Münchner Momente:Schrauben und anderes lockern

Am Gärtnerplatz gibt es wieder Ruhestörungen, Hunde und Jogger rennen sich am Flaucher über den Haufen, Biertrinker bieten sich am Viktualienmarkt gegenseitig Körperverletzungen an. Es frühlingt in München - endlich!

Glosse von Stephan Handel

In jedem Jahr gibt es diesen einen Tag, da trittst du morgens auf die Straße und weißt: Das war's. Es ist vorbei. Es riecht anders, die Luft fühlt sich anders an, und wenn schon Vögel singen, dann klingen selbst sie optimistischer als noch vor ein paar Tagen. Ein kurzer Umweg zum Schneeglöckchen-Referenzgarten: Die sind auch schon da. Kein Zweifel - der Frühling kommt.

Natürlich ist er zu früh dran, im Kalender steht sein Beginn erst in gut vier Wochen. Mag auch sein, dass noch mal eine Schlechtwetterfront oder ein Sturmtief dem Winter beim letzten Aufbäumen hilft. Aber die Menschen in der Stadt wissen, dass sie es hinter sich haben, dass es jetzt bald Sonne und Blumen und Biergarten und Lockerungen geben wird. (Insgeheim die Hoffnung, dass es dieses Mal nicht die Schrauben sind, die als erstes gelockert werden.)

Am Viktualienmarkt stehen die ersten Wohnungsflüchter um den Karlstadt-Brunnen, trinken Bier und bieten sich gegenseitig Körperverletzungen an. Die Skater zeigen sich ihre Schürfwunden, während ältere Männer gewissenhaft durch die Stadt fahren und die Sonderangebotsprospekte der Supermärkte abarbeiten. In der Fußgängerzone tragen die Menschen ein Lächeln statt der Maske, alle freuen sich, dass das Leben und die Stadt nun wieder vierfarbig daherkommt statt monograu.

Es gibt nun sogar wieder Leute, die spazieren gehen, weil sie spazieren gehen möchten, und nicht um auszudrücken, dass alle anderen eh Deppen sind. Am Flaucher rennen sich Hunde und Jogger gegenseitig über den Haufen und am Gärtnerplatz kommt es wieder zu den schmerzlich vermissten nächtlichen Ruhestörungen. Die Wirte bauen Freischankflächen und Schanigärten aus, so viel Platz können sie gar nicht schaffen, dass es reichen würde für die Menge der Draußentrinker.

Nur ein paar Miesepeter weisen griesgrämig darauf hin, dass der Februar eigentlich kein Frühlingsmonat ist. Aber ist das nicht egal? Solange die Erderwärmung mit milden 20 Grad daherkommt, soll's uns recht sein. Der Frühling ist eine Hoffnung, nun sind sie - und er - da.

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