Süddeutsche Zeitung

SZ-Kultursalon:"Wenn's schiefläuft, hasst dich halb München"

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Der SZ-Kultursalon in der Glyptothek über die Tücken und Chancen bei der Sanierung von Münchens ältestem Museum.

Von Jürgen Moises, München

Wenn die Glyptothek irgendwann zur Ruine wird, dann soll sie trotzdem schön aussehen. Das soll, zumindest sinngemäß, ihr Schöpfer, der klassizistische Architekt Leo von Klenze, einmal gesagt haben. Deswegen hat er auf eine Ziegelbauweise nach altem griechischen Vorbild gesetzt. Eine Entscheidung, die sich laut des leitenden Sammlungsdirektors der Glyptothek, Florian Knauß, auch heute noch bewährt. Und die sich ganz konkret auch bei der Sanierung des Gebäudes in den letzten zweieinhalb Jahren bezahlt gemacht hat. Die war nötig geworden, nein, nicht weil der vor 200 Jahren von Kronprinz Ludwig I. in Auftrag gegebene Prachtbau auf dem Königsplatz sonst zur Ruine geworden wäre. "Die Elektrik war marode", so erklärte Knauß beim SZ-Kultursalon die Notwendigkeit. Brand- und Einbruchschutz waren nicht mehr gewährleistet, und das seit mindestens zehn Jahren. Laut Landeskriminalamt herrschte sogar seit 1991 "Handlungsbedarf".

Und gehandelt wurde. In etwa einem Monat werden auch noch die restlichen Sanierungsarbeiten an den Außenanlagen abgeschlossen sein. Und weil das so ist, die Glyptothek seit März auch schon wieder geöffnet ist, konnte dort, im "Saal des Diomedes", nun der SZ-Kultursalon stattfinden. Unter dem Motto "Trümmer, Trubel, Heiligtümer" standen dabei die "Tücken und Chancen bei der Sanierung" im Zentrum. Eingeladen waren neben Florian Knauß der Leiter des Staatlichen Bauamts München 1, Eberhard Schmid, und der Architekt Andreas Hlawaczek, der bei der Sanierung in den Innenräumen als Koordinator die tragende Rolle hatte. Das Gespräch führte Susanne Hermanski, Leiterin der SZ-Kulturredaktion, die gleich zu Beginn bemerkte, dass es "eine unglaubliche Freude" sei, "hier zu Gast" zu sein. Nicht nur wegen des "toll sanierten" Gebäudes, sondern weil es "der erste Salon seit einem Jahr mit Livepublikum" war.

Tatsächlich sei das doch fast "ein Wunder", dass die Sanierung im vorgegeben Zeit- und Kostenrahmen fertig geworden sei, zudem in den Pandemiemonaten, meinte Susanne Hermanski. Eine Anspielung auf den einen oder anderen Sanierungsfall in München, wo die Lage doch eine deutlich andere ist, wie etwa die Neue Pinakothek. Die Erklärung für das Wunder, zu dem beispielsweise 15 Millionen an Sanierungskosten gehören, und damit zwei Millionen weniger als veranschlagt? Eine gründliche "Bedarfsplanung", so Eberhard Schmid. Eine, die unter anderem steigende Baukosten wegen der Marktlage sowie mögliche Risiken einkalkuliert. Das klang fast trocken, nahezu spröde. Aber genau das Gegenteil sei ja oft das Problem. Dass man die Bau- oder Sanierungskosten zu idealistisch und das heißt meist zu kurz ansetzt. Mit der Folge, dass mit der Zeit dann auch die Kosten steigen.

Während der Sanierung haben die Skulpturen das Haus nicht verlassen - auch das sparte Geld

Sanierung der Fassaden und der Technik, mehr Barrierefreiheit sowie eine neue Beleuchtung, das waren im Wesentlichen die Aufgaben, die es für das Bauamt und die etwa 30 beteiligten Firmen zu erfüllen galt. "Das können wir nicht einhalten", hätten denn tatsächlich auch bald einige geklagt, erzählte Knauß. Aber als Auftraggeber hätten sie darauf gepocht, dass sich der Plan auf keinen Fall ändert. Was ebenfalls Geld gespart habe: Dass sie die Skulpturen sicher verpackt "im Haus gelassen" hätten, statt sie an einen anderen Ort zu transportieren. Manche seien sogar "keinen Millimeter bewegt" worden. Wie etwa der sogenannte "Münchner König" aus der Zeit um 450 vor Christus, der lebensgroß und ohne Unterarme im "Saal des Diomedes" steht. Und der damit ebenfalls unter den Zuhörern war, zu denen wie immer ausgesuchte Vertreter aus Kultur und Politik sowie SZ-Leser gehörten.

