Blixa Bargeld und Teho Teardo im Muffatwerk Totentanz für zwei

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Teho Teardo und Blixa Bargeld (von links).
Teho Teardo und Blixa Bargeld (von links). (Foto: Thomas Rabsch/Thomas Rabsch fotografie)

Blixa Bargeld von den „Einstürzenden Neubauten“ und der italienische Filmkomponist Teho Teardo stellen in München ihr wunderbares, dunkles Album „Christian & Mauro“ vor.

Von Jürgen Moises

Schon mal von einem Menschenentsafter gehört? Falls nicht: Das Wort Homo sapiens dürften dagegen viele kennen. Und wenn man nun das lateinische „sapiens“, was „vernünftig“ oder „klug“ heißt, mit dem lateinischen „sapa“ für „Saft“ oder „Most“ zusammendenkt und von dort einen poetischen Sprung macht? Nun, dann könnte man alternativ auf die Idee kommen, dass im Homo sapiens irgendein Saft steckt. Und dann wäre doch so ein Entsafter gut, um den herauszuholen. Klingt etwas schräg, abwegig oder seltsam? Dann willkommen in der Welt von Blixa Bargeld, den man seit vielen Jahren als Sänger der legendären Experimentalrock-Band Einstürzende Neubauten kennt. Davon abgesehen wandelt er aber immer wieder auch auf Solo-Pfaden. Oder er tut sich mit anderen Künstlern wie Teho Teardo zusammen.

Teho Teardo ist ein bekannter italienischer Filmkomponist, der unter anderem die Musik zu dem preisgekrönten Film „Il Divo“ von Paolo Sorrentino gemacht hat. Und er und Blixa Bargeld haben mit „Christian & Mauro“ vor ein paar Wochen ihr drittes gemeinsames Studioalbum veröffentlicht. Am 1. Dezember stellen sie es begleitet von einer Cellistin, einem Bassklarinettisten und einem Streichquartett live im Münchner Ampere vor. Auf diesem Album ist „Menschenentsafter“ zu hören. Als eines von zehn Stücken, die ähnlich wie die wilde, teilweise an Glasmalerei erinnernde Collage auf dem Cover einen dunklen, rätselhaften, faszinierenden, sich in unzählige Bild- und Klangwelten verästelnden Kosmos aufmachen.

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Sehr privat ist das Ganze auch. Denn Christian und Mauro, das sind die Geburtsnamen von Blixa Bargeld und Teho Teardo. Und auf dem Cover sind außerdem links oben und links unten Kinderfotos von beiden zu sehen. Fragt man die beiden beim gemeinsamen, Berlin, Rom und München verbindenden Zoom-Interview nach dem Anlass dafür, erfährt man von Bargeld zunächst einmal, dass es „ein Spiel“ sei. Gleich darauf erklärt der Sänger aber auch, dass man die Namen genauso als „religiöse Bekenntnisse“ verstehen könne. Mauro, das ist islamisch oder noch mehr heidnisch, wie Teardo ergänzt. Christian ist natürlich christlich. Jedenfalls tun sich auch hier gleich wieder die unendlichen Assoziationsketten auf, die sich durch das Album ziehen.

Wie verspielt das zugehen kann, zeigt „Bisogna morire“. Eine Passacaglia, ein Totentanz aus dem Jahr 1600 und eine „sehr interessante musikalische Form“, auf die Teardo der Filmkomponist Ennio Morricone gebracht hat. „Sie könnte endlos sein“, also wie ein Loop. Wie im Original geht es auch hier darum, dass der Tod jeden überall treffen kann. Nur sind es hier „der Influencer und der nackte Tiktok-Dancer“, „der Driver von Uber and the famous You-Tuber“, die daran erinnert werden. Eintreten könnte das durch einen „Starkregen“, wie der erste Song heißt, der ansonsten an den Klimawandel denken lässt.

Für musikalische Probleme will Bargeld eine Text-Lösung finden

Ein weiterer Titel: „È pericoloso sporgersi“. So hieß es früher mal in Zügen. Auf Deutsch: „Nicht hinauslehnen!“ Das, sagt Teardo, könnte im Italien von heute aber auch eine politische Warnung sein. Das Gefühl der Gefahr, das wurde in den letzten Jahren auch durch Corona oder den Ukraine-Krieg zum ständigen Begleiter. Und es hat dazu geführt, dass das 2018 begonnene Album ungewollt „immer dunkler geworden“ sei, wie Bargeld erzählt. Probleme habe ihm aber auch die Musik von Teardo bereitet, aber das im kreativen Sinn. Denn das sei es, wie er seine Arbeit verstehe. Dass er für musikalische „Probleme“ mit seinen Texten eine Lösung finden muss.

Bei den letzten Aufnahmen 2024 habe sich dann tatsächlich auch „ein bisschen Hoffnung“ eingestellt. Jetzt, unter anderem im Angesicht von Trump, über den Bargeld sonst nicht reden will, sei er sich da aber „nicht mehr sicher“. Was sich dafür ohne Zweifel sagen lässt: Mit „Christian & Mauro“ ist Bargeld und Teardo trotz aller Dunkelheit ein sehr schönes, eindrückliches Album gelungen.

Teho Teardo & Blixa Bargeld: Christian & Mauro, Specula Records; live am Sonntag, 1. Dez., 20.30 Uhr, Ampere, Zellstr. 4

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