Die Ausgangslage dürfte den Münchnerinnen und Münchnern bekannt vorkommen: Ein umtriebiger Wirtschaftsreferent und Wiesnchef will Oberbürgermeister werden. Was Dieter Reiter im Jahr 2014 gelang, soll nun Clemens Baumgärtner für die CSU schaffen. Allerdings hatte der jetzige OB Reiter damals leichteres Spiel. Das damalige Stadtoberhaupt Christian Ude aus seiner eigenen Partei schied freiwillig aus, er musste also nicht gegen einen Amtsinhaber antreten.
Das scheint Baumgärtner aber nicht abzuschrecken. Intern soll sich die CSU auf den Juristen bereits festgelegt haben. Geplant war, dass die CSU am Sonntagabend in der traditionell mächtigen Runde der Kreisvorsitzenden ihre Zustimmung erteilt. Am Montag soll dann der Bezirksvorstand ihn offiziell zum Kandidaten machen. Das hatte zuerst der Münchner Merkur berichtet. Baumgärtner selbst wollte sich am Wochenende dazu nicht äußern, doch nach Information der SZ ist das Rennen um die Kandidatur in der CSU gelaufen.
Anfangs wurden drei Bewerber in der Partei gehandelt. Rathaus-Fraktionschef Manuel Pretzl, sein Stellvertreter Hans Theiss und eben Wirtschaftsreferent Baumgärtner. Zwischendurch hat sich auch der Landtagsabgeordnete Alexander Dietrich aus dem Münchner Norden ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigt, doch fand er wohl vor allem in der Parteispitze zu wenig Rückhalt.
Mitte Juni verabschiedete sich Fraktionsvize Theiss aus dem Rennen. Auch er musste einsehen, dass die parteiinterne Unterstützung für eine Kandidatur nicht reicht. Sein Kurs, OB Reiter mit aggressiver Oppositionspolitik so aus dem Gleichgewicht zu bringen, dass er entscheidende Fehler macht und angreifbar wird, kam nicht ausreichend gut an. Der ehrgeizige Theiss erklärte vor etwa drei Wochen, im Münchner Norden für den Bundestag kandidieren zu wollen. Dort hat aber der bisherige Abgeordnete Bernhard Loos sehr spät mitgeteilt, dass er doch wieder antreten will. Es könnte also sein, dass Theiss im Rathaus bleiben und den Wahlkampf von Baumgärtner unterstützen muss.
Dieser hatte damit nur noch einen internen Konkurrenten, Fraktionschef Manuel Pretzl. Dass sich die beiden, wie nun offenbar erfolgt, gütlich einigen werden, war in der Partei erwartet worden. Sie gelten als eng befreundet. Sie könnten nun eine Art Doppelspitze im Wahlkampf bilden. Pretzl könnte aus dem Rathaus heraus agieren, Baumgärtner wird seine OB-Kandidatur von außen betreiben müssen.
Denn seine Amtszeit als Wirtschaftsreferent läuft Ende Februar 2025 aus, die Koalition aus Rot-Grün hat ihm schon sehr deutlich mitgeteilt, dass sein Vertrag nicht verlängert wird. Das Jahr vor der Kommunalwahl im Frühjahr 2026 wird Baumgärtner dem Stadtrat nicht mehr angehören. Ihm wird also die Bühne fehlen, die er in den vergangenen fünfeinhalb Jahren sehr geschickt nutzte, um seinen Bekanntheitsgrad in der Stadt nach oben zu treiben.
Das gelingt allen Münchner Wirtschaftsreferenten traditionell schon alleine dadurch, dass die Organisation des Oktoberfests auf Stadtseite von ihrem Haus verantwortet wird. Das bringt zahlreiche, viel beachtete Auftritte in der Öffentlichkeit mit sich inklusive Kutschenfahrten bei den Wiesn-Umzügen. Auch wenn es mal Ärger gibt wie kürzlich bei der Vergabe eines Festzelts auf der Oidn Wiesn, jede Nachricht trägt zu mehr Prominenz bei.
Darüber hinaus gelang es Baumgärtner, München als Veranstaltungsort noch besser zu etablieren. In seiner Amtszeit zog zum Beispiel die Internationale Automobilausstellung nach München um. In diesem Sommer spielt Adele eine Reihe von Konzerten auf dem Messegelände in Riem, die einzigen in Europa. Diese populären Themen sind mit dem Namen Baumgärtner verbunden.
Der Jurist wies in den sechs Jahren nach, dass er ein Gespür für Auftritte in der Öffentlichkeit hat und sich auch vor Konflikten mit der Mehrheit im Rathaus nicht scheut. In diesem Herbst kann er noch einmal das Oktoberfest zum Schaulaufen nutzen, im kommenden Jahr wird ein SPD-Mann in der Kutsche sitzen. OB Reiter hat jüngst seinen Parteifreund Christian Scharpf, aktuell Oberbürgermeister in Ingolstadt, als designierten neuen Wirtschaftsreferenten vorgestellt. Der hat mit seinem sensationellen Sieg bei der Kommunalwahl 2020 bewiesen, dass er auch in München ein tauglicher Kandidat sein könnte. Gut möglich, dass Dieter Reiter plant, dass sein Nachfolger aus dem Wirtschaftsreferat kommen soll. Allerdings noch nicht bei der nächsten Kommunalwahl.
Die Ergebnisse der CSU-Bewerber seit 1990
2020 – Kristina Frank: 1. Runde 21,3 Prozent; Stichwahl 28,3 Prozent. Gewinner: Dieter Reiter (SPD) mit 71,7 Prozent in der Stichwahl.
2014 – Josef Schmid: 1. Runde 36,7 Prozent; Stichwahl 43,3 Prozent. Gewinner: Dieter Reiter (SPD) mit 56,7 Prozent in der Stichwahl.
2008 – Josef Schmid: 24,4 Prozent. Gewinner: Christian Ude (SPD) mit 66,8 Prozent in der ersten Runde.
2002 – Hans Podiuk: 29,2 Prozent. Gewinner: Christian Ude (SPD) mit 64,5 Prozent in der ersten Runde.
1999 – Aribert Wolf: 37,2 Prozent. Gewinner: Christian Ude (SPD) mit 61,2 Prozent in der ersten Runde.
1993 – Peter Gauweiler: 43,3 Prozent. Gewinner: Christian Ude (SPD) mit 50,8 Prozent in der ersten Runde.
1990 – Hans Klein: 26,3 Prozent. Gewinner: Georg Kronawitter (SPD) mit 61,6 Prozent in der ersten Runde.