Süddeutsche Zeitung

Neuer Musiktempel im Werksviertel:Höher, heller, teurer

Der Haushaltsausschuss des Landtags genehmigt weitere Planungen für das Konzerthaus im Werksviertel. Dieses soll nun eine Lichtkunstfassade erhalten, bis 2030 fertig sein und etwa 700 Millionen Euro kosten.

Von Susanne Hermanski

Es geht voran mit dem Konzerthaus im Münchner Werksviertel. Der Haushaltsausschuss des Bayerischen Landtags hat für weitere Planungen grünes Licht gegeben. CSU und Freie Wähler stimmten für eine nahtlose Fortsetzung des Projektes - die in der Öffentlichkeit jüngst geführte Diskussion dürfte damit beendet sein, ob nach dem Interimsbau für den Gasteig in absehbarer Zeit ein weiterer von öffentlichen Geldern finanzierter Konzertsaal in München seinen Platz finden soll.

Die Opposition ist, abgesehen von der AfD, im Großen und Ganzen mit im Boot. Kritisiert haben SPD und Grüne lediglich, dass der Debatte um die zu erwartende Kostensteigerung kein längerer Vorlauf gegönnt wurde, und nur die Sozialdemokraten merkten an, dass sie sich mehr Debatte um ein mögliches Zusammengehen des Freistaats mit der Stadt München am Standort der Isarphilharmonie gewünscht hätte.

Dass die bei Planungsbeginn 2016 veranschlagten 370 Millionen Euro für den Bau nicht ausreichen werden, überraschte keines der Ausschussmitglieder. Die Planer hatten von Anfang an die mangelnde Belastbarkeit einer solchen Zahl betont, die noch vor dem Architekturwettbewerb ausgegeben worden war. Nun stehen zwei neue im Raum: 580 Millionen für den reinen Bau, die auf etwa 700 Millionen anwachsen könnten aufgrund der zu erwartenden Baukosten-Steigerungen (der Index liegt bei mehr als 17 Prozent pro Jahr) bis das Konzerthaus 2030 fertig sein soll.

Kunst- und Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) und ein Vertreter des Bauministeriums haben den Abgeordneten vorgestellt, welche künstlerisch-konzeptionellen und bautechnischen Neuerungen mittlerweile ins Ursprungskonzept eingeflossen sind. Unterlegt haben sie dies mit einer Vielzahl an neuen Bildern und Planskizzen zur Gestaltung der Säle und zur Außenwirkung des Gebäudes. Die auffälligste Veränderung betrifft die Fassade. Im Siegerentwurf der Architekten Cukrowicz Nachbaur war sie gläsern.

Besonders in illuminiertem Zustand bei Nacht sollte sie den Blick freigeben auf beinahe alles, was im Inneren geschieht. Schnell hatte sich das "Leuchtturmprojekt", von dem die Staatsregierung gern spricht, deshalb in der Bevölkerung unter dem Spitznamen Schneewittchensarg eingeprägt. Nun aber soll das Konzerthaus eine Medienfassade erhalten, eine Außenhülle, die illuminierbar und mit Lichtkunst zu bespielen ist. Ein erstes Rendering der Idee zeigt eine Struktur aus hunderten Zellen.

Sibler betonte in seinem emotionalen Plädoyer für das Projekt, wie sehr diese Fassade spiegeln solle, was auch im Inneren eingelöst werde: ein Konzerthaus, das die große Tradition Münchens als Musikstadt im 21. Jahrhundert in einer digitalisierten Welt fortführt, und auf ganz Bayern ausstrahlt, bestens erreichbar durch seine Lage am drittwichtigsten Bahnhof Bayerns. Wie zentral eben jene Digitalisierung "auch im Kulturbetrieb ist, hat die Pandemie uns gezeigt", sagte der Minister. Deswegen würden nun viel stärker auch technische Möglichkeiten der Übertragung und Interaktion für das Haus konzipiert. Rund 30 Büros und 100 Menschen seien bislang bereits mit dessen gesamter Planung befasst.

Als sicher gilt aktuell: Der Große Saal mit bis zu 1900 Sitzplätzen - "aber er lässt sich eben auch reduzieren", so Sibler - ermöglicht Programmvielfalt von Klassik über Jazz bis Weltmusik. Der Akustiker Tateo Nakajima hat für diesen ein spezielles Klangkonzept mit einem flexiblen Raumvolumen entwickelt. Die dafür nötigen Akustikkammern erfordern eine Vergrößerung des Raumvolumens und in der Folge auch ein insgesamt höheres Gebäude. Dies verursacht einen Teil der Zusatzkosten.

Der Große Saal wird Heimat des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks werden, das bislang zur Untermiete bei den Münchner Philharmonikern im Gasteig spielte und nun zunächst mit in die Isarphilharmonie umzieht. Simon Rattle, der von 2023 an das Orchester leitet, gilt als ein Musikvermittler an junge Menschen und neue Publikumsschichten. Die Education-Bereiche im Konzerthaus werden 900 Quadratmeter umfassen. Kleiner als erhofft fällt der Kleine Saal aus. Doch er erhält mit seinen 400 Sitzplätzen eine prägnante ovale Form und soll sich besonders für Digitalformate eignen. Ein Multifunktionssaal mit 200 Plätzen entsteht zudem, und die Musikhochschule erhält ein eigenes Projektlabor für experimentelle Kunst.

Georg Randlkofer, der Vorsitzende der Stiftung Neues Konzerthaus, gehört zu den glühendsten Kämpfern für das Projekt. Er kommentiert die Entscheidung des Haushaltsausschusses "sehr positiv". Er sagt: "Ich habe aber gar nichts anderes erwartet. Die Zahlung des Erbbauzinses für das Grundstück läuft, und es wurde schon sehr viel Geld und Herzblut in die Planung investiert."

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SZ vom 09.07.2021/infu
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