Kultur- und Freizeittipps:Die Woche von Sven Kemmler

Kultur- und Freizeittipps: Sinnenfreudiger Intellektueller und umtriebiger Künstler: Sven Kemmler steht derzeit mit seinem zehnten Soloprogramm auf der Bühne.

Sinnenfreudiger Intellektueller und umtriebiger Künstler: Sven Kemmler steht derzeit mit seinem zehnten Soloprogramm auf der Bühne.

(Foto: privat)

Der Münchner Kabarettist und Autor freut sich vom 22. bis zum 28. August besonders auf seinen Auftritt im Deutschen Museum. Daneben findet er Zeit zum Bummeln durch die Stadt, durch Museen und den Englischen Garten.

Sven Kemmler hat es sich zur Aufgabe gemacht, in seinen Programmen über den deutschen Tellerrand zu schauen: Als selbsternannter Außenminister des deutschen Kabaretts ergründet er gerne die Gebräuche und Eigenarten anderer Länder. In "Englischstunde" ging es um britische und anglo-amerikanische, in "Die neue Mitte" macht er sich augenzwinkernd auf den Weg, China zu verstehen. Jetzt nimmt er kein Land, sondern die Demokratie und seine Zukunft unter seine satirische Lupe. Am Freitag, 26. August, steht er mit seinem hochgelobten Programm "Paradise Lost" im Kleinen Posthof des Deutschen Museums auf der Bühne.

Montag: Lustwandeln in der Stadt

Kultur- und Freizeittipps: Frühstück im Liegestuhl: Das "Fräulein Müller" ist mehr als nur ein Kiosk. Hier kann man entspannt in der Sonne frühstücken.

Frühstück im Liegestuhl: Das "Fräulein Müller" ist mehr als nur ein Kiosk. Hier kann man entspannt in der Sonne frühstücken.

(Foto: Robert Haas)

Der Montag wird mit Lustwandeln verbracht. Von Schwabing aus ist das angemessen niedrigschwellig durchführbar. Nach einer Stärkung im Kiosk "Fräulein Müller" geht es also in den Nordteil des Englischen Gartens, weil dieser mehr Raum für Kontemplation lässt als der südliche Teil. Etwa auf halbem Wege zum Aumeister erwäge ich einen Abstecher in die Vergangenheit, nach Oberföhring, wo ich aufgewachsen bin. Da mir aber sonst kein Grund einfällt, Oberföhring zu besuchen, geht es wohl weiter, am Stauwehr vorbei, um zu baden, wo früher Heinrich der Löwe Brücken verbrannte und heute Griller ihre Würstl. Als Lektüre dabei: "Schwabylon" von Alexander Roda Roda. Auf dem Rückweg, Oberföhring erneut passierend, gibt es dann doch noch einen Grund, dort vorbeizuschauen, aber erst am Abend: Im Kafe Kult spielen von 20 Uhr an die Punk-Bands Chain Whip und Furiosa.

Dienstag: Boule im Hofgarten

Kultur- und Freizeittipps: Nicht nur Spaziergänger, auch die Boulespieler genießen die fantastische Atmosphäre des Hofgartens.

Nicht nur Spaziergänger, auch die Boulespieler genießen die fantastische Atmosphäre des Hofgartens.

(Foto: Robert Haas)

Als geborener Münchner hat man den Vorteil, auch ohne Eigenimmobilien, quasi per Geburtsrecht einen fast königlichen Besitzanspruch an der Stadt zu fühlen. Das will genutzt werden, weshalb ich beliebe, mich auf die Ludwigstraße zu verfügen und Richtung Hofgarten zu paradieren. Auf dem Weg hilft ein Stopp im Cadu, dem Café an der Uni. Am Odeonsplatz angekommen, habe ich manchmal das Gefühl, noch bis Italien weiterlaufen zu können. Also marschiere ich zum Deutschen Theater. Sicher, die Schwanthalerstraße ist nicht Mailand, aber im Silbersaal ist nur noch heute Leonardo Da Vincis "Abendmahl" in Originalgröße zu sehen. Nach so viel Größe braucht es Zerstreuung, deshalb geht es später dann doch in den Hofgarten, um den Platzhirschen beim Boule zuzuschauen und anschließend in einem ruhigeren Eck selbst zu dilettieren. Denn Kugeln, die vom Himmel fallen, und Flugbahnen, die zu berechnen sind, hätten auch Leonardo inspiriert. Zur Erdung geht es dann abends ins Vereinsheim in der Occamstraße für ein fürstliches Getränk.

