Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl:Klima-O-Mat durchleuchtet die Parteien

  • Eine neue Internetseite prüft, ob sich das Thema Umweltschutz nicht nur in Reden, sondern auch in den Wahlprogrammen der Parteien wiederfindet.
  • Grundlage der Bewertung sind dabei die 32 Forderungen, die "Fridays for Future" an den Münchner Stadtrat gestellt haben.
  • Die Macher der Seite möchten einen Überblick über die Wahlprogramme schaffen. Als eindeutige Wahlempfehlung sollen die Ergebnisse jedoch nicht gesehen werden.

Von Thomas Anlauf

Das Bündnis "München muss handeln" stellt knapp acht Wochen vor der Kommunalwahl die Parteien beim Klimaschutz auf den Prüfstand. Die eigens von Juristen und Programmierern entwickelte Internetseite www.klimawahl2020.de soll Wählern aufzeigen, wie Parteien und Politiker zu den 32 konkreten Klimaschutz-Forderungen der Umweltbewegung "Fridays for Future" stehen, die im vergangenen Juni an den Münchner Stadtrat gestellt wurden. Für die Parteien könnte die Plattform zum Gradmesser für ihr Engagement werden, wie stark sie sich für den Klimaschutz in München einsetzen wollen.

"Am 15. März werden die kommunalpolitischen Vertreterinnen und Vertreter für die kommenden sechs Jahre gewählt. Diese Dekade bezeichnen die Klimawissenschaftler als letzte Chance, um das Ruder herumzureißen", sagte Daniel Überall, Mitinitiator von "München muss handeln" bei der Präsentation des "Klima-Wahlhelfers" am Dienstag. Jürgen Müller, Rechtsanwalt und ebenfalls führendes Mitglied des Bündnisses, dem fast 500 Unternehmen, Organisationen und Vereine angehören, hofft, dass mit dem Online-Tool die Parteien dazu gebracht werden, "sich eindeutig und messbar festzulegen", welche Maßnahmen zum Klimaschutz wann umgesetzt werden. Es genüge nicht mehr, im Ungefähren zu bleiben. "Hier geht's ums Überleben und da brauchen wir ein Datum."

Das Bündnis hat sich ausschließlich an den Forderungen von "Fridays for Future München" orientiert. Es hat dabei nicht nur untersucht, wie stark die für die Stadtratswahl antretenden Parteien die Punkte in ihren Wahlprogrammen abbilden und Lösungsansätze bieten, sondern auch entsprechende Stadtratsanträge in die Bewertung eingearbeitet. Maximal 32 Punkte konnten die Parteien erhalten: Ein Punkt jeweils dafür, wenn einer Forderung von "Fridays for Future" "in vollem Umfang entsprochen" wird, einen halben Punkt, wenn der im Wahlprogramm genannte Aspekt zumindest "in die richtige Richtung" geht oder auf die Forderung zwar eingeht, aber keine Aussage zum Zeitraum der Umsetzung nennt; null Punkte gibt es schließlich dafür, wenn der Forderung entweder in keinerlei Weise entsprochen wird oder sie gar nicht zur Sprache kommt.

Das Programm soll bis zur Kommunalwahl ständig aktualisiert werden, denn bislang haben sich nicht alle Parteien, die in München kandidieren, an dem Projekt beteiligt. Von CSU und FDP fehlen bislang Bewertungen, obwohl die Parteien im Vorfeld um ihre Wahlprogramme und Informationen zu ihren Kandidaten gebeten wurden. So hätten sie auch vor der Veröffentlichung an diesem Dienstag die Gelegenheit erhalten, die Bewertung einzusehen und hätten dazu Stellung nehmen können. Doch die CSU hat bislang ihr Wahlprogramm noch gar nicht öffentlich vorgestellt, allerdings hat der CSU-Bezirksverband am vergangenen Freitag dem Bündnis das Klimakapitel der Partei geschickt. Auch die Aussagen der FDP zu dem Themenkomplex müssen noch in die Plattform eingearbeitet werden. Doch die Internetseite soll ohnehin bis zum Wahltag am 15. März ständig aktualisiert und erweitert werden. Denn es werden nicht nur die Parteiprogramme auf ihre Klimaziele durchleuchtet, auch einzelne Politiker können sich einbringen, indem sie entsprechende Anträge stellen.

Die ÖDP sieht sich unterdessen schon in ihrem Programm bestätigt: Sie erreicht 30,5 von 32 möglichen Punkten und liegt damit deutlich vor den Grünen mit 26,5 Punkten, der Linken (20,5) und der SPD (18). Danach folgen Rosa Liste (5), Freie Wähler (3,5) und Bayernpartei (1).

Zwar nennt das Bündnis "München muss handeln" die Kommunalwahl im März eine "Klimawahl", dennoch soll der Umweltschutz-Wahl-O-Mat keine Wahlempfehlung sein, betont Initiator Daniel Überall. Das Bündnis habe lediglich im vergangenen Sommer die Forderungen von "Fridays for Future" übernommen und versuche nun, dieses Maßnahmenpaket, das gemeinsam mit Wissenschaftlern von "Scientists for Future" entwickelt wurde, in der Politik und der Zivilgesellschaft umzusetzen. "Die Forderungen müsste man eigentlich nur abarbeiten", sagt Überall. Schließlich hatte der Stadtrat am 18. Dezember vergangenen Jahres mit knapper Mehrheit beschlossen, den Klimanotstand für München auszurufen. Die Stadt soll demnach bis 2035 klimaneutral werden, die städtischen Unternehmen bereits bis 2030. Bislang hatte München das Ziel ausgegeben, bis spätestens im Jahr 2050 klimaneutral zu werden.

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SZ vom 22.01.2020/wean
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