Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl:Leben ohne Existenzangst

Kostenloser Nahverkehr, mehr Sozialwohnungen: Die Linke stellt ihre Wahlkampagne vor

Von Wolfgang Görl

"München, reiche Stadt" steht in großen Lettern auf einem der Plakate, mit denen die Linkspartei die heiße Phase des Wahlkampfs bestreiten will. Doch hinter den drei Worten befindet sich ein Fragezeichen, und wer das dazugehörige Bild betrachtet, merkt sofort, dass die Linken den Fokus auf jene Menschen richten wollen, die nichts haben vom Reichtum der Besserverdienenden. Die Hände eines Bettlers sind zu sehen, der mit einem Getränkebecher Spenden sammelt. "Ausgeblendet" steht darunter. Stefan Jagel, Krankenpfleger und Spitzenkandidat der Linken für die Stadtratswahl, sagt: "Ein Teil der Stadtgesellschaft ist abgekoppelt." Dabei sollten alle Münchner, so ist einem zweiten, komplementären Plakat zu entnehmen, "ohne Existenzangst" leben können. Um dies zu verwirklichen, will sich die Linke für bezahlbaren Wohnraum, ein besseres soziales Absicherungssystem, effektivere Wiedereingliederung in existenzsichernde Arbeitsverhältnisse und mehr einsetzen.

Bei der Stadtratswahl 2014 kam die Linkspartei auf 2,4 Prozent der Stimmen und erhielt damit zwei Sitze im Ratsgremium. In diesem Jahr erhofft man sich ein besseres Ergebnis, wozu auch die Plakatkampagne beitragen soll, die Jagel zusammen mit Thomas Lechner, dem Oberbürgermeister-Kandidaten der Linken, am Dienstag der Presse vorstellte. Eine der zentralen Forderungen lautet: "Bezahlbare Miete statt fetter Rendite." München, sagt Lechner, dürfe nicht mehr ein Platz für Investoren und Spekulanten sein, deren Aktivitäten zur Folge hätten, dass Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben würden. Als wichtigsten Punkt in der Wohnungspolitik der Münchner Linken nennt der OB-Kandidat den Bau von 60 000 Sozialwohnungen bis zum Jahr 2026 - das wären 10 000 neue Sozialwohnungen jährlich. Die aktuelle Zahl von 2000 pro Jahr hält Lechner für viel zu klein, um den Bedarf zu decken. Wien mit seinen vielen kommunalen Wohnungen sollte nach Meinung der Linken Vorbild für München sein.

In puncto Mobilität setzt die Partei auf einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sowie auf das Fahrrad. Das Auto müsse als vorrangiges Verkehrsmittel ersetzt werden. "Bis 2025 soll der Nahverkehr ticketfrei sein", sagt Stefan Jagel. Mit anderen Worten: Die Fahrt mit Bussen, U- und S-Bahnen sowie mit der Tram wäre in fünf Jahren kostenlos, bis dahin gäbe es ein 365-Euro-Ticket. Das Wahlprogramm der Linken fordert zudem, München innerhalb des Mittleren Rings "zügig autofrei" zu machen, jedoch mit "Ausnahmeregelungen für den unvermeidbaren Kraftverkehr".

Als Ziel ihrer Klimapolitik strebt die Linke an, die Stadt von 2025 an ohne fossile Energieträger zu versorgen. Zu diesem Zweck müsse die Geothermie rasch ausgebaut werden. Generell fordert die Partei eine Wende hin zu dezentralen und erneuerbaren Energieträgern, etwa Windkrafträder oder Solaranlagen. In fünf Jahren, so Lechner, soll die Stadt klimaneutral sein.

Spitzenkandidat Jagel ist es ein besonderes Anliegen, die Situation der Pflegekräfte und die Pflege generell zu verbessern. Dazu fordert die Partei unter anderem, per Sofortprogramm 500 neue Pflegestellen in den städtischen Kliniken zu schaffen. Ferner wird auf den Wahlplakaten der Linkspartei demnächst das Bekenntnis zu einem "bunten München" zu lesen sein. Mehr Überwachung und Kontrolle, wie von der CSU gefordert, sei der falsche Weg, sagt Lechner. Stattdessen müsse das bürgerschaftliche Engagement gestärkt werden, solche Initiativen, die sich für Geflüchtete ebenso einsetzen wie für andere ausgegrenzte Menschen.

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SZ vom 15.01.2020
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