Ein Mord ohne Leichen
Die Polizei ist sich sicher, dass Roman H. seine Frau und seine Stieftochter getötet hat. Doch die Suche nach den beiden Opfern blieb bis heute erfolglos
Es war eine der größten Suchaktionen, die die Münchner Polizei je unternommen hat: Mehr als 650 Beamte durchkämmten in der Augusthitze tagelang das Dickicht im Truderinger Forst. Ein Hubschrauber kreiste über dem Gelände, Taucher suchten den Grund einer Kiesgrube ab, Leichenspürhunde waren im Einsatz. Hoffnung, die 41 Jahre alte Maria Gertsuski und ihre 16-jährige Tochter Tatiana lebend zu finden, hatten die Ermittler schon damals keine mehr. "Wir gehen davon aus, dass Mutter und Tochter tot sind", hatte Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins schon eine Woche nach deren Verschwinden gesagt. Fast ein halbes Jahr später sind die Leichen der beiden Frauen immer noch unauffindbar.
Es wird also ein aufwendiger Indizienprozess werden, der im kommenden Jahr beginnen soll. Anhand von Spuren und Zeugenaussagen wird die Staatsanwaltschaft versuchen zu beweisen, dass der Ehemann von Maria Gertsuski, der zur Tatzeit 44 Jahre alte Roman H., seine Frau wohl im Streit erschlug und anschließend seine Stieftochter ermordete, um die Tat zu vertuschen. Der Haftbefehl lautet auf Totschlag in Tatmehrheit mit Mord.
Die ursprünglich 20 Frauen und Männer umfassende Ermittlungsgruppe "EG Duo" wurde im Oktober auf sieben Mitarbeiter reduziert. Die Mordkommission werde die Akten wohl in nächster Zeit an die Staatsanwaltschaft übergeben, erklärte ein Polizeisprecher vergangene Woche. Dann hängt es davon ab, ob der Staatsanwalt den Eindruck hat, dass die Indizien, die die Polizisten zusammengetragen haben, für eine Beweisführung reichen. Oder ob noch Fragen offen sind und nachermittelt werden muss.
Ramersdorf:Blutspur an Fußmatte erhärtet Verdacht gegen Ehemann
Der 44-Jährige soll seine Frau und seine Stieftochter getötet haben. Die Polizei hat zwar noch keine Leichen gefunden, trotzdem gehen die Ermittler davon aus, dass die beiden tot sind. In einem Waldstück haben sie nun weitere Hinweise entdeckt.
Zentrale Beweisstücke dürften dabei jene Fußmatte und jener Teppich sein, die die Beamten bei ihrer Durchsuchungsaktion im August abseits eines Waldweges nördlich der Putzbrunner Straße fanden. Die Rechtsmediziner konnten daran Blut von beiden Opfer nachweisen. Zuvor war den Ermittlern aufgefallen, dass der Teppich und die Schmutzfangmatte aus der Wohnung der Familie in der Ottobrunner Straße in Ramersdorf verschwunden waren. Das Waldstück liegt nur etwa zehn Minuten Fahrt mit dem Auto von dem Neubau entfernt, in dem die Familie erst im Jahr zuvor eine Wohnung bezogen hatte. "Der Schluss, dass die beiden tot sind, ist zwingend, so traurig das ist", sagte der Leiter der Münchner Mordkommission, Josef Wimmer, auf einer Pressekonferenz nach der aufwendigen Absuche des Waldstücks.
Zeugen sollen vor Gericht ihren Eindruck von der Familie und dem neuen Mann an Maria Gertsuskis Seite schildern. Gab es Streit? War der Beschuldigte eifersüchtig? Die letzten Monate haben die Ermittler der Mordkommission damit zugebracht, mit Freunden der Familie und Kollegen des Mannes zu sprechen, der in Augsburg in der Logistikbranche tätig war.
