Neues soziokulturelles Zentrum:"Wir wollen hier inhaltlich arbeiten"

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Freiraum für die Subkultur: In den Gebäuden der Elektroinnung im Bahnhofsviertel sollen sich nach einer Aktionswoche langfristig Initiativen und Kulturmacher wie das Kösk auf 6000 Quadratmetern entfalten.

Von Michael Zirnstein

Ein freies Gebäude kann man auf unterschiedliche Weise füllen. Bei der Pressekonferenz in der ehemaligen Elektroinnung im Bahnhofsviertel geschieht das zunächst mit Forderungen. In einem leergeräumten Seminarraum, in dem ungeduldige Füße jahrzehntelang auf dem Holzboden unter den Tischen gescharrt haben, tritt Lou Schmitz fest auf. "Aufgrund von Platzmangel, prekärer Situationen durch Gentrifizierung, Verdrängung und Privatisierungsprozessen gibt es in München immer weniger Freiräume", sagt die Sprecherin der Initiative Freiräumen und beklagt auch "anhaltend mangelhafte Unterstützung seitens der Stadt".

Ihr offenes Bündnis wurde bekannt durch eine Demo im Sommer 2021, bei der 5000 Teilnehmer vor allem Orte für Techno-Partys und Subkultur forderten. "Passiert ist seitdem nicht." Aber daraus entwickelte sich eine Bewegung mit dem Ziel, frei organisierte Räume für junge, politische, soziale Menschen zu schaffen, "in denen sich revolutionäre, innovative Ideen potenzieren und Konventionen aller Art infrage gestellt werden können".

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Ein solcher Ort ist nun in der Schillerstraße 38 gefunden, zumindest schon einmal für eine Aktionswoche "Forum für Freiraum" von 26. bis 31. Dezember mit etwa 100 Programmpunkten von Workshops über Ausstellungen bis zu Konzerten (siehe forum.freiraeumen.jetzt).

Dabei soll es nicht bleiben. Auch andere - mit den Inhalten von Freiräumen konforme - Subkultur-Träger sind an den zwei viereinhalbstöckigen, durch einen breiten Zwischengang verbundenen Häusern dran. Der Komplex mit 6000 Quadratmetern Fläche steht seit Beginn der Pandemie leer. Den Tipp bekam Andrea Schönhofer vom Kösk. Mit ihrem bunten, städtisch geförderten Kulturzentrum muss sie noch im Sommer das Westend räumen - hier am Bahnhof könnte man dauerhaft bleiben, hofft sie.

Erstmal wird das Gebäude fünf Tage lang wiederbelebt

So sieht das auch der stets für die Szene engagierte Peter Pfaff. Er spricht für ein Netzwerk weiterer Künstler und Initiativen, die die vielen unterschiedlichen Räume selbstverwaltet und unkommerziell für Ateliers, Veranstaltungen und Künstlerwohnungen nutzen wollen - "nicht als Zwischennutzung, sondern mittel- und langfristig". Die Vermieter - eine für solche alternative Nutzungen offene Erbengemeinschaft Erl Hurnaus - habe sogar eine Stiftung als Träger ins Spiel gebracht.

Erstmals wird das Gebäude nun als "prozessorientierter Experimentierraum" fünf Tage lang wiederbelebt: "Damit Leerraum gar nicht erst entsteht", sagt Lou Schmitz; es geht aber auch um "Empowerment", kulturelle Bildung, Awareness und Gendergerechtigkeit. Es gibt kostenlose Workshops, zum Teil mit bereits erfolgreichen Raumeroberern aus Berlin, Halle und Leipzig, Ausstellungen, etwa mit Zwischennutzungs-Modellen von TU-Studenten zum Branntwein-Areal in Berg am Laim, Filme (im 100-Sitze-Leersaal unterm Dach), Essen von der Volxküche, Philosophie-Gespräche und Konzerte etwa vom Alligator Gozaimasu Kollektiv und dem Label Echokammer.

Zu den abendlichen Partys allerdings zieht man um in den Club Rote Sonne, erklärt die Szene-Netzwerkerin Emilie Gendron, "wir wollen hier inhaltlich arbeiten und nicht, dass der Ort als Partykeller oder Konsumraum in der Öffentlichkeit steht."

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