Kultur in München:Vorschriften und hohe Mieten sorgen für Unmut im Kreativquartier

Mehr Freiraum fürs Kreativquartier.Kunstwerk von Christian Schnurer.

"Smell of Revolution" nennt der Bildhauer Christian Schnurer sein ausgebranntes Auto. Für den Parkplatz, den das Kunstwerk im Kreativquartier belegt, muss er Miete zahlen.

(Foto: Catherina Hess)

Mit einem Antragspaket wollen SPD und Grüne die Künstlerszene an der Dachauer Straße stärken - und den vor allem wirtschaftlich denkenden Träger zurückdrängen.

Von Sonja Niesmann

Geht das zusammen - ein wirtschaftlich orientiertes Unternehmen, das sich um Gewerbe kümmert, und eine bunte, eher schlecht als recht verdienende Kreativ-Szene? Das fragten sich manche zweifelnd, als der Stadtrat 2018 beschlossen hatte, die Trägerschaft für das Kreativquartier am Leonrodplatz der Münchner Gewerbehof und Technologiezentrumsgesellschaft (MGH), einer städtischen Tochter, zu übergeben. Aus Sicht der Künstler und Kreativen, die schon lange auf dem Areal arbeiten, zum Beispiel im International Munich Art Lab "Imal", im Import/Export, Atelierhaus, Theater-Werk und im Klangbüro, geht es überhaupt nicht gut zusammen.

Der Bildhauer Christian Schnurer kann dafür ein prägnantes Beispiel erzählen: Zum zehnjährigen Bestehen der Halle 6 haben sie zwei Skulpturen aufgestellt hinter dem Gebäude, Schnurers "Smell of Revolution", ein ausgebranntes Auto, und einen fünf Tonnen schweren Marmorblock von Venske & Spänle, aus dem oben die vordere Hälfte eines Fiat Panda herausragt. Und prompt haben sie von der MGH eine Rechnung bekommen: 600 Euro Miete für zwei Monate für die beiden Parkplätze. "Damit haben wir nicht gerechnet", sagt Schnurer verblüfft - dass sie für öffentlich sichtbare Kunst auch noch selbst bezahlen müssen. Von Mitbestimmung oder wenigstens Mitsprache, die sich die Nutzer dort gewünscht hätten, keine Spur, klagt Schnurer: "All unsere Ideen und Konzepte liegen auf Eis."

Nein, es läuft nicht rund, das findet auch Kathrin Abele (SPD), aus sehr vielen Gesprächen im Kreativquartier haben sie und andere Kulturpolitikerinnen den Eindruck gewonnen, dass durch zu eng ausgelegte Vorschriften und zu hohe Mieten der so dringend benötigte Freiraum für Künstler zu stark eingeengt wird. Die Rathaus-Fraktionen von SPD/Volt und Grüne/Rosa Liste haben deshalb nun ein Antragspaket namens "Kreativquartier stärken" vorgelegt. Die erste und weitreichendste von acht Forderungen: Das Kreativquartier - vom Berliner Architektenbüro Teleinternetcafe ist es in "Kreativlabor" umgetauft worden - soll an eine gemeinnützige Gesellschaft übertragen werden. Ganz ausbooten müsse man die MGH nicht, präzisieren Abele und Mona Fuchs, die grüne Vize-Fraktionsvorsitzende, bei der Vorstellung der Anträge: Die GmbH könne weiter für Planung und Sanierung zuständig bleiben, eine gemeinnützige Gesellschaft dagegen als Betreiberin fungieren, so dass Vergabe und Mietpreisgestaltung flexibler gehandhabt werden könnten.

Die Kalkulation der MGH: Günstige Mieten durch höhere Mieten andernorts ausgleichen

Wirklich überraschend ist das wirtschaftliche Gebaren der MGH nicht, sie hatte von Anfang an ihre Bedingungen klar skizziert: Das Kreativquartier müsse sich langfristig selbst tragen, städtische Förderung und günstige Mieten durch höhere Mieten an anderer Stelle ausgeglichen werden. Laut Schnurer - er ist einer der Sprecher des Vereins, zu dem sich viele Nutzer zusammengeschlossen haben - bedeutet das Mietpreise von zwölf Euro pro Quadratmeter aufwärts, "für unsanierte, schlecht beheizbare Räume". In einem neuen Wohnblock der Gewofag, immerhin auch ein städtisches Unternehmen, in Laim könne man Ateliers für zehn Euro pro Quadratmeter mieten. Ein Vergleich, den Abele nicht ganz statthaft findet, allerdings zielt einer der Anträge durchaus auf "soziale Mieten" ab - ohne 19 Prozent Mehrwertsteuer und nach Nettogeschossfläche berechnet. Die MGH bemisst die Miete nach Bruttogeschossfläche, wer also dicke Mauern um sein Atelier oder seinen Probenraum hat, zahlt mehr Raum, als er zur Verfügung hat.

Willi Wermelt (SPD), Kulturpolitiker im Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg, findet zudem angesichts des marktwirtschaftlichen Strebens der MGH den Leerstand sehr verwunderlich. Laut Raummelder seien im Oktober in den grün, gelb und rosafarbenen Containern entlang der Dachauer Straße noch 600 von 2000 Quadratmetern frei gewesen, moniert er. Und auch die Halle 2, vor Jahren aufwendig umgebaut zum Heim für minderjährige Flüchtlinge, dann wieder aufwendig umgebaut in Räume für die Kreativwirtschaft, stehe immer noch weitgehend leer. "Einen Skandal" nennt Wermelt das.

Kultur in München: Im Kreativquartier - hier die Kunstcontainer - ändert sich durch die Sanierung derzeit einiges.

Im Kreativquartier - hier die Kunstcontainer - ändert sich durch die Sanierung derzeit einiges.

(Foto: Catherina Hess)

Weitere Punkte zur Stärkung des Kreativquartiers sind der Verzicht auf eine Stellplatz-Satzung zugunsten eines Sharing-Konzepts, mit kleinen elektrischen Lastenrädern, E-Lkw oder Fahrradstellplatztürmen sowie das Begrünen dieser "brutal versiegelten Flächen" (Mona Fuchs). Von den ansässigen Künstlern angelegte Hochbeete seien leider "entsorgt" worden. Und schließlich wird die MGH noch aufgefordert, ein Konzept für die kommenden Sanierungen auf dem Areal vorzulegen.

Der Bildhauer Corbinian Böhm aus dem Atelierhaus nennt die Anträge ein Signal an die Stadt, die schließlich versprochen habe, dass neben all dem Neuen, das andocken soll, das Alte bleiben und sich entwickeln dürfe. Behutsam entwickeln, unterstreichen Mona Fuchs und Kathrin Abele.

Zur SZ-Startseite

Theater Schwere Reiter
:Stahlvorhang auf

Der Neubau des Theaters Schwere Reiter wird eröffnet. Das Innere gleicht dem alten Bau, die Fassade ist kühn. Und für die freie Szene ist das neue Haus ein tolles Signal. Obwohl die Zeit auch dort begrenzt sein soll.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: