Kuchentratsch:Die Omis backen weiter

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Einmal Gast sein: Die backenden Omas und Opas sitzen an einem Tisch. (Foto: Florian Peljak)

Nach seiner Insolvenz drohte dem Start-up Kuchentratsch das Aus. Nun springt die Höflinger-Müller-Gruppe ein. Was das für die Jobs der 50 Seniorinnen und Senioren bedeutet.

Von Sabine Buchwald

Die Nachricht von der Insolvenz hatte Mitte Juli die Gastro-Szene ebenso wie die Fans von Kuchentratsch schockiert. Das Münchner Sozial-Start-up stand acht Jahre nach seiner Gründung vor dem Aus. Nun überrascht Kuchentratsch erneut, aber mit positiven Nachrichten: "Wir backen weiter", hieß es am Dienstagvormittag per E-Mail. Die Höflinger Müller GmbH sei der neue Partner an der Seite, gemeinsam werde man die Öfen wieder anwerfen.

Seit Dienstag stehen vor den großen Glasfenstern an der Theresienhöhe 30, unweit der Bavaria, Tische und Stühle. Einen Steinwurf entfernt wird das Oktoberfest abgebaut, das so verregnet war wie selten. Für Kuchentratsch scheint zum Neustart am 4. Oktober die Sonne.

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Am Nachmittag sind einige der Tische draußen belegt. Im Inneren sitzen ein paar grauhaarige Damen beisammen. Plüschig überzogene Sessel, Stuckrosetten an den Wänden. Die Decke samt Abzugsrohren ist in sattem Rosarot gestrichen. Die Erdbeerbonbon-Farbe dominiert den offenen Raum. An der Theke werden gerade Kuchenstücke in kleine Kartons verpackt. Die dahinter liegende, einsehbare Backstube ist aufgeräumt, die Arbeitsflächen blitzblank. Backzeit ist am Vormittag.

Backen, genießen und ratschen - all das gehört zum Kuchentratsch-Konzept. (Foto: Florian Peljak)

Zwischen den langgezogenen grauen Neubaufassaden ging es schon lange nicht mehr so lebendig zu wie an diesem Dienstag. Auf einer Tafel vor der Eingangstür steht geschrieben, was hier los ist: "Neu. Eröffnung. Leckere Oma-Kuchen." In den Häusern haben viele Firmen ihre Büros. Nun also ist Kuchentratsch offiziell dazu gekommen. Wie ein Sahnehäubchen auf einem Sandkuchen. Ein rosafarbenes Logo über der gläsernen Eingangstür deutet mit wenigen Linien das Stereotyp einer Seniorin an mit Brille, Dutt und Schürze. Man kann es schön finden oder nicht, aber es passt zu Kuchentratsch. Denn hier backt tatsächlich ausschließlich die ältere Generation.

Grund zum Strahlen: Michael Rottenanger mit seinem veganen Mohn-Streusel-Kuchen in der Backstube. (Foto: Florian Peljak)

Das ist das Konzept des Unternehmens, das Katharina Mayer 2014 zusammen mit Katrin Blaschke, die jetzt Göttfert heißt, gegründet hat. Sie ist schon vor einigen Jahren aus privaten Gründen ausgestiegen. Mayer hat mit einem Team Kuchentratsch immer weiter vergrößert und schließlich den Umzug von der Backstube an der Landsberger Straße an die Theresienhöhe 30 geplant.

Zuvor war dort ein chinesisches Lokal, Mayer findet die Location "perfekt". Es war ihre Vision, auf der 650 Quadratmeter großen Fläche eine gläserne "Erlebnisbackstube" mit einem Gastro-Bereich entstehen zu lassen: Bei Kaffee und Kuchen gemütlich zusehen, wie die Omas backen, mit ihnen ins Gespräch kommen, in Workshops von ihnen lernen.

