Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl:CSU lässt Marian Offman krachend durchfallen

Lesezeit: 3 min

Von Heiner Effern

Die CSU arbeitet für die Kommunalwahl 2020 an einem Generationswechsel im Stadtrat. Verdiente Persönlichkeiten wie der langjährige Fraktionschef Hans Podiuk ziehen sich nach dieser Amtsperiode freiwillig zurück, andere der älteren Garde wie Walter Zöller oder Richard Quaas sollen von ihren Kreisverbänden dazu gezwungen werden. Nun hat es diese Woche Marian Offman erwischt, der Vorstand seines Kreisverbands Bogenhausen/Berg am Laim hat ihn geradezu demütigend mit vier von 20 Stimmen bei seiner Bewerbung für eine erneute Kandidatur im März 2020 auflaufen lassen. Natürlich denkt jeder erfahrene Stadtrat von sich, er sei kaum ersetzbar. Mit Marian Offman jedoch könnte tatsächlich jemand verschwinden, der eine kaum zu schließende Lücke reißt. Nicht nur in der CSU, sondern in der gesamten Stadtpolitik.

Die ganz besondere Rolle des 71 Jahre alten Offman speist sich aus seinem Glauben und seiner politischen Haltung. Als engagierter Jude stellt er sich auch unter Gefahren für seine Person gegen jede Form von Diskriminierung und Ausgrenzung. Wenn Pegida aufmarschierte in der Mitte Münchens, mischte er sich ein, demonstrierte, zeigte auch für den Stadtrat Haltung. Gleichzeitig setzte er sich für eine Erinnerungskultur in München ein, die die NS-Vergangenheit der Stadt aufarbeitet und nicht wegschiebt. Die Diskussionen um die Stolpersteine und das NS-Dokuzentrum sind auch mit seiner Person verbunden. Gerade in Zeiten, in denen die AfD sich anschickt, in den Stadtrat einzuziehen, wollte Offman noch einmal politisch Position beziehen. Doch dazu wird es wohl nicht mehr kommen, jedenfalls nicht als Mitglied des Münchner Stadtrats.

Natürlich wusste Offman, dass sein Kreischef Robert Brannekämper nicht mehr mit ihm plante. Dass Junge nachdrängen und endlich ein Mandat haben wollen. "Seit einem Jahr sprechen wir darüber", sagt jedenfalls Brannekämper. Offman sei ein verdienter Stadtrat, der für Position zwei in seinem Kreisverband kandidiert habe. "Da hat es nicht gereicht." Auf die Verdienste Offmans für die Stadtgesellschaft angesprochen, sagt Brannekämper: "Die Zeit fehlte vielleicht für die Betreuung der Leute vor Ort." Zudem habe Offman vor der letzten Wahl öffentlich angekündigt, das letzte Mal anzutreten.

Der Satz sei gefallen, bestätigt Offman, allerdings wüssten die Entscheidungsträger im Kreisverband, dass es danach eine andere Entwicklung gab. Er bezahlte nach eigenen Angaben noch offene Rechnungen nach dem letzten Wahlkampf, im Gegenzug habe er sich ausbedungen, noch einmal zu kandidieren. Doch Offman hat ohnehin den Eindruck, dass nicht das Alter, sondern seine politische Haltung der Grund für seine Demontage ist. "Denen bin ich zu links." Das könnte auch an seinen anderen politischen Themen liegen, neben der Kultur vertritt er die CSU im Stadtrat vor allem im Sozialen. Das galt zu Beginn des Bündnisses mit der SPD als Sollbruchstelle, hier wurden mit die meisten Konflikte erwartet. Doch trotz des Flüchtlingsandrangs 2015 und der danach folgenden Integrationsleistungen arbeitete die Stadtregierung gerade hier hervorragend zusammen.

Dafür mussten die sehr Konservativen in der CSU und der Fraktion schon einiges schlucken, doch nach außen hin gab es kaum Maulereien. Offman war ein liberales Aushängeschild der CSU, die sich selbst als moderne Großstadtpartei geben will. Die politischen Gegner aus anderen Parteien schätzen Offman wegen seines politischen Engagements sehr - offenbar mehr als die eigene Partei. Die beiden Fraktionsvizes der SPD und der Grünen, Christian Müller und Dominik Krause, bedauern den vermutlichen Abschied: Offman werde fraktionsübergreifend als offener, integrer Kollege geschätzt, der stets Haltung zeige. Im Sozialen wie im Kampf gegen Rechtsextremismus.

Im Engagement in der Sozialpolitik sieht Kreischef Brannekämper "die Sollbruchstelle" zwischen der Basis und Offman. Dieser setzte sich für massiven Wohnungsbau ein, um die Mieten auch für untere Einkommen einigermaßen erträglich zu halten. Nun plant die Stadt aber gerade in seiner politischen Heimat im Nordosten ein riesiges neues Stadtquartier und hat dafür als Mittel die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) gewählt. Offman hat das wie seine CSU-Fraktion im Stadtrat vertreten, womöglich mit mehr Einsatz als manche Kollegen.

Als Fraktionschef Pretzl die Zustimmung aufkündigte, tat dies auch Offman. Offenbar zu spät und nicht vehement genug für seine ehemaligen Parteifreunde im Osten. "Es ist schwierig, wenn der einzige entsandte Mann eine andere Meinung vertritt als die ihn entsendende Basis", sagt Brannekämper, der sich selbst früh mit an die Spitze der SEM-Gegner gesetzt hatte und keine Möglichkeit auslässt, diese anzugreifen. Mit einem unbequemen Sozialpolitiker muss er sich nun nicht mehr herumschlagen. Offman ist aus dem Kreisverband ausgetreten, gekränkt, fassungslos: "Was soll man da noch reden?"

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SZ vom 06.07.2019
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