Nahe dem Isartor:Münchens einziger Kinderbücher-Laden ist zurück

Lesezeit: 3 Min.

Betreiben die Buchhandlung „Kuckuck“: Manuela Ketzler-Momboisse, Jana Meier-Roberts, Claudia Kar-Köhle, Susanne Spieler und Miriam Tretter (von links). Nicht im Bild: Caroline Streck, Bianka Burger und Kirsten Prößdorf. (Foto: Florian Peljak)

Acht Frauen wollten nicht akzeptieren, dass das weit übers Viertel hinaus beliebte Geschäft „Kuckuck“ schließen musste. Wie sie es gerettet haben und welche Projekte bereits angelaufen sind.

Von Patrik Stäbler

Ein halbes Jahr lang war er verstummt, doch nun ruft der Kuckuck wieder – auch im Wortsinn. Denn sobald jemand die nach dem Vogel benannte Buchhandlung nahe dem Isartor betritt, ertönt als Türklingel sein charakteristisches „Gu-kuh“. Im Innern des wohnzimmergroßen Ladens stechen als Erstes zwei Klappstühle ins Auge, die aus dem alten Volkstheater stammen, sowie eine Lesehöhle, in die Kinder hinein krabbeln können.

Hinter der Kasse hängt eine Urkunde des Deutschen Buchhandlungspreises an der Wand, drum herum in den Regalen stehen einige Postkarten und Geschenkartikel. Aber vor allem: unzählige Bücher. Und zwar mehr als 800 verschiedene für Kinder im Alter von null bis zwölf Jahren. Allesamt handverlesen von acht Frauen, die den „Kuckuck“ vor dem Tod gerettet haben.

In dem Laden gibt es Bücher ausschließlich für Kinder. (Foto: Florian Peljak)
In die Lesehöhle können Kinder hinein krabbeln und dort lesen. (Foto: Florian Peljak)

Denn eigentlich ist das münchenweit einzige Geschäft speziell für Kinderbücher bereits dauerhaft geschlossen gewesen: Ende Mai sperrte der „Kuckuck“ seine Ladentür zu – knapp drei Jahre, nachdem Jana Schützendübel und Miriam Tretter die Kinderbuchhandlung in den Räumen eines früheren Lotto-Ladens eröffnet hatten. Die beiden Quereinsteigerinnen – Jana Schützendübel war zuvor im Theater tätig, Miriam Tretter in diversen Münchner Kinos – hatten sich bis dahin nicht nur einen Ruf weit übers Viertel hinaus erarbeitet, sondern auch eine treue Stammkundschaft, die es zu schätzen wusste, dass sie hier Kinderbücher jenseits von Conni, dem kleinen Drachen Kokosnuss und Leo Lausemaus fanden.

Vielmehr setzten die Gründerinnen des „Kuckuck“ auf „inhaltlich und illustrativ wertvolle Kinderbücher“ und organisierten obendrein Lesungen, Performances und Workshops – insbesondere zu den drei Themen, die auch auf ihrer gläsernen Ladentür prangen: Illustration, Diversität und Nachhaltigkeit. Ihr Konzept wurde im Sommer 2023 mit dem Deutschen Buchhandlungspreis prämiert.

Trotz Auszeichnung und Lob: Der Laden machte keinen Gewinn

Doch schon wenige Monate später, so erzählt es Tretter, setzte sich bei ihrer Mitstreiterin und ihr die Erkenntnis durch, dass es so nicht weitergehen könne. Denn trotz der Auszeichnung, trotz des vielen Kundenlobs und trotz der Energie und Zeit, die sie in den Laden steckten: Gewinn wollte der „Kuckuck“ zu keinem Zeitpunkt abwerfen. „Der Umsatz ging zwar nach oben, aber gleichzeitig sind auch die Ausgaben gestiegen“, sagt Tretter rückblickend. „Es war ein Nullsummenspiel. Und irgendwann haben wir gemerkt, dass wir auf dem Zahnfleisch daherkommen, und die Situation auch für unser Privatleben extrem belastend ist.“

Und so entschieden die Gründerinnen schweren Herzens, einen Schlussstrich zu ziehen – und teilten das auch ihrer Kundschaft mit. In der Woche vor dem letzten Öffnungstag traf dann plötzlich eine Mail bei Miriam Tretter ein: Eine Stammkundin wollte die Schließung nicht akzeptieren und selbst im „Kuckuck“ mithelfen. Wenig später meldete sich eine weitere Frau mit demselben Ansinnen; überdies bekundete auch eine Aushilfskraft ihren Willen zum Weitermachen.

Anders als Jana Schützendübel zeigte sich nun auch Miriam Tretter bereit zu einer Rolle rückwärts. Gemeinsam fand das Quartett vier weitere Mitstreiterinnen im Bekanntenkreis, die sich zu acht an eine Wiederbelebung des „Kuckuck“ machten.

Nach zahllosen Treffen im Laden, dessen Mietvertrag Tretter noch nicht gekündigt hatte, war schließlich ein Plan geschmiedet: Gemeinsam gründeten die Frauen den gemeinnützigen Verein „Kuckuck KinderBuchKultur“, der sowohl das Geschäft als auch die Veranstaltungen fortsetzen sollte. Als Ziele wurden in der Satzung die Förderung von Kunst und Kultur sowie von Bildung und Erziehung festgeschrieben.

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Die acht Gründerinnen arbeiten allesamt ehrenamtlich im „Kuckuck“ und zumeist neben ihren angestammten Jobs. „Als Verein dürfen wir keinen Gewinn erwirtschaften“, erklärt Tretter. Zwar wolle man natürlich keine Verluste machen. „Aber das Gute ist, dass der Druck jetzt nicht mehr so da ist, dass wir uns auch einen Lohn erwirtschaften müssen.“ Zudem sei man als achtköpfiges Team personell besser aufgestellt als früher. „Dadurch können wir auch außerhalb des Ladens viel mehr machen“, betont Tretter.

Tatsächlich haben die acht Kuckucke bereits einiges angestoßen. Seit Ende November hat der Laden in der Kanalstraße 15 wieder geöffnet. Zudem sind fürs kommende Halbjahr mehrere Veranstaltungen geplant – unter anderem in Kooperation mit der Villa Stuck, wo Verein und Museum einen Leseraum mit Bilderbüchern eingerichtet haben.

Ebenso hat der „Kuckuck“ das neue Väterberatungszentrum der Diakonie Hasenbergl beim Aufbau seiner Bibliothek unterstützt. „Diese Beratungsarbeit möchten wir ausbauen“, sagt Susanne Spieler, die über eine Bekannte zu dem Projekt gekommen ist. So wolle der Verein auf Schulen und Kindergärten zugehen, um sie bei der Zusammenstellung ihrer Bibliotheken zu unterstützen.

Mit diesem Dreiklang aus Buchhandlung, Veranstaltungen und Beratung soll der „Kuckuck“ also zum Höhenflug ansetzen. Wobei die Grundlage dafür das ehrenamtliche Engagement der acht Gründerinnen ist. „Natürlich stecken wir sehr viel Zeit und Energie in den Verein“, bestätigt Spieler. „Aber die Arbeit gibt einem auch unglaublich viel zurück.“

Hinzu kommt – und das nicht nur bei ihr – die Begeisterung fürs Thema. „Ich habe zwei Kinder, wir lesen sehr oft, und bei uns daheim liegen eigentlich immer Bücher herum“, sagt Spieler. „Deshalb spielt da auch viel persönliche Überzeugung mit rein.“ Quasi eine Wiederbelebung mit Herzblut für den „Kuckuck“.

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