Filmfest München:"Während des Drehs bin ich sehr in die Arbeit und meine Figur vertieft"

Luise Heyer liebt intensive Rollen. Als Mutter in Hape Kerkelings Autobiografie "Der Junge muss an die frische Luft" gelang ihr der Durchbruch. Beim Filmfest München zeigt sie nun andere Facetten.

Interview von Josef Grübl

Vor der Kamera muss sie einiges aushalten, da spielt sie depressive oder überforderte Mütter, Zwangsprostituierte oder Amokläuferinnen, wie jüngst im Rostocker Polizeiruf. Zum Filmfest reist Luise Heyer mit drei neuen Kinofilmen an, dem DDR-Drama Nahschuss, der Komödie Generation Beziehungsunfähig und dem Kinderfilm Lauras Stern. Am Telefon spricht die Berlinerin über Arbeitsgeräte, ihre Lust auf emotionale Rollen und Geheimnisse, die sie lieber für sich behält.

SZ: Ihre neuen Filme könnten unterschiedlicher kaum sein. Wollen Sie sich schauspielerisch breiter aufstellen?

Luise Heyer: Ja. Aber vor allem, um mich nicht selbst vor mir zu langweilen. Bisher habe ich in vielen Arthouse-Filmen mit schweren Themen gespielt. Das ist etwas, was ich sehr gerne spiele. Aber es gibt auch Momente im Leben, in denen man sein Arbeitsgerät schonen sollte. In meinem Fall ist das mein Körper und meine Seele. Wenn ich einen Film wie Lauras Stern mache, hat das etwas sehr Heilendes und Beruhigendes.

Ist eine Rolle wie in "Lauras Stern" auch leichter zu spielen?

Da ist etwas anderes gefragt, eine gewisse Leichtigkeit. Und die muss man ja irgendwie herstellen, genau das ist dann eben meine Aufgabe. Ich würde auch sagen, dass ich mich mit intensiven und emotionalen Rollen mittlerweile sehr sicher fühle. Ein Film wie Generation Beziehungsunfähig war eine Riesenherausforderung für mich. Ein Austesten, ob ich das kann.

Bekannt geworden sind Sie mit Filmen wie "Jack" oder "Der Junge muss an die frische Luft". Begleiten Sie solche intensive Rollen oder können Sie gut loslassen?

Während des Drehs bin ich sehr in die Arbeit und meine Figur vertieft. Daher wäre es eine Lüge zu sagen, es sei ganz einfach, sie danach abzustreifen. Aber ich habe mittlerweile Techniken gefunden, um loslassen zu können. Trotzdem erinnert sich der Körper später noch daran - dem ist ja egal, ob es gespielt war oder nicht.

Brauchen Sie danach lange Pausen?

Nein. Nach Das schönste Paar habe ich direkt Der Junge muss an die frische Luft gedreht. Da war es wirklich so, dass ich mit dem einen Film fertig war und gleich am nächsten Tag mit dem anderen angefangen habe. Da hat man dann gar keine Chance, in irgendein Loch zu fallen.

Beim Filmfest werden Sie viele Interviews geben. Mögen Sie diesen Teil der Arbeit?

Es ist nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Was aber nicht daran liegt, dass ich nicht gerne mit Ihnen spreche. Da ich aber sehr intuitiv an Figuren rangehe, fällt es mir oft schwer zu erklären, warum ich Sachen auf eine bestimmte Weise mache. Es kommt auch öfter vor, dass ich etwas für meine Figur festlege, es am nächsten Tag dann aber doch anders mache, weil mir noch ein anderer Gedanke dazu gekommen ist.

Das ist fast wie im Theater, wo man auch jeden Abend ein bisschen anders spielt.

Das stimmt. Wenn ich da neue Ideen habe, die oft nur aus Nuancen bestehen, kann ich das bei der nächsten Vorstellung ausprobieren. Das geht beim Film leider nicht - wenn man da einen schlechten Tag hat, ist es aufgrund von Zeit und Budget schwierig, das zu wiederholen. Und dann ist es für alle Ewigkeit festgehalten (lacht).

In "Nahschuss" geht es um das Thema Todesstrafe in der DDR. Beschäftigen Sie sich als gebürtige Ost-Berlinerin viel mit der DDR-Vergangenheit?

Das Thema wurde in der Schule natürlich groß behandelt, so wie der Zweite Weltkrieg auch. Es interessiert mich noch immer, ich setze mich aber nicht aktiv damit auseinander. Bei diesem Film fand ich das Thema wahnsinnig spannend - ich wusste gar nicht, dass in der DDR noch hingerichtet wurde. Und dass es bis 1981 die Todesstrafe gab, hat mich echt umgehauen.

Der DDR-Folklore oder Ostalgie setzt der Film jedenfalls einiges entgegen.

Absolut. Und das war ja auch das Perfide an diesem System. Es gab Menschen, die von der Überwachung nicht tangiert wurden und ein abgesichertes Leben geführt haben. Und es gab Menschen, die die Härte des Staates mit voller Wucht getroffen hat.

Als Zuschauer fragt man sich, wie man sich selbst in einem solchen System verhalten hätte. Hat Sie das auch beschäftigt?

Nein, in der Arbeit hinterfrage ich das nicht. Weil dann eine Bewertung mit einher ginge, die es mir erschweren würde, die Figur zu spielen. Ich nehme die Situation genau so, wie sie ist. Außerdem würde ich das ja als Luise machen und nicht wie in diesem Fall die Filmfigur Corina. Im Film wird nicht alles erzählt, beziehungsweise vieles offengelassen. Der Zuschauer erfährt nicht, ob sie wirklich eine Affäre hatte oder mit der Stasi zusammenarbeitete. Ich habe das aber für mich und meine Figur geklärt.

Behalten Sie diese Geheimnisse für sich?

Ja! Am Ende sind das ja die Fragen, die der Film aufwerfen soll. Deshalb verrate ich Ihnen das auch nicht (lacht).

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