Reduzierung von Treibhausgasen:Münchens Klimaziele sind überambitioniert, aber richtig

Fridays for Future München Bis zu 79Klimaaktivist*innen versammelten sich am 3.12.2021 in München, um für mehr gegen de

Klimaaktivistinnen und -aktivisten bei einer Demo in München Anfang Dezember.

(Foto: imago images/aal.photo)

Schnell viel weniger Kohlenstoffdioxid ausstoßen - vor zwei Jahren hat München sich das vorgenommen. Jetzt zeigt sich: Das Ziel wird später erreicht als geplant. In der ernüchternden Erkenntnis steckt aber auch eine gute Botschaft.

Kommentar von Jakob Wetzel

Das Ziel ist ambitioniert gewesen, und es war von Beginn an umstritten. Zwei Jahre ist es her, dass der Münchner Stadtrat den Klimanotstand ausgerufen und beschlossen hat, die Stadt solle bereits 2035 klimaneutral werden und nicht erst 2050, wie zuvor geplant. So gut wie keine Treibhausgase mehr ausstoßen, in der halben Zeit? Das sei unmöglich, schallte es im Stadtrat SPD und Grünen, Linken und ÖDP entgegen, auch von der CSU, damals Koalitionspartner der SPD. Es sei unseriös, etwas zu fordern, was die Stadt nicht erreichen könne, schon gar nicht aus eigener Kraft. Auch die damalige Umweltreferentin Stephanie Jacobs war skeptisch.

Die Mahner von 2019 können sich nun bestätigt fühlen: Gutachten haben gezeigt, dass München es tatsächlich nicht schaffen kann, schon im Jahr 2035 klimaneutral zu sein. In dem Grundsatzbeschluss, den das Klimaschutzreferat vorschlägt, geht die Stadt selbst davon aus, dass sie ihr Ziel verfehlt. Klimaneutralität werde erst später erreicht, in einem Jahr "204X", wie es heißt, und auch dann nur ungefähr. Und doch: Die Entscheidung im Dezember 2019, die Ziele im Klimaschutz höher zu stecken, ist richtig gewesen.

Denn ob ein Ziel tatsächlich erreicht wird oder nicht, ist das eine. Was ein womöglich zu hoch gestecktes Ziel bewirken kann, ist das andere. Die Gutachten haben nicht nur gezeigt, dass München sein Ziel verfehlen wird. Sondern sie zeigen auch, dass wohl durchaus mehr möglich ist, als man 2019 noch gedacht hatte. Bis zum Jahr 2035 lasse sich der Ausstoß von Treibhausgasen in München so weit reduzieren, dass pro Münchnerin und Münchner noch 1,76 Tonnen Kohlenstoffdioxid anfallen, heißt es in einem der Fachgutachten. Das ist entmutigend, denn es ist erschreckend weit weg vom vorgegebenen Ziel von 0,3 Tonnen. Aber es liegt immer noch um 20 Prozent unter der damaligen Prognose von Umweltreferentin Jacobs. Sie sprach von 2,2 Tonnen im Jahr 2035.

Zugegeben: Auch um diese 1,76 Tonnen zu erreichen, muss es gut laufen. Einzelne Punkte in den Studien wirken wie Wunschdenken, zum Beispiel dass es rechtzeitig gelingen werde, die Wirtschaft alleine durch Beratung, Vernetzung, Information und Anreize dazu zu bringen, ihren Ausstoß an Treibhausgasen um drei Viertel zu reduzieren. Ob sich diese Hoffnung erfüllt, hat die Stadt nicht in der Hand. Dabei geht es um riesige Mengen an Treibhausgasen: Die Wirtschaft verursacht derzeit einen Ausstoß von knapp drei Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid im Jahr, das entspricht etwa einem Drittel der Münchner Emissionen insgesamt.

Doch behält das Gutachten Recht, hat sich das ambitioniertere Klimaziel der Stadt trotz alledem bezahlt gemacht. Am Ende wird nicht entscheidend sein, in welchem Jahr München tatsächlich einen Zustand erreicht, den man klimaneutral nennen möchte. Entscheidend wird vielmehr sein, ob es der Stadt gelungen ist, so schnell wie möglich ihre Emissionen zu reduzieren. Sie weiß nun, sie hat keine Chance, aber sie muss das Beste daraus machen. Es geht um jede Tonne.

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