Süddeutsche Zeitung

Prozess:Beweismittel: Scheibenwischer

Parksünder verklagt Freistaat wegen angeblicher Beschädigung

So leicht lässt sich Siegfried U. (Name geändert) nichts vormachen. Der Mann ist schließlich vom Fach. Er hat als Konstrukteur bei großen deutschen Autofirmen gearbeitet und ist seit vielen Jahren selbständiger Kfz-Sachverständiger. In eigener Sache hat er jetzt den Freistaat Bayern vor der 15. Zivilkammer am Landgericht München I verklagt. Eine Hilfspolizistin soll im August vergangenen Jahres einen der beiden Scheibenwischer an seinem Mercedes Benz abgebrochen haben, als sie um die Mittagszeit ein Knöllchen dahintersteckte.

Es kam noch schlimmer: Siegfried U. hatte seinen Wagen in zweiter Reihe vor einer Metzgerei am Kufsteiner Platz in Bogenhausen abgestellt, um sich zwei Leberkässemmel zu kaufen. Da er beim Losfahren nicht bemerkte, dass der rechte Scheibenwischer abgebrochen war, begann dieser angeblich wie "wild" hin- und herzuschlagen. Es hatte geregnet und der Kfz-Sachverständige hatte die Scheibenwischanlage vor dem Aussteigen nicht abgestellt. Die Folge: Durch den defekten Scheibenwischer wurde die Windschutzscheibe an seinem Mercedes zerkratzt. U. fordert deshalb vom Freistaat Bayern Schadenersatz in Höhe von 1264,80 Euro. Denn er ist davon überzeugt, dass die Hilfspolizistin schuld an allem ist.

Zur Beweisaufnahme an diesem Mittwoch hat er die Scheibenwischer gleich mitgebracht. Offenbar ist ihm hier vor dem Landgericht alles viel zu theoretisch. Immer wieder versucht er sein Fachwissen miteinzubringen. Schließlich darf er der Hilfspolizistin, die als Zeugin geladen ist, Fragen stellen, setzt aber an zu einer technischen Erklärung. Als er beginnt vom "Anpressdruck des Scheibenwischers" zu sprechen, bremst ihn sein Anwalt und ermahnt ihn, der Zeugin Fragen zu stellen. Sonst nichts. Die hatte zuvor detailliert erklärt, wie sie ihre "Verwarnungen" immer erst in ein Plastiktütchen stecke und dieses dann unter den Scheibenwischer schiebe. "Den berühr' ich gar nicht", versicherte sie. "Vom technischen Standpunkt ist das gar nicht möglich", grummelte Siegfried U. von seinem Platz aus. Wie auch immer der Scheibenwischer abbrach, der Kollege des Kfz-Sachverständigen, der mit im Auto saß, aber auch nichts mitbekommen hatte, meinte bei seiner Aussage: Es sei "nicht ganz schlau" gewesen, das Auto in zweiter Reihe vor der Metzgerei abzustellen.

Eine Entscheidung in der Sache wird das Gericht im Januar verkünden.

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SZ vom 03.12.2020/van
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