Künstler beklagen Sparzwang„Es geht um die Existenz“

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Drohen Bühnen zu verwaisen? Blick in die leeren Münchner Kammerspiele.
Drohen Bühnen zu verwaisen? Blick in die leeren Münchner Kammerspiele. (Foto: Robert Haas)

München fehlt Geld, die Stadt spart deshalb auch an Kunst und Kultur. Ist eine Kulturtaxe die Lösung?

Von Yvonne Poppek

Die Krise um die Finanzierung von Kultur in München ist unübersehbar. Auch am Samstagabend. Am Ende einer langen Debatte in den Münchner Kammerspielen um die Kultur und ihren Wert platzt es aus einem Zuhörer heraus: „Es geht um die Existenz. Wir Künstler wissen nicht mehr, wie wir in dieser Stadt leben sollen.“

Dem Autor und bildenden Künstler Nikolai Vogel sieht man in diesem Moment Zorn und Frust an. Auch darüber, dass eine theoretisch geführte Debatte wenig konkret helfen kann. Doch Politik und Kultur, sie sind seit Samstag endlich öffentlich in einem Gespräch – und möglicherweise ist das der Beginn, Münchens Kulturszene aktiver zu gestalten, als nur in einer Krisenverwaltung stecken zu bleiben.

Das Bündnis „München ist Kultur“ hatte zu dem Austausch auf die große Bühne der Kammerspiele geladen, die Kulturpolitikerinnen und -politiker der Stadtratsfraktionen sind vertreten, der ehemalige Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin ist dabei, von Theaterseite her der Bühnenverein und der Fonds Darstellende Künste sowie Kammerspiele-Intendantin Barbara Mundel, vonseiten der Kunst die Autorin, Filmemacherin und bildende Künstlerin Jovana Reisinger und Kurator, Musiker und Kulturanthropologe Julian Warner. Kurzum: Das Podium ist stark besetzt und Moderatorin Antje Allroggen versucht, Bewegung hineinzubringen.

Wohin geht es mit Münchens Kultur? Kürzungen von 16,6 Millionen wurden Ende 2024 für den Kulturetat geplant, resümiert Allroggen. Die Kammerspiele trifft das beispielsweise mit 2,9 Millionen – 2,1 Millionen Euro weniger Zuschuss plus 780 000 Euro nicht übernommene Tariferhöhung. Die Rücklagen sind aufgebraucht. Gespart wird nun an Sach- und Personalkosten, frei werdende Stellen werden nicht nachbesetzt, Ausgaben für künstlerische Mittel sinken. Intendantin Mundel spricht von einer spürbaren „Unruhe“. Was für Haushaltsbeschlüsse 2025 zu erwarten sind, ist nicht absehbar. Die Befürchtung ist, dass es überall weniger wird.

Vor dem Hintergrund der Kürzungen hatte sich im Herbst 2024 das Bündnis „München ist Kultur“ gebildet, städtische Institutionen und freischaffende Künstler sind darin vereint. Dergleichen gab es in der Landeshauptstadt noch nie. Erste Kernforderungen sind formuliert wie die nach einem Kulturbeirat, nach einer mehrjährigen Finanzplanung oder einer Kulturtaxe.

Kammerspiele-Intendantin Barbara Mundel spricht von einer spürbaren Unruhe in ihrem Haus.
Kammerspiele-Intendantin Barbara Mundel spricht von einer spürbaren Unruhe in ihrem Haus. (Foto: Johannes Simon)
Grünen-Stadtrat Florian Roth setzt sich für die Einführung einer Kulturtaxe ein.
Grünen-Stadtrat Florian Roth setzt sich für die Einführung einer Kulturtaxe ein. (Foto: Johannes Simon)

Grünen-Stadtrat Florian Roth setzt sich seit 2015 für die Erhebung einer Kulturtaxe ein, was bislang an Bund und Freistaat scheiterte. „Wir prozessieren gerade“, sagt er. Wie in anderen Städten ließe sich über eine Übernachtungsabgabe für die Kultur Millionen-Einnahmen generieren. Roth: „Wir kämpfen weiter.“

Doch wie kommt man heraus aus dem aktuellen Dilemma, das ja auch ein bundesweites ist, mit sichtbar krassen Auswirkungen in Berlin? Vonseiten der Münchner Kulturpolitik war erkennbar, dass mit dem immer kleiner werdenden Finanztischtuch versucht wird, möglichst viel abzudecken. Dass die freie Szene bislang verschont wurde, wurde immer wieder betont. Es gab ein klares Bekenntnis von allen Seiten zur Vielfalt der Kultur. Auch ein Bewusstsein dafür, dass die freie Kunst vor Angriffen von rechts zu schützen ist. Aber eine kulturpolitische Vision zeigte sich erst einmal nicht.

Umso wichtiger waren hier die Impulse von außen. „Identifiziert sich die Bevölkerung mit ihren kulturellen Einrichtungen?“ Dieser Frage, so Nida-Rümelin, müsse man sich stellen. Womit er der Diskussion eine interessante Wende gab, nämlich, nicht nur einen Wert zu behaupten, sondern auch zu sehen, was und wie man etwas liefert.

Der ehemalige Staatsminister für Kultur Julian Nida-Rümelin gab der Debatte interessante Impulse von außen.
Der ehemalige Staatsminister für Kultur Julian Nida-Rümelin gab der Debatte interessante Impulse von außen. (Foto: Johannes Simon)
Holger Bergmann vom Fonds Darstellende Künste (links) und Künstler und Kurator Julian Warner repräsentierten die Idee, dass sich die Kulturbranche bewegen muss.
Holger Bergmann vom Fonds Darstellende Künste (links) und Künstler und Kurator Julian Warner repräsentierten die Idee, dass sich die Kulturbranche bewegen muss. (Foto: Johannes Simon)

Und hier zeigte sich, dass die Menschen aus der Kulturbranche wach und oft auch überraschend radikal sind. Intendantin Mundel sieht es als ihre Aufgabe an, zu überlegen, die Kammerspiele präsent zu halten und auch „die Menschen zu erreichen, die glauben, dass es nicht ihr Haus ist“. Doch eine Entwicklung dürfe nicht unter dem Diktat der Sparmaßnahmen geschehen, sagt sie.

Holger Bergmann, Geschäftsführer des Fonds Darstellende Künste, geht am Samstagabend am weitesten und spricht sich sogar gegen eine Verteilung nach dem Gießkannenprinzip aus. Es müsse eine Debatte geben, welche Einschnitte man machen müsse. Und Julian Warner fand sehr eindrückliche Bilder. Sobald die Branche eine Legitimationskrise habe, könne sie nicht gleichsam „zu Mama laufen und sagen, du hast mir doch gesagt, Kunst und Kultur sind forever“.

Ihn erinnere die Diskussion an die mit ihren Traktoren protestierende Landwirte. Damals habe er Probleme gehabt, sich zu solidarisieren, weil er das Gefühl hatte, es gehe nur um deren Privilegien. Als positives Beispiel hingegen nannte er die IG Metall in Schwaben, die sagten „Umbau ja, Abbau nein“, um in einem demokratischen Prozess zukunftsfähig zu werden.

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