Mittwoch: So klingt München

Kultur- und Freizeittipps: Wie klingt München, wie Chiang Mai? Die Installation "Playback" von Dumb Type im Haus der Kunst verrät es.

Wie klingt München, wie Chiang Mai? Die Installation "Playback" von Dumb Type im Haus der Kunst verrät es.

(Foto: Maximilian Geuter)

So langsam sollte ich meinen Auftritt am Freitagabend im Deutschen Museum vorbereiten. Andererseits sollte man auch nicht Mitte der Woche plötzlich anfangen, das Arbeiten zu übertreiben. Dafür bin ich ja nicht Künstler geworden. Also schließe ich einen Kompromiss mit mir. Erstmal Englischer Garten. Am besten diesmal in den quirligeren Südteil, um nicht abzudriften. Was schon beim Monopteros immer hart auf die Probe gestellt wird, da ich dort als Jugendlicher das Abdriften erlernt habe und ein sentimentaler Anflug mich dazu drängen will, einige Grundübungen durchzuführen. Mit geradezu japanischer Disziplin werde ich widerstehen, um mich am schönsten japanischen Ort in München - dem Teehaus - einer kurzen Meditation hinzugeben. Hier würde ich zu gerne fest einziehen und ein Shogunat gründen. Da es in meinem Kabarett-Programm aber um die Demokratie geht, also ums Kollektiv, ziehe ich weiter ins Haus der Kunst, wo das japanische Kollektiv "Dumb Type" ausstellt. Anschließend wird entlang des Schwabinger Baches am Text gearbeitet, kleines Bad inklusive.

Donnerstag: Lebensmitteljagd

Kultur- und Freizeittipps: Jeden Donnerstag bieten die Händler auf dem Wochenmarkt an der Münchner Freiheit ihre Waren an.

Jeden Donnerstag bieten die Händler auf dem Wochenmarkt an der Münchner Freiheit ihre Waren an.

(Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Die Bestände im Kühlschrank gehen zur Neige, deshalb wird es Zeit, zur Lebensmitteljagd zu blasen. Als Künstler ist es meine Pflicht, die Handwerkskunst zu fördern, deshalb beginnt die Jagd in der Metzgerei "Wilde Zeiten" von Sabine und Christian am Viktualienmarkt mit einer selbst erlegten Hirschleberkässemmel. Grundsätzlich bin ich der Ansicht, man sollte möglichst viele Einkäufe bei Menschen machen, die man mit Vornamen kennt, weil die Wahrscheinlichkeit, beste Qualität zu bekommen, umgekehrt proportional zur Anzahl der Eigentümer eines Ladens ist. Davon ausgenommen sind Genossenschaften, weshalb nach der Semmel normalerweise ein Kaffee im Bellevue di Monaco ansteht, dem vielleicht freundlichsten Ort der Stadt. Aber dort sind Sommerferien, deshalb trinke ich einen Espresso im Vee's, wo ich mich auch gleich mit Bohnen eindecken werde. Anschließend ein Kurzbesuch bei Randy im "Tara Spirits" am Rindermarkt, um über kaffeebegleitende Getränke zu philosophieren, und ein Abstecher bei Caro in der Lederwerkstatt Antonetty. Auf dem Heimweg ernte ich dann auf dem Wochenmarkt an der Münchner Freiheit noch Gemüse, und des Abends wird dann (wie meine Oma immer sagte) "bei chez Sven" gekocht.

Freitag: Gin beim Kumpel

Kultur- und Freizeittipps: Der Meatingsraum von Marc Christian (li.) und Sven Kemmler ist ein Kreativraum für Kultur, Konzeptkochen, Coaching, Seminare und Events.

Der Meatingsraum von Marc Christian (li.) und Sven Kemmler ist ein Kreativraum für Kultur, Konzeptkochen, Coaching, Seminare und Events.

(Foto: Jeannette Kummer)

Heute Abend wird endlich wieder vor Menschen gearbeitet - ein echter Auftritt! Das ist in den letzten zwei Jahren recht selten gewesen und auch jetzt noch ein rares Vergnügen. Umso mehr freue ich mich und versuche, konzentriert, sehr konzentriert zu wirken. Auf Ausflüge verzichte ich vorsichtshalber, denn im Sommer ist München ein Minenfeld der Zerstreuungen für die arbeitende Bevölkerung. Nachmittags geht's zum Soundcheck und abends wird dann die Zukunft der Demokratie verhandelt. Ich spiele "Paradise Lost" - entgegen dem Titel recht paradiesisch unter Bäumen in der Außenstelle des Lustspielhauses im Kleinen Posthof des Deutschen Museums. Nach Auftritten bin ich meist eher aufgeweckt, deshalb besuche ich im Anschluss wahrscheinlich meinen Freund und Kompagnon Marc Christian im Meatingraum in der Gollierstraße, der während meines Auftritts ein Dinner mit Gin-Begleitung gereicht hat, und ich hoffe, noch einen späten Gin zu ergattern.

