Kunstaktion :Weiße Koffer sollen an ermordete Juden erinnern

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Die weißen Koffer vor Wohnhäusern erinnerten bereits in Sendling und in der Maxvorstadt an NS-Opfer. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Künstler Wolfram Kastner will mit Installationen vor Wohnhäusern in Schwabing der jüdischen Münchner gedenken, die von Nationalsozialisten verschleppt und getötet wurden. Bürger sind zum Mitmachen aufgerufen.

Von Bernd Kastner

Bald sollen weiße Koffer auf Fußwegen in Schwabing stehen, vor der Elisabethstraße 30 etwa, der Römerstraße 21 oder der Franz-Josef-Straße 15. Die Koffer sollen daran erinnern, dass in diesen Häusern Jüdinnen und Juden lebten, bis sie von den Nationalsozialisten verfolgt, deportiert, ermordet wurden. „An den Orten, wo sie lebten, erinnert zumeist nichts an sie“, sagt Wolfram Kastner. Der Münchner Künstler will dem Vergessen sein Erinnerungsprojekt „Hier wohnte …“ entgegensetzen, 80 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus. Von Juni bis November sollen Koffer an sechs Adressen an mehr als 160 Ermordete erinnern. Allein in der Herzogstraße 65 lebten laut Kastner 65 Jüdinnen und Juden.

Die Kunstaktion organisieren neben Kastner auch Thomas Rock und Janne Weinzierl, zwei SPD-Mitglieder der Bezirksausschüsse Schwabing-Freimann und Schwabing West, sowie der Grafikdesigner Michael Wladarsch. Sie bitten interessierte Münchner um Mithilfe und Mitarbeit: Man hoffe auf Spenden von alten Koffern, sagt Kastner, und dass sich Bürger melden, um diese Utensilien zu präparieren. Sie sollen mit schwerem Ballast gefüllt, mit Kunstharz wetterfest gemacht und weiß bemalt werden. Dann sollen Kofferanhänger mit den Namen der Ermordeten befestigt und Infotafeln aufgestellt werden. Zudem ruft Kastner Interessierte auf, sich an Recherchen zu beteiligen, um Biografien der Ermordeten zu veröffentlichen.

Er würde sich auch freuen, sagt Kastner, wenn sich auch Schulen aus Schwabing an der Aktion beteiligen. Wenn im Unterricht der Nationalsozialismus behandelt werde, böte sich ein Projekt an, zum Beispiel zu Kindern, die einst die jeweilige Schule besuchten, ehe sie deportiert wurden. „Dann kommt die Erinnerung näher und ist nicht mehr so weit weg wie in Dachau oder Auschwitz“, so Kastner.

Kastner ist bekannt für sein Engagement in der Erinnerungsarbeit. So erinnert er jedes Jahr mit einem Brandzeichen an die Bücherverbrennung auf dem Königsplatz. Die Koffer-Installation hat er vor einigen Jahren bereits in anderen Stadtteilen veranstaltet, in Sendling etwa und der Maxvorstadt. Gefördert werde das aktuelle Projekt von der Stadt, Oberbürgermeister Dieter Reiter und Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, übernähmen die Schirmherrschaft, so Kastner.

Nähere Informationen zur Vorbereitung der Installationen geben die Organisatoren am Mittwoch, 12. Februar, um 19 Uhr in der Seidl-Villa, Nikolaiplatz 1b. Kontakt zu Wolfram Kastner: 089/157 32 19 oder w.kastner@ikufo.de.

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