Neuhausen/Schwabing:"Unrenoviert und abgeranzt"

Neuhausen/Schwabing: Eine der letzten Flächen, die in der Gegend noch zur Verfügung steht: die Halle 23 im sogenannten Kreativlabor.

Eine der letzten Flächen, die in der Gegend noch zur Verfügung steht: die Halle 23 im sogenannten Kreativlabor.

(Foto: Yoav Kedem)

Um die Halle 23 im Kreativlabor ist ein Streit entbrannt. Soziokulturelle Akteure wie Ulrich Gläß wollen sie trotz mancher Mängel nutzen. Doch der Eigentümer erwartet Rendite - um investieren zu können, wie Politiker glauben

Von Ellen Draxel, Neuhausen/Schwabing

Die Halle 23 im sogenannten Kreativlabor hat Potenzial. Seit längerem schon steht das Gebäude an der Dachauer Straße 110 a leer, nun soll es wieder bespielt werden. Eigentümerin des Areals ist seit November 2019 die Münchner Gewerbehof- und Technologiezentrumsgesellschaft (MGH), eine hundertprozentige Tochter der Stadt München: In enger Zusammenarbeit mit dem Referat für Arbeit und Wirtschaft, dem Kulturreferat und dem Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft der Stadt will die MGH diese Halle, die zum ehemaligen Gelände der Münchner Stadtentwässerung (MSE) gehört, in den kommenden sechs Jahren mit Option auf Verlängerung vermieten. Interessenten können sich bis Ende Januar bewerben, aus Sicht von Lokalpolitikern und soziokulturellen Akteuren sollten die 3800 Quadratmeter Hallenfläche aber vor allem der Förderung kultureller Bildung dienen. Mit moderaten Mietkosten.

"Wir brauchen in Neuhausen-Nymphenburg und Schwabing-West dringend Räume für Jugendliche", sagt Ulrich Gläß. "Und diese Fläche ist die letzte, die in der Gegend überhaupt noch zur Verfügung steht." Der Mann weiß, wovon er spricht. Vor 20 Jahren hat Gläß das Kunst- und Berufsqualifizierungsprojekt International Munich Art Lab (Imal) gegründet, das seitdem jungen Menschen die Chance bietet, ein Jahr lang ihre beruflichen Perspektiven in der Kreativwelt auszuloten. Gefördert von der Stadt, vom Sozialministerium und der EU ist das Lab, ergänzend zu seinem traditionellen Standort mit "Repair-Café & Atelier" im Kreativquartier, derzeit noch gemeinsam mit anderen Künstlern, Gruppen und Initiativen in der ehemaligen Berufsschule an der Gabrielenstraße 3 untergebracht. Doch diese Zwischennutzung läuft in Kürze aus. Imal-Chef Gläß hat deshalb Interesse an Räumen der Halle 23 bekundet. Mit seiner Forderung, dort kulturelle Bildung zu etablieren, ist er nicht allein: 150 Einzelnutzer und Gruppen sehen das wie er. Diese haben Rückendeckung durch die Bezirksausschüsse Neuhausen-Nymphenburg und Schwabing-West.

Kreativquartier Dachauer Straße
Imal Offene Atelier
Bilder von Uli Gläß

Im International Munich Art Lab werden Kunst und Berufsqualifizierung miteinander verwoben.

(Foto: privat)

Das Haken ist die Finanzierung. Ulrich Gläß ist keiner, der sich im Ton vergreift, aber wenn seiner Meinung nach etwas schief läuft, mangelt es dem studierten Sozialarbeiter nicht an deutlichen Worten. Im Falle der geplanten Vermietung der Halle 23 spricht Gläß von einer "fehlgeleiteten Entwicklung". Nicht nur, dass die Fläche, wie schon zuvor andere im Kreativlabor, erneut für die Kreativ- und Kulturwirtschaft und nicht für eine soziale Nutzung ausgeschrieben worden sei. Sie solle auch einen "horrend hohen Mietpreis für eine unrenovierte und abgeranzte Halle" kosten. Fast 20 Euro - 14 Euro kalt plus Nebenkosten plus Mehrwertsteuer - verlangt die MGH für den Quadratmeter Hallenfläche im Erdgeschoss. "Das", kritisiert Gläß, "sind Mietpreise für Wohnungen in bester Schwabinger Lage". Viel zu teuer für eine gemeinnützige Organisation wie das Imal. Üblich für Altbestand im Kreativlabor seien zwischen sechs und acht Euro Warmmiete. Gläß' Vermutung: "Die MGH will Rendite machen, um den Investitionsstau zu minimieren und die anderen maroden Gebäude auf dem Areal sanieren zu können."

Ganz so deutlich will es Anna Hanusch nicht formulieren, aber auch die Fraktionschefin der Grünen im Stadtrat und Vorsitzende des Stadtteilgremiums von Neuhausen-Nymphenburg bedient sich des Wortes "Quersubventionierung" im Zusammenhang mit den hohen Mietkosten für die Halle 23. Sie finde es "relativ krass", sagt sie, soviel für die Fläche in einem alten, unsanierten Gebäude zu verlangen. Sie sei "überrascht" gewesen, als sie die Summen erfahren habe. Denn annähernd 20 Euro pro Quadratmeter seien einfach zu viel für eine kreativ-soziokulturelle Nutzung. Dass die Halle aber in dieser Weise genutzt werden soll, steht für die Bürgervertreter außer Frage: Die Lokalpolitiker sind überzeugt, dass sich mit den Räumen und Flächen im Kreativlabor MSE "die einmalige Chance eines stadtteilübergreifenden Bildungs- und Kulturangebots für Kinder und Jugendliche bietet". Junge Menschen, heißt es in einem Antrag beider Gremien, bräuchten einen konsumfreien, nicht kommerziellen, inklusiven "Raum zur freien Entfaltung". Und es sei die Pflicht der Stadt, solche Räume zu schaffen - zumal der Stadtrat die Weiterentwicklung einer gemischten Nutzungsstruktur aus künstlerischen, produzierenden, sozialen sowie kulturellen Nutzungen im Kreativlabor ausdrücklich beschlossen habe. Denkbar wäre prinzipiell zwar auch eine Teilung der Räumlichkeiten, zumal die Miete im Ober- und Untergeschoss mit sieben Euro kalt günstiger ausfällt als im Erdgeschoss. Doch dann müsste man Umbauten aus Brandschutzgründen vornehmen. "Und das", gibt Hanusch zu bedenken, "kostet wieder".

Warum die Kosten für die Halle 23 so hoch ausfallen, dazu äußerte sich die MGH trotz mehrmaliger Anfrage nicht. Susanne Mitterer, die das Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft leitet, verweist auf den Stadtratsantrag der Fraktionen SPD/Volt und Grüne/Rosa Liste, der Details zu den Bewerbern im soziokulturellen Bereich, zur Nutzungsmischung und zu Mietpreisen fordert und beantwortet werden müsse. Die Bezirksausschüsse hoffen nun auf eine kurzfristige Einigung. "Dann sollte auch klar sein", sagt Anna Hanusch, "wer die Mietpreise wirklich zahlen kann".

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