Kommunalwahl 2020:Die Münchner SPD ist guter Dinge - trotz allem

Kommunalwahl 2020: Eifrig bei der basisdemokratischen Arbeit: Auf ihrem Parteitag beschloss die Münchner SPD am Samstag ihr Programm für die Kommunalwahl 2020.

Eifrig bei der basisdemokratischen Arbeit: Auf ihrem Parteitag beschloss die Münchner SPD am Samstag ihr Programm für die Kommunalwahl 2020.

(Foto: Catherina Hess)

Der Fraktionschef zur CSU übergelaufen, eine Stadträtin verloren, die Bürgermeisterin auf dem Rückzug: Nach den jüngsten Turbulenzen verabschiedet die SPD überraschend gut gelaunt ihr Kommunalwahlprogramm.

Von Heiner Effern

Zuerst lacht Christine Strobl, dann winkt sie, und zuletzt versucht sie mit beruhigenden Gesten, das Dauer-Klatschen ihrer stehenden Parteifreunde zu beenden. Als nichts hilft, setzt sie sich einfach hin auf ihren Stuhl, worauf der Applaus schließlich abklingt. Eigentlich wäre dies der Zeitpunkt für Wehmut bei Strobl, es ist ihr letzter Programmparteitag als Bürgermeisterin und Stadträtin. Eigentlich wäre dies auch der Zeitpunkt für Trübsal bei der SPD, weil sie schon wieder einen überraschenden, prominenten Abschied verkraften muss. Doch die Delegierten wie auch Strobl selbst wirken sehr mit sich im Reinen. Die Stimmung sei gelöst und gut, versichern viele Sozialdemokraten. Gefragt und durchaus auch ungefragt, als ob sie es selbst kaum glauben könnten nach all diesen Turbulenzen.

Der Fraktionschef Alexander Reissl ist zur CSU geflüchtet, Stadträtin Birgit Volk in die Isolation der Fraktionslosigkeit, die amtierende Bürgermeisterin und Spitzenfrau für die Stadtratsliste erklärt ihren Rückzug. Drei solche Schläge in nur drei Wochen muss eine Fraktion und auch eine Partei erst mal verarbeiten. Besonders da sie nach zuletzt schlechten Stimmenergebnissen im Land und im Bund einer Schicksalswahl in München entgegensieht. Doch da schlendert Stadtchefin Claudia Tausend am Rand des Saals im Kolpinghaus entlang, hört der Debatte kurz zu und erklärt strahlend: "Wir sind wie entfesselt."

Er sei nun seit 30 Jahren in der Fraktion, sagt Stadtrat Haimo Liebich gleich am Morgen dieses Samstags, "so einen Zusammenhalt wie gerade habe ich noch nicht erlebt". Fast verdächtig wird es, wenn auch noch die Jusos zufrieden sind. Die gehören traditionell zu den härtesten Kritikern ihrer Mutterpartei, nun sagt der Münchner Vorsitzende Christian Köning: Die SPD habe den gesellschaftlichen Wandel der Stadt verstanden. Und den anstehenden personellen auch: "Das wird eine spannende Fraktion, so viele unterschiedliche Köpfe."

Das dürfte ihn selbst einschließen, die Jusos sollen zwei sehr aussichtsreiche Plätze auf der Liste für die Stadtratswahl erhalten. Über diese ist nun sehr spät und unerwartet ein Generationswechsel hereingebrochen, der die SPD selbst erstaunt.

Da werde auf den vorderen Rängen, die allerdings noch offiziell verteilt werden müssen, außer Oberbürgermeister Dieter Reiter kaum jemand an oder über 60 Jahre alt sein, heißt es etwas verblüfft. Bürgermeisterin Strobl, die bis zum Mai im Rathaus arbeiten und für ihre Partei Wahlkampf machen wird, macht sich trotzdem keine Sorgen. "Das läuft super", sagt sie über den schnellen Neuanfang in der Fraktion nach der Flucht des alten Chefs. Die beiden gleichberechtigten Vorsitzenden Verena Dietl und Christian Müller seien schon länger in der Kommunalpolitik und würden ihren Beitrag leisten bei der Aufgabe, vor der die SPD nach den vergangenen Wochen stehe: die Situation ins Positive zu wenden.

Die SPD-Themen im Kommunalwahlkampf

Das Programm für die Kommunalwahl präsentiert folgerichtig Fraktionschefin Dietl. Die weist in ihrer Rede darauf hin, dass es trotz aller Umbrüche nicht nur um Köpfe gehen dürfe, sondern vor allem auch darum, Köpfe mit Inhalten zu verknüpfen. "Die SPD ist die einzige Partei im Münchner Rathaus, die sich der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet hat." Zu diesem Leitgedanken, der sich durch alle Kapitel des Programms zieht, kommt ein zweiter hinzu: der Klimaschutz. "Wir haben ein ökologisches Profil, sehr klar und deutlich. Nicht erst seit gestern", sagt Dietl.

Sozial sein heißt für die Sozialdemokraten, alles Mögliche für erträgliche Mieten zu unternehmen. Beim Thema Mietenstopp engagiere sich die SPD an der Spitze des Volksbegehrens, in München gelte es durch gezielte und durchdachte Nachverdichtung die Situation zu entspannen, sagt Dietl. Wo sich Wohnen und Umweltschutz treffen, etwa bei der geforderten ökologischen Sanierung von Gebäuden, dürften nicht die Mieter die Lasten tragen. Für den Ausbau von regenerativen Energien will die SPD eine Photovoltaik-Initiative starten. Beim Verkehr müsse man die Autofahrten reduzieren, sagt Dietl. Der öffentliche Nahverkehr und der Radverkehr dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Jeder solle sich bewegen können, wie er möchte, das ökologisches Bewusstsein der Münchner dabei müsse geschärft werden. Weiter bekennt sich Dietl zu einem starken Wirtschaftsstandort und guten Arbeitsplätzen. Nicht zuletzt will die SPD die Digitalisierung der Stadt vorantreiben, um das Leben für die Menschen in der Stadt zu vereinfachen.

Im Anschluss beweist die SPD des selbst verordneten und diagnostizierten Aufbruchs, dass sie auch noch klassische SPD kann. In der Debatte um das Programm wird um einzeilige Details gerungen und mit einer Inbrunst gekämpft, als ob die Zukunft der Stadt davon abhinge. Am Ende wird es mit nur einer Gegenstimme verabschiedet. Nicht blicken lässt sich Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), er müsse am Tag der Daseinsvorsorge der Stadt auf dem Marienplatz präsent sein, heißt es. Manche meinen, dass er sich auch kurz um das künftige Dasein der SPD hätte kümmern können. Doch die Sozialdemokraten lassen sich davon nicht bremsen und erledigen das wild entschlossen selbst.

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