Projekt in München:"Ich wollte zwar Kunst, aber nicht dieses Künstlerleben"

Kathrin Shadi Aftahy in der Kunstakademie in München, 2019

Die Kunstvermittlerin: Kathrin Shadi Aftahy in der Kunstakademie.

(Foto: Stephan Rumpf)

Kathrin Shadi Aftahy, 25, möchte mit ihrem Projekt "Die Kunstvermittler" die alten Strukturen zwischen Künstlern und Galeristen aufbrechen. Nebenbei promoviert sie in Pharmazie.

Von Ornella Cosenza

Ihr Blick schweift von einer Fotografie zur nächsten: Kathrin Shadi Aftahy, 25, sieht sich die Arbeiten einer Fotografin im Container of Modern Art an. In der einen Hand ein Kunstmagazin, in der anderen hält sie ihr Smartphone. Später wird sie ein Foto aus der Ausstellung auf ihrem Account "Die Kunstvermittler" posten. Am Ende nimmt sie sich eine Visitenkarte der Fotografin mit und steckt sie in ihren Geldbeutel. Kathrin möchte mit ihrem Projekt "Die Kunstvermittler" jungen Künstlern helfen, ihre Werke zu verkaufen. Sie ist regelmäßig auf der Suche nach neuen Kreativen. Kathrin ist aber keine Kunsthistorikerin. Und auch keine Galeristin. Normalerweise beschäftigt sich die 25-jährige Münchnerin mit Molekülen und Proteinen - sie promoviert in Pharmazie.

Kathrin, dunkle schulterlange Haare, wirkt nicht gerade wie ein Nerd aus dem Labor. Kunst und Chemie - wie passt das zusammen? "Manchmal habe ich mich schon ein bisschen fremd unter den Pharmazie-Studenten gefühlt", sagt sie. Aber Ausnahmen gebe es ja überall. "Kunstaffin war ich schon zu Schulzeiten", sagt sie. Um zu verstehen, wie es aber zur Mischung aus Kunst und Reagenzgläsern kommen konnte, muss man ein paar Jahre zurückblicken.

"Nach dem Abi rieten mir meine Eltern, lieber etwas Handfestes statt Kunst zu studieren." Also entschied sich Kathrin für Pharmazie. Unglücklich war sie dabei allerdings nicht - das wissenschaftliche Denken liege ihr. Den Wunsch, selbst noch Kunst zu studieren, wird sie nicht los. "Als ich 2017 für mein praktisches Jahr nach Berlin gegangen bin und wusste, dass es mit dem Studium bald zu Ende gehen wird, habe ich mich an der Universität der Künste beworben", sagt sie.

Zwischen Charité und chemischen Formeln arbeitet sie an ihrer Bewerbungsmappe für das Kunststudium. Die Professoren sehen Talent. Sie bekommt eine Zusage. "Ich war total stolz, dass ich es geschafft hatte. Zum Schluss wird ja nur ein kleiner Teil der Bewerber aufgenommen", sagt sie. Im Wintersemester beginnt sie mit dem Kunststudium. Alles scheint perfekt zu sein, eine letzte Prüfung in Pharmazie steht noch an. Bis dahin kein Problem. Das eine sollte das andere nicht ausschließen. Kathrin ist zielorientiert. Doch mittendrin denkt sie sich plötzlich. "Will ich wirklich noch fünf Jahre in ein Kunststudium investieren? Ich war total hin- und hergerissen." Sie beginnt deshalb, sich für Pharmazie-Doktorandenstellen in Berlin zu bewerben. Auch, weil ihr eine finanzielle Sicherheit wichtig war. "Ich wollte zwar Kunst, aber nicht dieses Künstlerleben", sagt die 25-Jährige.

Statt in Berlin, klappt es dann in München mit einer Doktorandenstelle. Ihr Plan sei es erst gewesen, neben der Promotion das Kunststudium weiterzuführen, immer wieder dafür nach Berlin zu fahren. "So eine Promotion erfordert aber viel Zeit." Das Kunststudium bricht sie nach einem Semester ab. "Ich kann Dinge nicht halbherzig tun. Vielleicht wirke ich konservativ. Aber ich bin jetzt glücklich, so wie es ist", sagt sie.

Junge Leute

München lebt. Viele junge Menschen in der Stadt und im Umland verfolgen aufregende Projekte, haben interessante Ideen und können spannende Geschichten erzählen. Auf dieser Seite werden sie Montag für Montag vorgestellt - von jungen Autoren für junge Leser. Lust mitzuarbeiten? Einfach eine E-Mail an die Adresse jungeleute@sueddeutsche.de schicken. Weitere Texte findet man im Internet unter http://jungeleute.sueddeutsche.de oder www.facebook.com/SZJungeLeute.

In ihrer Freizeit geht sie weiterhin oft zu Ausstellungen. Im Juni fuhr sie nach Venedig zur Biennale und klar, die Jahresausstellung der Akademie in München hat sie auch besucht. "Mein Interesse an der Kunstwelt ist immer noch da. Und weil ich ein Netzwerk aus jungen Künstlern habe, kam mir die Idee zur Kunstvermittlung", sagt sie.

Kunstvermittlung - damit meint Kathrin das Zusammenbringen von Künstler und Kunde. Gerade für junge Künstler sei es oft schwer, die eigenen Arbeiten zu verkaufen, wenn man nicht in einer Galerie vertreten ist. "Beim Kauf in einer Galerie, geht nur ein bestimmter Teil an den Künstler. Einige Künstler dürfen nur über ihren Galeristen verkaufen, nicht aber direkt selbst", sagt sie. Kathrin findet, dass diese Struktur heute veraltet ist. "Mir geht es aber auch darum, junge Menschen, die nicht super kunstinteressiert sind, anzuregen, sich Kunst anzusehen und zu erwerben. Wenn man ein Kunstwerk für sein Zuhause kauft, ist das doch gleich viel individueller, als etwas aus einem Einrichtungskatalog. Man kann sogar etwas zu dem Künstler erzählen. Gleichzeitig fördert man junge Kunst dadurch", sagt sie.

Dass Kathrin damit richtigliegt, beweist ein Blick in das Vorwort von Kalaschnikow, einem Magazin von Studierenden der Akademie für bildende Künste. Dort wird dazu aufgerufen, mehr junge Kunst zu kaufen, "weil so auch der Kunstmarkt frisch bleibt und Autoritäten hinterfragt werden". Gregory Borlein, 26, der an diesem Magazin mitgewirkt hat und an der Akademie Malerei studiert, sagt: "Es gibt viel Geld im Kunstmarkt - allerdings nur an der Spitze der Pyramide. Es ist wichtig, Kunst auch bei Kunststudenten zu kaufen, weil so ein unbeeinflusster Schaffensprozess gefördert wird."

Galerien beeinflussen, was gerade auf dem Kunstmarkt angesagt ist. Wer als Kunstschaffender nicht in einer Galerie vertreten ist, geht schnell unter. "Ich möchte dieses System aufbrechen. Manchmal traut man sich als junger Mensch auch nicht in Galerien herein, weil diese oft eine elitäre und spießige Ausstrahlung haben - und Kunst zu sehr hohen Preisen verkaufen", sagt Kathrin. Sie sieht das Potenzial nicht nur, aber vor allem auch bei jungen Kunstkäufern: "Die Kunstwerke von angehenden Künstlern oder von Kunststudenten können sich auch junge Menschen eher leisten."

Für "Die Kunstvermittler" hat sie eine digitale Kartei mit jungen Münchner Künstlerinnen und Künstlern und deren Arbeiten angelegt, die sie ständig erweitert. Auf Instagram und Ausstellungen hält sie Ausschau nach Künstlern. Aktuell sucht sie nach einem passenden Kunstwerk für einen Freund ihres Bruders. Ihr erster Kunde sozusagen. Das Projekt steht noch am Anfang. Wo liegt aber der Unterschied zwischen der Arbeit von Galeristen, und dem, was Kathrin tut? "Ich möchte nichts daran verdienen. Dadurch, dass ich in der Pharmazie mein Standbein habe, gibt mir das auch die Freiheit, das Projekt finanziell unabhängig umzusetzen. Die Kunst ist mein Hobby", sagt sie. Kathrin sieht sich als Vermittlerin zwischen Kunde und Künstler. "Ich stelle den Kontakt her. Ob es dann tatsächlich zum Kauf kommt, müssen Kunde und Künstler unter sich entscheiden." Am Ende muss eben auch in der Kunst die Chemie stimmen.

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