Der Preis klingt nach Discounter. 9,99 Euro. Wenn man hört, dass das ein Quadratmeter-Mietpreis sein soll für einen Neubau in München, denkt man an ein Märchen. Tatsächlich aber soll das Haus mit der 9,99-Euro-Miete ein Leuchtturmprojekt werden, das versprechen zumindest jene, die es planen. Stefan Höglmaier, Geschäftsführer des Bauträgers Euroboden, und Florian Nagler, Architekt und ausgezeichnet für seine nachhaltigen Konzepte. Entstehen soll das 9,99-Euro-Haus im Kreativquartier an der Heßstraße beim Olympiapark.
Höglmaier und Nagler wollen mit dem Projekt beweisen, dass man selbst in München so bauen kann, dass es sich auch jene leisten können, die zu den Leistungsträgern der Gesellschaft gehören, deren Arbeit aber nicht entsprechend entlohnt wird. Sie denken an Krankenpfleger und Polizistinnen, an Hebammen oder Feuerwehrleute. Die zehn Euro pro Quadratmeter, so viel Aufrundung sei gestattet, ist etwa die Hälfte des derzeitigen Marktpreises in dieser Lage, dort, wo die Hochpreis-Bezirke Neuhausen, Maxvorstadt und Schwabing-West aneinandergrenzen, wo an der Ecke Dachauer und Schwere-Reiter-Straße ein für Münchner Verhältnisse ungewöhnlich buntes Viertel entstehen soll. Man wolle ein "ESG-Vorzeigeprojekt" schaffen. Die drei Buchstaben stehen für Environment, Social und Governance, für zukunftsfähige Konzepte in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.
Um die zehn Euro zu erreichen, muss man günstiger als üblich bauen, was in Zeiten stark steigender Preise besonderer Anstrengung bedarf. Als Schlüssel für das Gelingen nennt Architekt Nagler das Prinzip "Einfach Bauen". Zwei längliche Baukörper ohne Schnickschnack, ergänzt durch tiefe Laubengänge, verbunden mit Brücken, gebaut vor allem aus Holz und mit möglichst wenig Technik, was im Bauträgerjargon "Lowtech" heißt. Nagler berichtet von Forschungsergebnissen an der Technischen Universität, wo er einen Lehrstuhl hat, und von seinen Erfahrungen mit drei von seinem Büro entworfenen Einfach-Häusern in Bad Aibling. Die besten Raumschnitte, Fensterplatzierungen und Materialien habe man so ermittelt.
Entstehen soll eine Anlage mit einem üppig begrünten Innenhof, "Dschungel" nennt ihn Nagler. Die rund 40 Wohnungen sollen standardisiert einfach sein, was etwa bedeute: statt Parkett ein polierter Estrich, statt Luxuswanne ein Einheitsbad, Versorgungsleitungen nur in der Wand zwischen Küchenzeile und Bad. So spare man Ressourcen und Geld beim Bauen, sagt Nagler. Auch eine Pflege-WG, Gemeinschaftsflächen sollen ins Haus integriert werden, Sportraum und Dachterrasse mit Gemeinschaftsküche. Platz für Büros soll auch sein. Den im Haus benötigten Strom will man auf dem Dach mit Photovoltaik selbst erzeugen.
Dass am Ende eine so günstige Miete herauskommt, liege aber nicht allein am einfachen Bauen. Zu verdanken sei das Projekt auch der Grundstückspolitik der Stadt München, die im Kreativquartier bewusst eine Fläche zu so günstigen Konditionen abgebe, 80 Jahre im Erbbaurecht, verbunden mit der Auflage, günstig und nachhaltig zu bauen. Den Zuschlag sollte der Bieter mit dem besten Konzept bekommen. Das war Euroboden, eine Firma mit Sitz in Grünwald, die sonst Luxus baut.
Die Miete von 9,99 Euro soll für fünf Jahre fix sein, erst dann seien Erhöhungen möglich. Geplant sei ein Baubeginn im kommenden Jahr, eine Fertigstellung 2025. Weil Euroboden ein Immobilienentwickler sei, kein sogenannter Bestandshalter, sagt Höglmaier, suche man derzeit nach einem Investor, der das Projekt kaufe und dann Vermieter wird. Das könne ein üblicher Investor sein, der eine "ESG-Trophy-Immobilie" für sein Portfolio suche, eine Genossenschaft ebenso wie eine Stiftung oder eine kirchliche Einrichtung.
Ob Euroboden den Bau erst beginnt, wenn ein Investor gefunden ist, sei noch offen. Der künftige Vermieter wird sich überlegen müssen, wie er mit dem zu erwartenden Ansturm auf seine Wohnungen umgeht. Wer kriegt eine? Die Anlage ist nicht im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus gefördert, es gilt keine Einkommensgrenze. 40 Prozent der Wohnungen sollen frei vergeben werden, 60 Prozent jenen vorbehalten bleiben, ohne deren Arbeit die Stadt nicht funktionieren würde, seien es Erzieher oder Busfahrerinnen.