Er selbst war es, der am 15. Juli zur Polizei ging und Maria und Tatiana Gertsuski vermisst meldete. Auch Freunde der Familie soll er angerufen haben, um sich nach den beiden zu erkundigen. Nach seiner Darstellung waren sie am Samstag, den 13. Juli, ins Neuperlacher Einkaufszentrum Pep aufgebrochen und von dort nicht mehr zurückgekehrt. Allerdings hat sie dort an diesem Tag niemand gesehen. Die Mobiltelefone der beiden waren ausgeschaltet. Weil die beiden als sehr zuverlässig galten und Maria Gertsuski sich auch nicht mehr bei ihrem Vater meldete, der in Moskau lebt und mit dem sie sonst fast täglich telefonierte, stand bald der Verdacht im Raum, dass sie nicht zu einer spontanen Reise aufgebrochen, sondern Opfer eines Verbrechens geworden waren.
Bei den Vermisstenmeldungen habe es "erhebliche Lücken und Widersprüche" gegeben
Am 17. Juli übernahm die Mordkommission den Fall und die Polizei veröffentlichte Fotos der Vermissten. Zwei Tage später erließ ein Richter Haftbefehl gegen den 44-jährigen Ehemann Roman H. In den Angaben der Vermisstenmeldungen habe es "erhebliche Lücken und Widersprüche" gegeben, erklärte Polizeisprecher da Gloria Martins. Der Verdacht erhärtete sich, nachdem Experten der Spurensicherung die Wohnung und die Autos der Familie untersucht hatten. Seit er als Beschuldigter in der Untersuchungshaft sitzt, schweigt Roman H.
Maria Gertsuski war vor 20 Jahren mit ihrem ersten Mann aus Russland nach München gekommen. Sie hatte in Moskau Französisch studiert und lernte schnell Deutsch. Zuletzt arbeitete sie bei einem Unternehmen für Chemie- und Laborbedarf im Kundendienst. Ihre Tochter kam in München zur Welt. Nachdem die Ehe mit Tatianas Vater vor einigen Jahren auseinanderging, lernte Maria Roman H. kennen, einen Deutschrussen aus Sankt Petersburg, der ebenfalls schon lange in Bayern lebte. Die beiden heirateten und zogen in den Neubau in der Ottobrunner Straße. Dort, so legen es die Ermittlungsergebnisse nahe, die bis heute an die Öffentlichkeit gedrungen sind, fand das Leben der beiden Frauen ein schreckliches Ende.
Ob die Schüsse auf ein Fluchtauto verhältnismäßig waren, ist noch immer unklar
Es war heller Tag und auf der Truderinger Straße herrschte reger Betrieb, als am 27. März plötzlich Schüsse fielen und ein Auto mit quietschenden Reifen und zerborstenen Scheiben davonfuhr. Hätte nicht ein Polizist auf das Fluchtfahrzeug geschossen, die Öffentlichkeit hätte wohl kaum Notiz genommen von dem Betrug am Juwelier Baier, der sich kurz zuvor abgespielt hatte. Seit 50 Jahren betreibt die Familie Baier ihr Geschäft in Trudering. Neben dem Verkauf von Uhren und Schmuck ist auch der Ankauf von Altgold eine Einkommensquelle. Bisher ging das immer reibungslos, doch dann kamen die Betrüger und drehten ihnen falsches Zahngold an. Erst beim Einschmelzen flog der Betrug auf. An jenem Märztag hatten sich die Täter erneut gemeldet, sie wollten noch mehr verkaufen. Ein Polizist in Zivil nahm einen Betrüger gleich im Laden fest. Ein Komplize, der im Auto gewartet hatte, versuchte zu entkommen; und ein zweiter Polizist gab drei Schüsse ab, um den Wagen zu stoppen.
