Der Auftrag war klar: "So schnell wie möglich eine neue Halle bauen." So erzählt es Lukas Mahlknecht. Nur was tun mit so einem Auftrag? "Wir haben überlegt: Was geht schnell zu bauen und baut zugleich das Gelände hier mit seinem Charakter weiter?" So kamen die Architektinnen und Architekten vom Münchner Büro Mahlknecht Herrle auf die Idee mit den Spundwänden. Das sind Metallwände, wie man sie auf Baustellen oft sieht. Sie dienen eigentlich dazu, Baugruben gegen Wasser abzudichten.
Nun stehen solche gewellten verrosteten Wände auf dem Gelände des Kreativquartiers an der Dachauer Straße und formen die Hülle des künftigen "Schwere Reiter", einer Spielstätte für die freie Szene in den Bereichen Tanz, Musik und Theater. Am Mittwoch stellten Vertreterinnen und Vertreter der Stadt und der Kulturschaffenden gemeinsam mit dem Architekten bei einer Baustellenbesichtigung das Projekt vor, das zum "Kreativlabor" gehört, einem von vier Teilen des Kreativquartiers, das die Stadt in den nächsten Jahren zu einem für München bisher einzigartigen "urbanen Stadtquartier" entwickeln will, "in dem Wohnen und Arbeiten mit Kunst, Kultur und Wissen verknüpft werden", heißt es in einem Stadtratsbeschluss.
Beschlossen hat der Stadtrat den nun vorgestellten Bau, der zunächst als Interimsquartier gedacht ist, im Oktober 2018. Denn das bisherige Quartier des "Schweren Reiter" direkt nebenan in einer ehemaligen Lagerhalle hat keine Zulassung als Ort für Kulturveranstaltungen. Der Betrieb dort wird von der Lokalbaukommission nur geduldet. Allerdings hat sich der Raum dort sehr bewährt, insbesondere wegen der herausragenden Akustik. Deshalb gab und gibt es unter den Künstlerinnen und Künstlern, die sich im Kreativquartier mit viel Eigeninitiative ein Biotop für ihre Arbeit geschaffen haben, Vorbehalte gegen die Neubaupläne.
Doch es sei nicht anders gegangen, erklärt Kulturreferent Anton Biebl: "Eine Sanierung des Gebäudes wäre unwirtschaftlich gewesen, weil dafür mehr als 80 Prozent der Kosten für den Neubau nötig gewesen wären." Deshalb errichtet nun die städtische Münchner Gewerbehof- und Technologiezentrumsgesellschaft (MGH) den Neubau. 3,6 Millionen Euro hat der Stadtrat dafür bewilligt. Es sehe ganz so aus, als komme man damit hin, sagt MGH-Geschäftsführer Rudolf Boneberger. Die Inbetriebnahme sei für Spätsommer 2021 geplant, 200 Zuschauerinnen und Zuschauer werden darin Platz finden, wenn die Corona-Beschränkungen Vergangenheit sind.
"Wir widmen dieses Gebäude ausdrücklich der freien Szene, die ja in München traditionell mit gewaltigen Platzproblemen zu kämpfen hat", betont Katrin Habenschaden (Grüne), die als Zweite Bürgermeisterin auch für die Kultur zuständig ist. Dieser Bau sei "ein guter, erster Schritt", umso mehr, da neue Projekte durch die wegen der Corona-Krise angespannte Haushaltslage künftig vermutlich schwerer durchzubekommen seien, ergänzte Habenschaden.
Wie wird das Gebäude aussehen, wenn es fertig ist? Am Anfang sei diskutiert worden, die Spundwände außen anzustreichen, "aber für uns war klar, dass es rostig bleiben soll", sagt Architekt Mahlknecht. Gut möglich, dass Graffiti-Sprayer die Wände für sich entdecken, stören würde das hier vermutlich niemanden. Innen werden die Wände mit Platten aus groben Holzspänen verkleidet. Man arbeite mit einem Akustiker zusammen, um dem alten Raum möglichst nahe zu kommen, berichtet Mahlknecht. Wie der Raum klinge, werde man erst hören, wenn er fertig ist. Auf jeden Fall aber solle das Gebäude "der experimentellen Kunst Luft und Raum geben". Angelegt ist die Nutzung zunächst auf zehn Jahre. Wie es danach mit dem Gebäude weitergeht, werde sich entscheiden, wenn man mit der Sanierung der Tonnen- und der Jutierhalle weitergekommen sei, ließ Kulturreferent Biebl durchblicken.
Und was sagen die Kulturschaffenden zum Neubau des "Schweren Reiter"? Die, die bei dem Termin am Mittwoch dabei waren, sind zwiegespalten. Einerseits freuen sie sich, dass die Stadt den Aufwand für sie betreibt. Andererseits sei das alte Schwere Reiter "ein gewachsener Ort für uns, der hat Kunst in den Wänden und im Boden", sagt Christiane Böhnke-Geisse, die sich um das Musikprogramm kümmert. Es sei vermutlich wie bei jedem Umzug, ergänzte Judith Huber vom Pathos-Theater, man brauche ein bisschen, um sich auf das Neue einzustellen und sich darauf zu freuen.