Samstag: Rocky Horror forever

Kultur- und Freizeittipps: "Don't dream it - be it!" lautet das Motto im Kino Museum Lichtspiele, wo seit 40 Jahren immer samstags die "Rocky Horror Picture Show" gezeigt wird.

"Don't dream it - be it!" lautet das Motto im Kino Museum Lichtspiele, wo seit 40 Jahren immer samstags die "Rocky Horror Picture Show" gezeigt wird.

(Foto: Stephan Rumpf)

Heute ist Ausschlafen angesagt, allerdings muss vor eins noch ein Saibling am Wochenmarkt in der Ungererstraße geangelt werden - für den Sonntag. Eigentlich wollte ich schon letztes Jahr selbst an der Isar stehen zum Fischen, zumal mein Bruder einen Angelladen in der Riesenfeldstraße führt und Kurse für den Angelschein anbietet, aber da kamen das Fotokunstprojekt "Pensées" und die Regie fürs Ensemble der Lach- und Schieß dazwischen. Am Nachmittag werde ich mich wohl mit einem Kumpel zum Fachsimpeln über den neuen Sturm des FC Bayern treffen - des Clubs, dessen Anhänger ich schon aus Gründen der Parität bin, schließlich können nicht alle Kabarettisten Löwenfans sein. Schauen kann ich nur die erste Halbzeit, denn dann zieht es mich an den Ort meines gestrigen Verbrechens zurück, ins Deutsche Museum. Dort schaue ich mir im Posthof das von Kollegen empfohlene Programm von Hosea Ratschiller an. Danach treibt es mich vielleicht ums Eck zum Museum Lichtspiele, wo mein Urgroßvater als Stummfilmpianist gearbeitet hat. Samstags um 23 Uhr läuft dort immer die "Rocky Horror Picture Show", und es würde mal wieder Zeit ...

Sonntag: Saibling mit Whisky

Mir fällt auf, dass ich diese Woche zweimal im Deutschen Museum war, aber nicht einmal im Museum selbst. Dabei ist es teilweise frisch renoviert. Als Kind war ich ständig dort, bin mit meiner Urgroßmutter ein Jahr lang fast jeden Mittwoch von Oberföhring dort hin gefahren, um Blitze zu sehen, Flugzeuge, Turbinen und vor allem zum Gruseln im künstlichen Bergwerk. Und ausgerechnet die Zukunft des Bergwerks ist nun ungewiss, dieser Teil des Museums ist für mindestens sechs Jahre wegen Sanierungsarbeiten geschlossen. Nach dem Museum ist es dann gut für die Woche. Sonntags soll man ruhen. Am besten mit einem Saibling, circa 30 Minuten selbst geräuchert, dazu Kartoffeln reiben, die mit einem Ei, einem Esslöffel Ricotta, einem Schuss Sahne, einer Prise Salz, etwas Pfeffer, einem Hauch Peperoncini und einer halben Zehe Knoblauch "vermantscht" (Fachausdruck!) und anschließend gaaanz sanft in Olivenöl und einer Messerspitze Butter angebraten werden. Auf die Reiberdatschi dann ein Blatt Basilikum und auf die geräucherte Forelle einen Hauch Zitronenmarmelade. Lauwarm servieren und dazu ein Glas Wasser sowie einen "wenzigen Schlock" Whisky, ausnahmsweise mal ein japanischer, Yamazaki, zwölf Jahre. Danach auf die Couch mit Umberto Eccos "Das Foucaultsche Pendel", speziell das Kapitel, das im Bergwerk des Deutschen Museums spielt.

Der geborene Münchner Sven Kemmler ist seit 2004 als Solist auf Tour, derzeit mit dem Programm "Paradise Lost - Die Zukunft der Demokratie". Darüber hinaus arbeitet er als Regisseur, Autor und Dramaturg von Bühnenwerken und für Kabarett und Comedy in deutscher und englischer Sprache. Er ist Mitbegründer des Kultur- und Gastronomieprojekts "Meatingraum". Seit 2020 widmet er sich zudem regelmäßig dem zweisprachigen Fotokunstprojekt "Pensées", das auch als Kunstband erschienen ist.

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