Süddeutsche Zeitung

Öffentlicher Raum:Zu wenig Platz zum Wachsen

Jungen Menschen fehlen in der teuren Großstadt Räume, in denen sie sich aufhalten, die sie selber gestalten können.

Von Kathrin Aldenhoff

Es ist ein Thema, das größer kaum anmuten kann: Freiräume. Raum, sich zu entfalten, sich auszuprobieren, sich zu finden. Ein freier Raum, den man betreten, gestalten kann. Aber genauso geistige Freiräume, gesellschaftliche Freiräume. Das brauchen Jugendliche, findet der Kreisjugendring (KJR), findet das Stadtjugendamt. Und finden vor allem auch die Jugendlichen selbst. Nur: In einer Großstadt wie München, die voll und teuer ist, sind solche Freiräume rar. Gerade deswegen ist dieses Thema in den vergangenen Jahren zu einem geworden, an dem die Politik nicht mehr vorbeikommt.

"Jugendliche brauchen Räume, die nicht vorstrukturiert sind, in denen nicht alles vorgegeben ist. Sondern solche, die sie selbst gestalten dürfen", sagt Judith Greil, die Vorsitzende des Kreisjugendrings. Der KJR ist eine Arbeitsgemeinschaft von knapp 70 Jugendverbänden und auch Träger der meisten Münchner Freizeittreffs für Kinder und Jugendliche. Vor der Kommunalwahl hat der KJR jugendpolitische Forderungen veröffentlicht - "Platz da" steht auf dem Titelbild. Der KJR will für junge Menschen bis 27 sprechen - mehr als 400 000 von ihnen leben in München. "Weil viele von ihnen noch nicht wählen dürfen, fallen ihre Interessen manchmal hinten runter", sagt Judith Greil.

Und eine der Forderungen des KJR lautet eben: Freiräume. Gerade im Winter fehlten in der Stadt Orte, die für Jugendliche frei zugänglich sind, wo sie sich aufhalten können, ohne etwas konsumieren, etwas kaufen zu müssen, sagt Judith Greil. Eine mögliche Lösung sieht sie darin, Zwischennutzungen transparenter zu machen. Also zum Beispiel eine Liste mit Gebäuden zu veröffentlichen und junge Initiativen gezielt darauf aufmerksam zu machen.

Dort, wo verschiedene gesellschaftliche Gruppen sich begegnen, gibt es auch Konflikte. Viele Jugendliche haben das Gefühl, dass die Bedürfnisse der Erwachsenen fast immer wichtiger sind als ihre. "Es geht nicht, dass immer nur junge Menschen Rücksicht nehmen sollen. Die brauchen auch ihren Platz", sagt Greil. Und dass es wichtig sei, im Dialog zu sein.

Das finden auch Eva Götz und Claudia von Stransky vom Stadtjugendamt. Beide haben Ende Januar bei einem Fachtag zum Thema Freiräume für Jugendliche einen Workshop geleitet. Es ging darum, Ideen und Ansätze zu entwickeln, wie öffentlicher Raum so gestaltet werden kann, dass Jugendliche sich dort wohlfühlen. Dabei habe es viele generationenübergreifende Ansätze gegeben, sagt Eva Götz. "Im Moment setzen wir sehr auf zielgruppenspezifische Angebote, Ältere und Jüngere haben wenig miteinander zu tun. Das führt dazu, dass sie ihre Vorurteile übereinander pflegen. Die Gruppen untereinander in Kontakt zu bringen, könnte helfen, Konflikte zu vermeiden."

Auch Götz und Stransky sehen, dass es in München vor allem für ältere Jugendliche zu wenig Orte gibt, an denen sie sich aufhalten können. Und zu wenig Räume, die Jugendliche selbst verwalten. "Da müssen wir mutiger werden und den Jugendlichen mehr zutrauen", sagt Claudia von Stransky. Solche selbst verwalteten Räume sehen sie und Eva Götz neben der temporären Nutzung von Orten als eine wichtige Option, um in Zukunft Freiräume für junge Menschen zu schaffen.

Auch mobile Angebote könnten eine Rolle spielen. Dass also statt des obligatorischen Spielplatzes hinterm Wohnblock offene Räume gestaltet werden. Eine Wiese mit einem großen Sandkasten zum Beispiel, auf der mal Fußballtore aufgestellt werden, mal ein Beachvolleyballplatz entsteht, auf der auch Schaukeln Platz haben. Ein Raum eben, auf dem etwas entstehen kann.

Die nächsten Schritte nach dem Fachtag: Jugendliche einbeziehen, ihre Meinungen, Wünsche und Bedürfnisse anhören. Und das Ganze dann möglichst schnell umsetzen. Damit diejenigen, die ihren Beitrag dazu geleistet haben, auch noch etwas davon haben.

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Quelle:
SZ vom 26.02.2020
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