Amtsgericht München:Klimaaktivisten nach Verkehrsblockaden zu Geldstrafen verurteilt

Amtsgericht München: Aktivisten der "Letzten Generation" stehen wegen einer Straßenblockade im November vor dem Amtsgericht.

Aktivisten der "Letzten Generation" stehen wegen einer Straßenblockade im November vor dem Amtsgericht.

(Foto: Robert Haas)

Kaum aus dem Gewahrsam freigekommen, stehen drei Klimaaktivisten nach zwei Aktionen in München schon vor Gericht - wegen Nötigung. Selbst der Staatsanwalt hält ihr Ziel "für lobenswert".

Von Julian Raff

Vier Wochen, nachdem sie am 3. November mit 14 Gleichgesinnten zwei Mal den Altstadtring beim Stachus blockiert hatten, sind am Mittwochabend drei Klimaaktivisten der "Letzten Generation" vom Amtsgericht München in einem Schnellverfahren zu Geldstrafen in Höhe von 375 beziehungsweise 625 Euro verurteilt worden. Richter Alexander Fichtl verkündete sein Urteil am Ende einer fünfstündigen mündlichen Verhandlung, die von diversen Medien verfolgt wurde und unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen stattfand.

Obwohl sich die drei Angeklagten Joel Schmitt, 23, Charlotte Schwarzer, 25, und Lars Werner, 31, im Sinne ihrer Protestbewegung von jedweder Gewaltbereitschaft distanziert hatten, wurden alle Beteiligten sowohl am Eingang zum Gerichtsgebäude an der Nymphenburger Straße gründlich kontrolliert, als auch ein zweites Mal vor dem Gerichtssaal.

Gemessen an diesem Aufwand ging man drinnen ausgesprochen pfleglich und respektvoll miteinander um. Die drei der Nötigung Angeklagten nutzten die Verhandlung, um ihre Motive und den Hintergrund ihres Protests ausführlich darzulegen. Neben dieser, wie es eine ihrer Anwältinnen Cristiana Bianco ausdrückte, "globalen Perspektive" drehte sich das Verfahren aber auch um die genaue Strategie, nach der sich die Aktivisten auf die Straße geklebt hatten, und darum, ob und wie viel Durchfahrt sie dabei für Rettungsfahrzeuge übrig gelassen hatten.

Nicht verhandelt wurde über den umstrittenen Präventivgewahrsam, der, zunächst auf 30 Tage angesetzt, für die drei Angeklagten am 26. November endete. Formell antworteten die Angeklagten nicht auf Richter Fichtls Frage, warum sie keine Rechtsmittel gegen ihre Inhaftierung in Stadelheim eingelegt hatten. Stattdessen erklärte Schwarzer, sie habe dort, trotz aller Härten, "ihrer Freiheit nicht nachgetrauert", sondern diese bewusst "für eine Zukunft mit mehr Freiheit und weniger Leid geopfert".

Es gehe nämlich, so Schmitt in seiner Stellungnahme, längst nicht mehr um Naturschutz, sondern um Rechtsstaat und Demokratie, die in der drohenden "Klimahölle" gefährdet seien - ein Begriff, den die Aktivisten bewusst einer Rede von UN-Generalsekretär António Guterres entnommen hatten. Der entsprechende Notstand rechtfertige das Mittel der Klebeblockade, nachdem alle anderen Methoden wirkungslos geblieben seien - ansonsten "würde ich mich auch lieber mit einem Schild in die Innenstadt stellen", so Schmitt.

Die Zahl der Tagessätze fällt halb so hoch aus wie von der Staatsanwaltschaft gefordert

Obwohl selbst der Staatsanwalt die Beweggründe als "absolut lobenswert" bezeichnet hatte, sahen er und letztlich auch Fichtl das für eine Nötigung entscheidende Merkmal der "Verwerflichkeit" gegeben. Auch wenn die Verteidigung unter anderem auf die frühzeitige Ableitung des Verkehrs und die für Münchner Verhältnisse erträglichen Stau-Wartezeiten verwies, sah der Richter die gewählten Mittel selbst im - grundsätzlich anerkannten - Notstand als unangemessen an. Umso mehr tat er es, als die Aktivisten nach der ersten Aktion vom Mittag, nach Belehrung durch die Polizei, die Straßen im abendlichen Berufsverkehr erneut blockiert - und sich so als "in der Tat unbelehrbar" erwiesen hatten.

Unterschiedliche Angaben machten die als Zeugen gehörten Polizeibeamten darüber, ob die angewandte Taktik mit halb-beweglich an ihre Mitstreiter, statt direkt an die Straße geklebten Blockierern in der Straßenmitte für eine Rettungsgasse ausreichte, die auch für größere Fahrzeuge gereicht hätte. Auch Polizeivideos konnten dies nicht klären. Zur Anwendung kam die Taktik ohnehin nicht, da zwei Rettungswagen, zwei Arzneitransporte und ein Privat-Pkw mit einer frisch am Auge operierten Person über die Tramgleise abgeleitet wurden.

Die Strafe von je 25 Tagessätzen zu 15 beziehungsweise 25 Euro, nach finanziellen Verhältnissen der Angeklagten, blieb deutlich unter der Forderung des Staatsanwalts von je 50 Sätzen - allerdings auch deutlich über der Forderung der Verteidigung nach einem Freispruch qua Notstand, der, so Schwarzer, ihren entmutigten Altersgenossen "Hoffnung" gemacht hätte.

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