Aber es ging bei der Sanierung nicht nur um technische, rein praktische, sondern auch um ästhetische Aspekte. Und hier sei laut Andreas Hlawaczek die Losung "außen Klenze, innen Wiedemann" gewesen. Eine Formel, die man nur mit historischem Hintergrundwissen versteht. Genau das wurde im Gespräch auch ausführlich geliefert. Klenze wollte einen Kunsttempel schaffen. Er sah, so Florian Knauß, "Architektur und Raumschmuck im Vordergrund" und plante aufwändige Fresken von Peter von Cornelius ein. Wodurch die heute so wichtigen Skulpturen eher wie Dekoration in den Räumen standen. Anders Ludwigs Kunstagent Martin von Wagner. Der wollte eine "zurückhaltende Architektur", mit mehr Licht und den Figuren im Vordergrund, konnte sich mit diesen Ideen aber nicht durchsetzen. Dafür setzte 150 Jahre später Joseph Wiedemann eigentlich genau das um. Der damals sehr bekannte Münchner Architekt wurde von 1967 bis 1972 mit dem Wiederaufbau des im Krieg stark beschädigten Museums betraut. Und seine Ideen dafür könne man, so Andreas Hlawaczek, nur "radikal" nennen.

Wiedemann wollte aus der Glyptothek ein "Tageslichtmuseum" machen. Er band dafür den Innenhof mit ein, verzichtete auf den Freskenschmuck, ließ die hochwertigen Marmorböden und Intarsien herausreißen. Entscheidungen, die 1972 höchst umstritten waren und unter heutigen Denkmalschutzbestimmungen nicht möglich wären, die sich aber, so Knauß, 50 Jahre lang bewährt hätten. All das sollte bei der Sanierung nun betont werden, aber so, dass es im Grunde keiner merkt. Denn genau das sei, meinte Andreas Hlawaczek, gelungener Denkmalschutz. Mit "man dient dem Museum" beschrieb Florian Knauß seine Haltung. Er erzählte, dass man über die Umsetzung diesmal zwar nicht gestritten, aber "kontrovers diskutiert" hätte und dass es durchaus "manch schlaflose Nacht" gab. Weil er wusste: "Wenn's schiefläuft, hasst dich halb München".

Veränderungen im Detail, die gibt es trotzdem, wozu vor allem die nun bunten, pastellfarbigen Quader überall an der Fassade zählen. Die hatte zuvor, so Knauß, bei den verputzten West-, Nord- und Ostseiten einen "monochrom grauen Anstrich", den es aber erst seit den Dreißigerjahren gab. Und mit der Sanierung sei nun die ursprüngliche, am Untersberger Marmor der südlichen Hauptfassade orientierte Farbigkeit "wiedererstanden". Auch bei der Eingangstreppe habe man sich an der "alten Lösung orientiert" und die erst später hinzugefügte Freitreppe durch eine engere, durch zwei Geländer hervorgehobene Treppe ersetzt. Auch das sei, so Florian Knauß, ein "ästhetisch richtiger Rückschritt".

Im Innenhof an der Fassade lassen sich noch Kriegsschäden entdecken

Über der Treppe, oben am Giebel wurden einige der kleinen, von unten kaum sichtbaren, vormals zerstörten Löwenköpfe ersetzt. Am nördlichen "Königseingang" wurde eine Rampe für Rollstuhlfahrer geschaffen, zum Hof hin wurde ein Hub-Lift eingebaut. Es gibt große neue Sicherheitsfenster, durch die man - überhaupt erst seit Wiedemann - auf die im Hof neu gepflanzten Bäume und Rosen schauen kann. Und wer genau hinblickt, der kann etwa im Innenhof, oben an der Fassade, noch einige der Kriegsschäden entdecken. Diese "Spuren der Zeit" wurden, so Knauß, bewusst "sichtbar gelassen". Funktional wurde unterdessen alles - von der Elektrik bis zu den Schließfächern - auf den aktuellen Stand gebracht. Keine "Selbstverwirklichung" also, das wurde von allen Teilnehmern betont. Stattdessen ging es darum, den Geist, die "Wurzeln" des Gebäudes noch einmal neu hervorzuheben.

Was etwa der "Münchner König" von der Sanierung hält, das hätte man gerne erfahren. Aber er schwieg, so wie auch alle anderen wertvollen antiken Skulpturen, Büsten und Objekte, die bei alledem, das sollte man natürlich nicht vergessen, im Zentrum stehen. Und die durch die behutsame Sanierung noch einmal neu ins Bild rücken. Dafür wurde schon über die nächsten geplanten SZ-Kultursalon etwas verraten. Einer wird in einem ebenfalls bedeutenden Bau, und zwar der von Alfred Krupp gebauten Villa Hügel in Essen stattfinden - doch auch die Wege von dort führen nach Bayern. Der übernächste Salon ist dann wieder in München. Die neue BR-Intendantin, Katja Wildermuth, ist zu Gast, um über die Kulturarbeit der Landesrundfunkanstalt zu sprechen.

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