettbewerb „Open Kunstareal“, Immatrikulationshalle der TUM, Arcisstraße 21, bis 30. Juli, täglich 11 bis 17 Uhr, 31. Juli von 11 bis 14 Uhr