Süddeutsche Zeitung

Queere Community:Rosa Liste unterstützt Habenschaden im OB-Wahlkampf

Beim Hans-Sachs-Straßenfest feiern 10 000 Menschen die Queer-Community - nur bei der SPD ist die Partylaune getrübt.

Von Heiner Effern

Es begann am Samstagnachmittag wie jedes Straßenfest nach einem Regenguss. Lappen hatten Hochkonjunktur, um Bänke und Tresen zu trocknen, die Gäste hockten in Türeingängen und unter Mauervorsprüngen. So richtig demonstrativ zeigten da nur Sabine Maultäschle und Robin Ring in ihren roten und pinken Perücken und nicht weniger spektakulären Dirndln, dass in der gesperrten Hans-Sachs-Straße das große schwule Straßenfest der Stadt stieg. Ansonsten gestaltete sich die Zahl der Besucher an den vielen Fress- und Trinkständen noch übersichtlich. In einer Reihe von Info-Pavillons waren auch die Parteien präsent, dort herrschte aber schon ein queer-aufgeregtes Grundrauschen, bevor die Party richtig losging.

Denn am Tag zuvor hatte die Rosa Liste auf Facebook für Aufsehen gesorgt. Man habe sich gegen eine eigene OB-Kandidatur zur Kommunalwahl 2020 entschieden "und unterstützt die Grüne OB-Kandidatin Katrin Habenschaden", stand dort zu lesen. Das klingt erst mal nicht sonderlich spektakulär, ist jedoch in der Münchner Schwulenpolitik die Ausnahme und deshalb auch ein Aufreger. Die Rosa Liste vertritt die Anliegen der Community seit 1996 mit Thomas Niederbühl im Stadtrat und wird 2020 wieder mit ihm antreten. Aber auch SPD und Grüne setzen sich seit vielen Jahren, lange auch gemeinsam in einer Regierung mit der Rosa Liste für deren Belange ein. Dass letztere sich nun bei der Oberbürgermeisterwahl ausdrücklich auf die Seite der Grünen schlägt, stößt der SPD sauer auf.

Die SPD ist verärgert, schließlich sei man selbst "ein verlässlicher Partner der Community"

Der in der Queer-Politik engagierte Stadtrat Christian Vorländer jedenfalls war am Stand seiner Partei an der Hans-Sachs-Straße und zeigte sich über die offene Wahlempfehlung verwundert und verärgert. Das ist bei jemandem wie ihm, der den offenen Konflikt eher scheut, schon eine ordentliche Eskalationsstufe. "Die SPD früher mit OB Christian Ude und heute mit OB Dieter Reiter war und ist ein starker und verlässlicher Partner der Community", sagte er. Auf seiner Facebook-Seite hatte Vorländer schon Beweisfotos der OBs auf dem Christopher Street Day gepostet.

Rosa-Liste-Stadtrat Niederbühl und die grüne OB-Kandidatin Habenschaden zeigten sich am Sonntag verwundert über die Verärgerung der SPD. Schließlich würden ihre beiden Parteien im Stadtrat schon lange ein Fraktion bilden. Habenschadens Kandidatur sei "gut, richtig und aussichtsreich", sagte Niederbühl. Die Rosa Liste werde aber keinen expliziten Wahlkampf gegen Dieter Reiter machen. Man würde gerne wieder mit der SPD im alten Bündnis regieren, auch wenn es derzeit nicht danach aussehe. Habenschaden selbst freut sich sehr über die Empfehlung und versprach, sie werde sich "als Vorkämpferin" für die Belange der Community einsetzen, auch wenn sie dieser nicht angehöre.

Die Besucher des Straßenfests, um deren Stimmen nun ein Wettkampf entbrannt ist, dürften in der Mehrzahl die Politik zumindest dann ausgeblendet haben, als am Abend die Infostände abgebaut waren und die Party so richtig bunt startete. Knapp 10 000 Gäste sollen gekommen sein und später auch in den Clubs bis zum Abwinken gefeiert haben.

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Quelle:
SZ vom 12.08.2019
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