Typisch deutsch:Die Sprache der Hunde

Schafherde in der Fröttmaninger Heide, 2017

"In Bayerns Haushalten", findet Kolumnist Olaleye Akintola, sei der Hund "das, was der Löwe für den Dschungel ist. Der Hund ist König."

(Foto: Florian Peljak)

Olaleye Akintola kennt aus seiner Heimat gute Rezepte für Schäferhunde, übt sich aber in Verzicht. Mittlerweile hat er Haustiere auch so ins Herz geschlossen.

Kolumne von Olaleye Akintola

Am Waldrand des Ebersberger Forsts südöstlich von München begegnet einem die geballte Ladung der Diversität von Haustieren: Schäferhund, Boxer, Dachshund, Dobermann, Hovawart - die Liste ist endlos. Sie treffen sich an diesem Platz hinter der Kirche von Kirchseeon, fressen und trinken, hocken herum, entspannen sich und zeigen ihren Prunk. Um ihre Hälse hängen Bänder mit Schmuck und Juwelen. Bellen und Jaulen ist ihre Sprache, mit der ich noch fremdle. Wenn ihnen jemand nicht passt, fletschen sie zwischen dem Bellen auch noch ihre Zähne. Sie verwenden ein offenes und örtlich flexibles Toilettensystem an der frischen Luft und haben stets jemanden im Schlepptau, der ihre anrüchigen Hinterlassenschaften einsammelt und entsorgt. Ihr Essen hat ein Qualitätssiegel und ist nur in bestimmten Läden zu bekommen. In Bayerns Haushalten sind sie das, was der Löwe für den Dschungel ist. Der Hund ist König.

Typisch deutsch

Ihre Flucht hat drei Journalisten nach München geführt. In der wöchentlichen Kolumne "Typisch deutsch" schreiben sie, welche Eigenarten der neuen Heimat sie mittlerweile übernommen haben. Alle Kolumnen der Serie "Typisch deutsch" finden Sie hier.

Es ist noch nicht allzu lange her, da ging mir beim Anblick der meisten Kläffer das Bild von einem schönen Schäferhundmedaillon durch den Kopf, frisch vom Grill und nach Möglichkeit mit scharfer Chili-Soße serviert. Das Geschmackserlebnis dieser in Teilen Nigerias klassischen und höchst anerkannten Mahlzeit kann ich wie gehabt empfehlen. Nach vier Jahren in Deutschland sehe ich nun aber auch gute Gründe, auf Hunde-Barbecue zu verzichten.

In Bayern wedelt der Hund mit dem Schwanz, euphorisch und ohne Furcht. Als ob sie wüssten, dass es das Gesetz verbietet, sie zu kulinarischen Zwecken zu schlachten. In einem bayerischen Hot Dog wird man nie Hund finden. Stattdessen wohnen die Hunde im Haus ihrer Halter - manche schlafen sogar bei ihnen im Bett oder kommen mit ins Büro.

Ich habe mich lange schwer getan mit all diesen Eindrücken. Okay, man muss ihn ja nicht gleich grillen. Aber warum reicht es nicht, wenn der Hund die Funktion eines Wachhunds erfüllt und in einer Hundehütte wohnt? Wieso muss es in Münchens Supermärkten Rabatt auf Hundefutter geben, wenn anderswo auf der Welt Kinder verhungern? Wieso werden Hunde hier behandelt wie Könige?

Manches ist schwer zu beantworten - und vielleicht hilft es manchmal mehr, tief in sich selbst zu gehen. Aus meiner Kindheit sind noch Sätze wie dieser übrig: "Wenn ein Hund bellt, hat er immer einen Grund." Bei uns daheim wurde dem Hund ein übernatürlicher Sinn nachgesagt. Wer sich die Augenflüssigkeit des Hundes in die Augen wischt, kann Überirdisches sehen. Bei diesem Gedanken sinkt das Verlangen nach geröstetem Schäferhund ungemein.

Wem der Charme und die Sprache des Haushundes unerschlossen bleibt, der ist nicht davor gefeit, seine Halter kennenzulernen - zum Beispiel am Waldrand des Ebersberger Forsts. Viele von ihnen sind trotz ihres Haustiers angenehme Zeitgenossen - solange man ihnen nicht präsentiert, welche Arten der Zubereitung möglich wären. "If you love a man you must love what comes with him", ist ein Satz von früher, der mir geblieben ist. Man könnte auch sagen: Wenn du einen Menschen liebst, musst du auch seinen Hund lieben.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

Zur SZ-Startseite

SZ-Kolumnisten
:Wenn die Bleibe zum Zuhause wird

Drei geflüchtete Journalisten schreiben in der neuen SZ-Kolumne "Typisch deutsch", wie München sie verändert hat.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: