BR-Intendantin zum neuen Konzerthaus:"Aus unserer Sicht gibt es keinen Grund, das Projekt infrage zu stellen"

Lesezeit: 3 Min.

"Für den BR ist die Kultur immer fester Teil unseres Auftrags in allen Radio- und Fernsehprogrammen und auch online", sagte BR-Intendantin Katja Wildermuth 2021 im Interview mit der SZ. Und heute? (Foto: Robert Haas)

Das BR-Symphonieorchester zieht in einen alten Übersee-Container im Werksviertel. Intendantin Katja Wildermuth will damit auch einen Anker für das geplante Konzerthaus setzen.

Von Susanne Hermanski, München

Es ist heiß hier, Graffiti-bunt und kein Mensch trägt Frack. Die Musiker und Musikerinnen des BR-Symphonieorchesters (BRSO) bevölkern neues Terrain. Mitten im Container-Kollektiv auf dem Gelände des Werksviertels steht ihr poppig bemaltes Experimentallabor, ein alter Übersee-Container, einer von 27. Sie nennen ihn nun ihr "kleines Zuhause". Die Geigerinnen, Hornisten und Co. sehen in diesem Rahmen aus, wie lässige junge Leute eben aussehen - als gehörten sie genau hier her. Mitten unter ihnen: Katja Wildermuth, die Intendantin des Bayerischen Rundfunks und damit auch zuständig für das BRSO. Keine 80 Meter Luftlinie von hier, wo jetzt das Riesenrad steht, soll einmal die Heimstadt des BRSO entstehen, das neue Konzerthaus. Jenes Konzerthaus, dem Ministerpräsident Markus Söder gerade eine Denkpause verordnet hat.

SZ: Verstehen Sie den BRSO-Container im Werksviertel als Vorposten des Konzerthauses?

Katja Wildermuth: Nun, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks verankert damit seine Präsenz dort, wo das ikonische Konzerthaus geplant ist. Wir werden hier fortan sichtbar und erlebbar sein - mitten im zukunftsweisenden Werksviertel, zwischen Start-ups, Hightech, Kunst und Kultur, Crossover- und Freizeitangeboten. Ein idealer Standort, um alle Alters- und Gesellschaftsgruppen anzusprechen.

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Und wie soll das praktisch aussehen?

Rund um den BRSO-Container wird es immer wieder Konzerte geben, Künstlergespräche, Education-Workshops oder Ausstellungen, einen orchestereigenen Podcast. Genau das ist ja auch der Geist des neuen Konzerthauses: Begegnungen mit Menschen aus ganz Bayern, interdisziplinäre Kultur, mediale Präsenz, ein Ort der Zukunft - und ja, auch eine sehr gute Spielstätte.

Sie haben keine Zweifel, dass das Konzerthaus gebaut wird?

Aus unserer Sicht gibt es keinen Grund, das Projekt infrage zu stellen. Entscheidend ist doch, dass hier etwas wirklich Visionäres entstehen kann - modern, digital, von internationaler Strahlkraft. Aber vor allem: nah an und vernetzt mit den Menschen, einladend und zugänglich. Aus meiner Sicht geht es nicht um die Entscheidung für ein weiteres Auditorium, sondern um die Entscheidung für ein echtes, generationenübergreifendes, nachhaltiges Projekt.

Das scheint noch nicht bei allen Münchnern angekommen. Uns erreichen immer noch Zuschriften, die vom "Glassarg" für die "Eliten" sprechen, auch wenn das Fassadenmaterial längst umgeplant ist und "Education" als eines der wichtigsten Ziele festgelegt ist.

Es kann ein lebendiger Ort für Musikvermittlung und das Erleben von Musik in all ihrer Vielfalt entstehen, eine echte Hightech-Begegnungsstätte. Und dann auch noch ein architektonisches Highlight in Bayerns Landeshauptstadt, dafür setze ich mich leidenschaftlich ein.

Warum?

Ich tue das auch als Historikerin, denn das jüngste Bauwerk, mit dem München wirklich von sich reden machte, ist der Olympiapark - und der feiert gerade seinen 50. Geburtstag. So schließt sich der Kreis zum Werksviertel, diesem "sehr coolen Ort", wie ihn unser BRSO-Konzertmeister gerne nennt.

Stichwort Werksviertel: Bei aller Liebe zum Experiment - ein alter Übersee-Container klingt nach viel Blech, akustisch dürfte das eher eine Art Resonanzkatastrophe sein, oder?

Wir haben den Container mit schmalem Budget ausgestattet, aber natürlich an die Akustik gedacht. Es ist gelungen, mit ein paar Tricks wie Teppichen, Vorhängen und Schallschutzwänden einen Raum zu schaffen, der sich auch für kleine Konzerte, Aufnahmen, Kammermusikproben oder Unterricht eignet. Aber der Container soll ja auch gar nicht als "Mini-Konzertsaal" dienen, sondern in erster Linie als Creative Space für Aktivitäten des Orchesters und Erinnerung an die wunderbare und so wichtige Kraft der Kultur, gerade in diesen schwierigen Zeiten.

Haben Sie das Ganze Simon Rattle schon gebeichtet?

Klar, und er war von Anfang an Unterstützer der Idee und sehr davon begeistert. Er wäre an diesem Mittwoch auch gerne zur Eröffnung gekommen, ist aber leider on tour.

Wenn Sie selber im BRSO mitspielen dürften und Ihnen augenblicklich die nötige Virtuosität dazu geschenkt wäre - welches Instrument wählen Sie? Oder doch lieber gleich den Taktstock?

Sehr charmante Idee, vor allem die wundersam geschenkte Virtuosität - aber tatsächlich bleibe ich gerne dabei, unseren Profis die Bühne zu überlassen. Wir sind ja dankenswerterweise auf allen Orchesterpositionen mit Weltklasseniveau besetzt. Mein liebster Platz ist und bleibt in den Reihen des verzauberten Publikums, voller Bewunderung, wie die Größten ihres jeweiligen Fachs aufeinander eingehen, füreinander spielen und gemeinsam mit dem Dirigenten zur absoluten Höchstform finden.

Eröffnung des BRSO-Containers mit Musik und Gesprächsrunde, Mittwoch, 29. Juni, 18.30 Uhr, Werksviertel-Mitte, Atelierstr. 4, bei schlechtem Wetter in der Tonhalle

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