Kurz vor dem Ende der Umbauphase aber zerplatzt Mayers Traum. Die Einladungen zur Eröffnung waren schon verschickt. Doch die Finanzierung gestaltet sich schwieriger als gedacht, denn Corona hat auch bei Kuchentratsch Spuren hinterlassen. Laut Mayer hatte der Umsatz der GmbH in guten Zeiten bei knapp einer Million Euro jährlich gelegen. Mit einer Crowdinvest-Kampagne soll die Lücke geschlossen werden. Aber es kommen statt der benötigten 400 000 Euro nur knapp 230 000 Euro zusammen. Die fünf Altgesellschafter wollen nicht einspringen und werden sich mit einem potenziellen Investor nicht einig.

Mitte Juli muss Mayer die Notbremse ziehen und Insolvenz anmelden. Sie hadert bis heute damit, dass ihr nur so wenig Zeit geblieben ist, sich nach rettenden Partnern umzusehen. Die Sorge vor einer Insolvenzverschleppung habe sie damals sehr belastet, sagt die 33-Jährige. Sie muss reagieren. Nachdem sie die Insolvenz öffentlich gemacht hatte, habe sie viel Zuspruch und Unterstützung erfahren und auch konkrete Hilfsangebote bekommen. Für Mayer selbst geht mit der Insolvenz die Kuchentratsch-Zeit zu Ende. Das Baby hat seine Mutter verloren.

Vom Back-Wissen der Senioren profitiert Kuchentratsch - wie hier bei diesem Apfel-Mandel Kuchen. (Foto: Florian Peljak)

Dass Kuchentratsch nun die Bäckerei Höflinger Müller an der Seite hat, freut Mayer vor allem "für die Omas und Opas". Die etwa 50 Seniorinnen und Senioren sind wieder auf Mini-Job-Basis angestellt. Mayer sagt, es mache sie sehr glücklich, dass es weitergehe für die Senioren, dass sie ihren Job, ihr Hobby, ihr Netzwerk nicht verlören, dass die Verbindung von Sozialem und Unternehmerischem fortbestehe.

Bis Ende des Jahres begleitet Mayer noch den Übergang, wird beratend zur Seite stehen, Kontakt zur Presse und mit der Backstube halten. Die Firma Höflinger Müller leitete eine Anfrage an sie selbst umgehend an Kuchentratsch weiter. Auf der aktualisierten Webseite sind noch viele Bilder mit Mayer zu sehen, auf denen sie lacht und voller Energie wirkt. Entscheidungen aber darf sie keine mehr treffen, dafür sind nun die neuen Chefs zuständig. Kuchentratsch gehört jetzt zu den gut 140 Filialen der Bäckereikette.

Wie ein Sahnehäubchen auf einem Sandkuchen wirkt Kuchentratsch zwischen den grauen Neubaufassaden. (Foto: Florian Peljak)

Von außen ist dies bisher nicht erkennbar. Nur hinter der Theke. Da stand am Dienstag ein junger Mann mit einem dunklen Poloshirt, auf dessen Kragen der Name Höflinger eingestickt ist. Er helfe in der ersten Zeit aus, etwa mit dem Kassensystem, das sei gar nicht so einfach, sagt er. Vor ihm liegt ein Tablett mit Blätterteil-Teilchen und Brezen, daneben steht eine Kühlvitrine mit Capri-Sonne und Limo von Adelholzener. Das sind Produkte aus der Höflinger-Müller-Welt. Dort sollen im Gegenzug bald mehr und mehr Oma-Kuchen verkauft werden. Knuspriger Mohn-Streusel vielleicht, saftiger veganer Schokokuchen, und die nussige Kirsch-Zimt-Variante, die geschmacklich zwischen Herbst und Weihnachten schwebt. Das und mehr jedenfalls gibt's jetzt auf der Theresienhöhe werktags von acht bis 18 Uhr, samstags und sonntags bis 17 Uhr.

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