Typisch deutsch:München, eine schlaflose Stadt

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In Nigeria hatte unser Autor immer einen guten Schlaf - trotz des tropischen Klimas und der Malaria-Moskitos. Warum ist das nun in München anders?

Kolumne von Olaleye Akintola

Es war eine Übernachtung bei einem befreundeten Ehepaar, die mir klar machte, wie vielen es so geht: Obwohl sie verheiratet sind, schlafen sie in getrennten Betten. Grund sind ihre Schlafprobleme.

In meiner frühen Zeit in München wähnte ich mich in einem Schlummerland. Ein kaltes Wetter wie eine natürliche Klimaanlage, kein sonnenverbranntes Sein wie in Nigeria. Doch gerade als der Spaß in vollem Gange ist, unterbricht der Wecker um fünf Uhr morgens den Schlaf. Zeit, das Fantasieland zu verlassen und der Realität ins Auge zu blicken.

Schlafmangel war in Lagos nie ein Thema für mich, ungeachtet des tropischen Klimas, das aggressive Malaria-Moskitos züchtet, die nachts bizarre Melodien in die Ohren singen und in die Haut beißen. Dann kam München, eine Stadt, deren Bedingungen ideal fürs Schlummern sind. Die Stadtbewohner haben alles, was einen guten Schlaf fördern kann: natürliche Kälte, die Mücken vertreibt, und Polizisten, die immer wachsam sind, um Übeltäter zu verscheuchen. Dennoch sind die Bahnhöfe rund um die Uhr belebt, und der Verkehr fließt bis zum Morgengrauen ungehindert. München scheint mir eine Stadt zu sein, die kaum schläft.

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Anfangs war das kalte Klima für mich wie ein Schlafbeschleuniger. Mittlerweile zähle ich aber zu jenen, die versuchen zu schlafen. Der Körper liegt reglos, aber das Gehirn ist hellwach. Manchmal fühlt es sich an wie ein Kampf zwischen Geist und Fleisch. Ein Gemurmel von sinnlosen Worten, wie beim Zungenreden.

In einem Land, in dem sich Koffein wie warme Semmeln verkauft, habe ich zeitweise aufgehört, Kaffee zu trinken. In der Hoffnung auf Besserung ersetzte ich ihn durch Tee, und trotzdem hielt der Zustand an: Es ist, als nehme man den Tag mit in die Nacht. Den alten und den neuen, mit Aufgaben, an denen man zu scheitern fürchtet.

Was ist wirklich los in diesem vermeintlichen Schlummerland? Wäre ich in Nigeria, würde ich die Schuld den Dorfbewohnern zuschieben, deren dämonische Aura einen um den Schlaf bringt. In Bayern ist eine Lösung, einen Schlafdoktor aufzusuchen, der den Körper untersucht. Beruhigungstee und Nasentropfen wurden so zu ständigen Begleitern.

Gerade jetzt, beim Arzt, kann ich sehen, dass ich nicht allein bin. Es gibt so viele Menschen, die damit kämpfen, das Monster einer dämonischen Schlafgewohnheit zu zähmen. Ich gehöre nun zu jenen, die sagen können: Schlummerland ist abgebrannt.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

© SZ vom 16.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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