Ob diese Schüsse verhältnismäßig waren, hat die Polizei bis heute nicht abschließend geklärt. Auf ein Auto zu schießen, dass durch eine belebte Straße rast, ist riskant. Das Polizeiaufgabengesetz erlaubt Schüsse auf Flüchtende nur, wenn sie eines Verbrechens dringend verdächtig sind. Bandenmäßiger Betrug wäre ein Verbrechen, dennoch muss auch die Gefahr für die Menschen auf der belebten Straße in Betracht gezogen werden. Man warte noch auf ein Gutachten von den Kollegen vom Bayerischen Landeskriminalamt zu den Schüssen, teilt ein Polizeisprecher auf Anfrage mit. Erst dann werde die Rechtsabteilung ihr Urteil fällen. Davon hängt ab, ob disziplinarische Maßnahmen gegen den 41-jährigen Beamten getroffen werden. Die Betrüger haben die Ermittler derweil identifiziert, wann das Verfahren gegen sie beginnen kann, ist noch nicht klar. Es laufen noch Ermittlungen. Die etwa 13 000 Euro, die der Juwelier Bayer für das falsche Gold bezahlt hat, bekommt er nicht wieder. Gegen Einbruch und Überfälle können sich Juweliere versichern. Gegen Betrug nicht
Diebe stehlen Scheine aus einem Bankschließfach - aber wie viele?
Wenn im Januar am Landgericht München I die Hauptverhandlung gegen die mutmaßlichen Millionendiebe beginnt, die zwischen Dezember 2017 und März 2018 mehr als 4,6 Millionen Euro aus Schließfächern der Commerzbank am Promenadeplatz gestohlen haben sollen, dann wird die interessanteste Frage womöglich gar nicht zur Sprache kommen: Woher stammte das viele Geld ursprünglich überhaupt? Bekannt ist bislang, dass eine Russin und ihr Sohn im November 2016 mehrere Schließfächer angemietet hatten. Geldtransporter hätten dort daraufhin insgesamt 32 Millionen Euro angeliefert, berichtete die tz im Mai dieses Jahres. Aus den Ermittlungsakten ergibt sich zwar "nur" eine Summe von etwa zehn Millionen Euro. Weitere 34 Millionen Dollar zahlte die aus Saratow an der Wolga stammende Frau demnach auf ein Währungskonto ein.
So oder so: Der Vorgang war spektakulär genug, dass er sich wohl unter den Mitarbeitern der Filiale herumsprach. So soll der Sohn einer Mitarbeiterin auf die Idee gekommen sein, von der Summe etwas abzuzweigen, lautet der Vorwurf. Die 57 Jahre alte Bankangestellte und ihr 30-jähriger Sohn saßen im Sommer zwischenzeitlich in Untersuchungshaft, wurden aber bald wieder nach Hause entlassen - sie aus gesundheitlichen Gründen, er, weil er sich um eine minderjährige Tochter kümmern muss. Ein weiterer Tatverdächtiger sitzt noch in Untersuchungshaft. Bis zu acht Personen sollen sich den Ermittlungen zufolge zu einer Bande zusammengeschlossen haben, um an das Geld in den Schließfächern zu kommen, so lautet der Vorwurf. Sie mieteten ebenfalls ein Schließfach in der Filiale an und erhielten so per Chipkarte Zugang zu dem gesicherten Bereich.
Überwachungskameras filmten sie beim Betreten, allerdings nicht beim Öffnen der Schließfächer. Weil sie die Türen danach wieder mit Klebstoff verschlossen, dauerte es eine Weile, bis einem Servicemitarbeiter im April der Schaden auffiel. Wie viel Geld tatsächlich gestohlen wurde, war auch deshalb schwer zu ermitteln, weil die russische Kundin zunächst nicht genau sagen konnte, wie viel Geld sie in der Zwischenzeit entnommen hatte. Außerdem hat sie Geld von 200- in 500-Euro-Scheine getauscht, so dass mehr in ein Fach passte. Bei einem sogenannten Vorprüfungsverfahren wegen des Verdachts auf Geldwäsche hätten sich keine hinreichenden Verdachtsmomente ergeben, um ein Verfahren gegen die Bank oder die Kundin einzuleiten, erklärte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft vergangene Woche. Banken sind per Gesetz verpflichtet, Bareinzahlungen über 15 000 Euro an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu melden. Geprüft wird allerdings lediglich, ob Verbindungen der Kunden zu kriminellen Strukturen bekannt sind. Eine Pflicht, die Herkunft des Geldes nachzuweisen, gibt es nicht.