Die Mimose hat es nicht leicht. Wird der Name des zarten Pflänzchens, das beim geringsten Reiz mit einem Einklappen seiner Blätter reagiert, doch stets dann genutzt, wenn es darum geht, jemanden spotthaft der übermäßigen Sensibilität zu bezichtigen. Zuletzt musste das auch als "Schamhafte Sinnpflanze" firmierende Gewächs etwa im Bundestag herhalten, als Bundeskanzler Olaf Scholz Oppositionsführer Friedrich Merz vorhielt, gerne auszuteilen, bei selbst erfahrener Kritik jedoch eine Mimose zu sein.
Nun mag sich die Frage stellen, ob es unschöner für Friedrich Merz ist, mit einer Mimose verglichen zu werden, oder doch umgekehrt. Viel wichtiger ist aktuell jedoch der Umstand, dass sich endlich jemand daran gemacht hat, die Mimose ein wenig aus ihrer metaphorisch bedingten Misere zu befreien. So steht ihr Name seit Neuestem auch für den Titel eines Albums von einem, bei dem die Feinfühligkeit vielmehr musikalisches Programm ist als Anlass für Spott.
Liegt den Tracks des Wahlberliners Nicolas Demuth alias Parra for Cuva doch eine zart schmelzende Fragilität zugrunde, die sich derart klar vom Gros der Produktionen aus der deutschen Techno-Hauptstadt abhebt, dass man als Freund der sanfteren elektronischen Gangart kaum um ihn herumkommt. Parra-for-Cuva-Musik, das ist Musik für all jene, die sich nach kräftezehrenden Werktagen lieber von der Harmonie fein geschichteter Atmosphären einweben lassen, als sich zu kraftstrotzenden Beats die Seele aus dem Leib zu tanzen.
"Mimose", inspiriert von einem Aufenthalt Demuths in der Idylle der norditalienischen Region Ligurien, macht da keine Ausnahme. Auf dem Cover findet man den Künstler mit geschlossenen Augen und stillem Lächeln inmitten einer überbordenden Blütenpracht vor, und so organisch klingt das dann auch.
Man hört Tracks wie das Titelstück, das mit einer Süße und Wärme pulst und kreiselt, die mindestens zur Ehrenrettung der Mimose beiträgt; hört Nummern wie das mit erhebenden Chants Richtung Pop einbiegende "Let it Burn", das im Verbund mit dem Berliner Vokalensemble A Song For You entstand; oder mit dem fluffig pumpenden "Amaro" dann eben doch auch mal eine Exkursion ins tanzbare Segment, die mit ihrer subtil angebahnten Energie eine Schönheit entfaltet wie eine Mimose in vollster Blüte.
Parra for Cuva, Samstag, 25. Mai, 19.30 Uhr, Ampere, Zellstraße 4