Süddeutsche Zeitung

Klinik Bogenhausen:Gefahr in der Speiseröhre

Die Zahl von Krebserkrankungen am Übergang zum Magen steigt, die Patienten werden immer jünger. Robotertechnik soll künftig bei den Operationen helfen.

Von Inga Rahmsdorf

Thomas Mayer saß mittags mit Kollegen in der Kantine, als er Schluckbeschwerden bekam. "Als ob da ein Widerstand war und das Essen nicht mehr richtig durchrutschte", erinnert sich der 50-jährige Münchner. In den folgenden Tagen wurde es immer schwieriger für ihn zu essen. Als er zum Arzt ging, diagnostizierte der Speiseröhrenkrebs.

Die Erkrankung am Übergang zwischen Speiseröhre und Magen gehört zu den selteneren Tumorerkrankungen, doch die Zahl der Betroffenen steigt seit Jahren. "Und wir haben zunehmend junge Patienten", sagt Wolfgang Schepp, Professor und Chefarzt für Gastroenterologie in der München-Klinik Bogenhausen. Hauptursache dafür sei - neben einer möglichen genetischen Vorbelastung - ein ungesunder Lebensstil. Die größten Risikofaktoren sind Alkohol, Rauchen und Übergewicht. Eine Ursache ist auch Sodbrennen, das Aufsteigen von Magensäure in die Speiseröhre.

Die Klinik Bogenhausen ist von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) ausgezeichnet worden. Die überprüft Kliniken und vergibt Zertifikate an jene, die umfassende Expertise im jeweiligen Fachbereich vorweisen können. Wichtig für eine gute medizinische Behandlung sei die enge Zusammenarbeit vom Radiologen bis zum Chirurgen, sagt Schepp. "Wir behandeln Tumorpatienten immer interdisziplinär und konferieren einmal in der Woche, welches Behandlungskonzept für welchen Patienten die besten Ergebnisse verspricht."

Jedes Jahr erkranken in Deutschland nach Angaben der DKG 5200 Männer und 1500 Frauen an Speiseröhrenkrebs. Häufig werde der Tumor erst im fortgeschrittenen Stadium erkannt, und dann seien die Heilungschancen schlecht. Dem Robert-Koch-Institut zufolge sind 5500 Menschen im Jahr 2015 in Deutschland an Speiseröhrenkrebs gestorben. Die Zahl ist in den 15 Jahren zuvor stetig gestiegen.

Viele werden heute nicht mehr operiert, die man früher noch operiert hätte. "Und das zu Recht", sagt Gabriel Glockzin, Oberarzt der Klinik für Chirurgie in Bogenhausen. Operabel und technisch machbar sei inzwischen zwar fast alles. Doch man müsse berücksichtigen, welche Prognose der Patient habe und wie sich die Operation auf dessen Lebensqualität auswirke. Dafür seien der interdisziplinäre Austausch und die gute Kommunikation zwischen den Fachärzten unerlässlich, so Glockzin.

"Bei großen Operationen braucht man für die Vor- und Nachbehandlung ein Umfeld, in dem alle medizinischen Möglichkeiten rund um die Uhr an allen Tagen zur Verfügung stehen." Dazu zählen auch Ernährungswissenschaftler, Psychologen und Physiotherapeuten. "Da kann der Chirurg noch so grandios sein. Wenn Sie zum Beispiel keine Psycho-Onkologie und keinen Sozialdienst im Zentrum verfügbar haben, werden sie auch nicht von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert", so Schepp.

Der Tumor kann überall in der Speiseröhre auftreten. Ob Ärzte eine Chemotherapie empfehlen, eine Operation oder einen endoskopischen Eingriff, bei dem der Krebs entfernt wird, ohne den Patienten aufzuschneiden, das wird im Einzelfall entschieden - abhängig von der Art des Tumors, von der Stelle in der Speiseröhre sowie dem Gesundheitszustand des Patienten, erklärt der leitende Oberarzt der Klinik für Gastroenterologie, Martin Fuchs, der auch das Onkologische Zentrum in Bogenhausen leitet. Oft werden verschiedene Behandlungsmethoden wie Strahlentherapie und Operation kombiniert.

In den vergangenen Jahren haben minimalinvasive Eingriffe stark zugenommen, also Operationen, bei denen nur kleine Eingriffe gemacht werden. Nun steht in Bogenhausen die nächste technische Weiterentwicklung an. Künftig können die Ärzte mithilfe eines Roboters an der Speiseröhre operieren. "Die Kollegen in der Urologie setzen den Roboter schon ein", sagt Glockzin. Von Oktober an werden auch die Mediziner in der Bauchchirurgie damit beginnen. Sie können dann mit einem Joystick den Roboter lenken, der die Bewegungen der Instrumente ausführt. Das erhöhe die Präzision noch mehr.

Patient Thomas Mayer, der nicht mit richtigem Namen genannt werden möchte, erhielt in der Klinik in Bogenhausen zuerst eine Chemotherapie, dann wurde sein Magen herausoperiert und anschließend bekam er eine weitere Chemotherapie. Die letzte Behandlung ist nun knapp ein Jahr her. Mittlerweile gehe es ihm relativ gut, sagt der 50-Jährige. "Ich arbeite auch wieder. Nur um das Gewicht muss ich immer kämpfen, damit ich nicht noch weiter abnehme."

Wer Schluckbeschwerden oder häufig Sodbrennen hat, solle sich von einem Arzt untersuchen lassen, rät der Gastroenterologe Fuchs. "Der Speiseröhrenkrebs wird häufig bei Magenspiegelungen entdeckt." Gerade bei Patienten, die nur kleine Tumore haben, reichen oft endoskopische Eingriffe. Dabei wird der auf die oberflächliche Schicht der Schleimhaut beschränkte Tumor abgetragen.

Ist der Krebs bereits im fortgeschrittenen Stadium und muss von einem Chirurg herausoperiert werden, dann wird dabei meist ein Stück der Speiseröhre entfernt und durch den Magen ersetzt. "Wir verdünnen den Magen zu einem Schlauch, ziehen ihn durch den Brustraum hoch und nähen ihn oben an den Rest der Speiseröhre wieder an", erklärt Glockzin. Ist der Krebs am Übergang zum Magen, kann es auch sein, dass das Organ entfernt werden muss. Die Patienten könnten danach in der Regel wieder essen und trinken und hätten eine gute Lebensqualität.

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SZ vom 01.10.2019/vewo
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