Größte Volkstanzveranstaltung Münchens:Alles, was man zum Kocherlball wissen sollte

Lesezeit: 3 Min.

„Hauptsache, man hat Spaß an der Bewegung.“ Das ist für den Vortänzer Magnus Kaindl und Tanzmeisterin Katharina Mayer beim Kocherlball wichtig. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Wie früh sollte man zum Chinesischen Turm kommen? Wo lernt man vorher noch die wichtigsten Schritte? Wie bandelt man am besten mit einem Tanzpartner an?

Von Michael Zirnstein

Der Titel „Tanzmeister“ behagt Magnus Kaindl nicht wirklich. Offiziell sei der nicht, sagt der Bayer, der beim Kocherlball ebendiese Funktion innehaben wird. Bei Münchens außergewöhnlichster, größter und frühester Volkstanzveranstaltung wird er zusammen mit Katharina Mayer, der Tanzmeisterin, am Sonntag, 21. Juli, die wohl noch müden Massen rund um den Chinesischen Turm in Schwung bringen, wie seit Jahren schon. Eine offizielle Ausbildung für die beiden Vortänzer und gut gelaunten Antreiber auf dem Podium gebe es nicht, sagt Kaindl.

Er ist in diese herausgehobene Rolle, wie seine Tanzpartnerin, hineingeboren worden. Mit seiner Brauchtums-begeisterten Familie kam er in den Dießener Trachtenverein und tanzte und schuhplattelte dort schon in der Kinder- und Jugendgruppe. Ein Glück für ihn, dass er sein Hobby zum „leidenschaftlichen Beruf“ machen konnte. Kaindl leitet im städtischen Kulturreferat das Team Volkskultur. Sein Ziel: „Die Menschen aktivieren über unsere tradierten Künste, also übers Singen, Musizieren und Tanzen.“ Und dabei packt er gerne selbst mit an, als „Tanzvermittler“.

Auch Ungeübte sollen sich mitdrehen können, das ist Kaindl besonders wichtig. Die Volkstanzszene habe sich da sehr geöffnet in den vergangenen 20 Jahren, „weg davon, etwas auf der Bühne vorführen zu wollen, hin dazu, dass die Leute Spaß haben und sich selbst bewegen.“ Dafür stehen auch die beiden Kapellen, die sich beim Kocherlball abwechseln: Quetschnblech, die mit neunköpfiger Großbesetzung für Walzer, Polka, Zwiefach oder Dreher aufspielen. Und Massarani, die aus dem bayerisch-schwäbischen Raum ganz eigene Tänze mitbringen. Etwa das „Bauernmadl“ aus dem Aichacher Raum, das sich vom „Bauernmadl“ aus dem Chiemgau schon durch die Tanzfassungen unterscheide, also dass man seinen Partner oder seine Partnerin erst klassisch mit zwei Händen halte, aber bald nur mit einer.

Bei den Tanzkursen im Hofbräuhaus können sich gerade Ungeübte auf den Kocherlball vorbereiten. (Foto: Catherina Hess)

Solche Spezialitäten zeigen Kaindl und Mayer auch bei ihren Kursen „Bairisch tanzen lernen oder üben“. Die sollen die Münchner mit Live-Musik, Tipps, Kommandos und Anschauungsunterricht gezielt vorbereiten, um beim Kocherlball nicht nur schaulustig im Gedränge zu stehen. Einen Termin im Hofbräuhaus gibt es noch, am Donnerstag, 18. Juli: Kurs 1, von 19.30 bis 21 Uhr, ist „für alle Tanzinteressierten“, Kurs 2 von 21 bis 22.30 Uhr „speziell für junge Leute“. Wobei Kaindl das nicht so eng sieht, beim Kocherlball kommen ohnehin alle zusammen: die Hauptzielgruppe der 45- bis 60-Jährigen, die Älteren, und die, die zur frühen Stunde normalerweise gerade aus dem Club heimkommen.

Bis zu 15 000 Gäste zieht es jedes Jahr am dritten Sonntag im Juli zum Kocherlball in den Englischen Garten. (Foto: Claus Schunk)
Wer einen Biertisch ergattern will, sollte schon um 4 Uhr zum Chinesischen Turm kommen. Am besten in Tracht oder Altmünchner Bürgergewand. (Foto: Claus Schunk)

Der Kocherlball ist – auch – ein Anlass zum Anbandeln. Normalerweise, erklärt Kaindl, sind die bairischen Tänze Paartänze, das heißt, viele kommen auch zu zweit. „Aber wir propagieren, dass man auch als Einzeltänzer kommen kann“, in der Regel herrsche Frauenüberschuss. Da geht es dann zu wie im Ballsaal oder beim Salsa-Abend. Nur noch freier. „Wir wollen die Damen ermutigen aufzufordern“, sagt Kaindl, „bei uns kann jeder sein Glück selbst in die Hand nehmen.“ Und sollte sich das Glück als Unglücksfall entpuppen, kann man die fremde Hand in den Tanzpausen auch leicht wieder loswerden – „man muss sich nicht festlegen“.

Der Kocherlball war einst eine ziemlich lockere Angelegenheit: Die Kocherl, also Dienstmägde, Knechte, Diener, Köche aber auch Soldaten, trafen sich etwa ab dem Jahr 1880 jeden Sonntag frühmorgens zum Tanzen, wenn die Herrschaften noch schliefen. 1904 wurden die Feierei in der Morgendämmerung verboten, aus „Mangel an Sittlichkeit“. Anlässlich der Feiern zum 200-jährigen Bestehen des Englischen Gartens wurde der Brauch wiederbelebt – und wuchs zum Massenereignis heran. Bei gutem Wetter kommen immer am dritten Sonntag im Juli bis zu 15 000 Frühaufsteher, die meisten in Tracht, einige in Altmünchner Bürgergewändern, Uniformen oder als Küchenangestellte kostümiert. Bei Gewitter oder Dauerregen fällt der Kocherlball ersatzlos aus, wer unsicher wegen des Wetters ist, schaut auf der Homepage www.kocherlball.de nach.

2023 gab es einen Wolkenbruch beim Kocherlball, die Münchner tanzen trotzdem. Katharina Mayer und Magnus Kaindl (im Bild) zogen einfach ihre nassen Schuhe aus. (Foto: Claus Schunk)

Man sollte früh dran sein: Um 4 Uhr belegen die Gäste bereits die Bierbänke mit Tischdecken, Brotzeit und Kandelabern, wer später kommt, legt seine Picknickdecke hin, wo noch Platz ist. Kurz vor 6 Uhr zählt Katharina Mayer den Countdown herunter, und dann gibt es kein Halten mehr. Bis 10 Uhr, wenn der Biergarten offiziell öffnet, ist das für Markus Kaindl eine der schönsten Zeiten des Jahres: „Es ist ein völlig anderes Tanzerlebnis, mit der aufgehenden Sonne in den Morgen zu tanzen.“ Ob Meister oder nicht, dann kommt es nur auf die richtige Begleitung an, und man spürt: „Volkstanz löst Glücksgefühle aus.“

Kocherlball:

  • Sonntag, 21. Juli, 6 bis 10 Uhr,
  • Biergarten am Chinesischen Turm, Englischer Garten,
  • Mehr Infos: www.kocherlball.de
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