Ein derzeit in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stadelheim einsitzendes Mitglied der Klimaaktivistengruppe "Letzte Generation" ist in den Hungerstreik getreten. Das bestätigten sowohl die Gruppierung als auch die Münchner Polizei. Auf deren Antrag hin hatte ein Ermittlungsrichter angeordnet, dass der Mann bis zum 2. Dezember präventiv in Gewahrsam bleiben muss. Widersprüchlich sind indes die Angaben, seit wann der 47 Jahre alte Wolfgang M. keine Nahrung mehr zu sich nimmt.
Ein Sprecher der "Letzten Generation" bestätigte einen Tweet, demzufolge der Hungerstreik bereits am vergangenen Donnerstag begonnen habe, also bereits eine Woche andauere; Wolfgang M. trinke aber noch Wasser. Nach Angaben des Polizeisprechers Andreas Franken vom Mittwoch hat der Aktivist jedoch erst an diesem Dienstag erstmals die Annahme des Essens verweigert und der Anstaltsleitung angekündigt, sich von nun an im Hungerstreik zu befinden. Damit setze er "seinen Widerstand gegen den zerstörerischen Kurs der Bundesregierung in den Klimakollaps fort", erklärte die "Letzte Generation" am Dienstagabend auf Twitter.
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Wolfgang M. war in den vergangenen Wochen an mehreren Protesten von Klimaaktivisten in München beteiligt. Er zählt sich zum einen zur Bewegung "Scientist Rebellion", einem Zusammenschluss von Wissenschaftlern aus aller Welt. Die hatten Ende Oktober mit Aktionen beim Finanzinvestor Blackrock am Lenbachplatz, vor dem Justizpalast am Stachus und in der BMW-Welt am Mittleren Ring für zügigere Klimaschutzmaßnahmen von Bundes- und Landesregierung demonstriert. Zum anderen machte M. auch bei Verkehrsblockaden der "Letzten Generation" mit und gehörte zu denen, die sich am Stachus auf der Straße festklebten. "Als Umwelt-Ingenieur streikt er für die Koalition aus Scientist Rebellion, Letzte Generation und Co.", heißt es nun in der Twitter-Mitteilung.
Aktuell befinden sich noch 13 Personen in der Justizvollzugsanstalt in Gewahrsam
Die Münchner Polizei hatte im Zuge der Protestaktionen in den vergangenen Wochen in insgesamt 33 Fällen einen Gewahrsam beim Amtsgericht München erwirkt. Die meisten Aktivisten sind inzwischen wieder frei, zuletzt sind am Montag um Mitternacht vier Aktivisten entlassen worden. Aktuell befinden sich noch 13 Personen in der JVA Stadelheim in Gewahrsam, darunter der hungerstreikende Wolfgang M. Bei ihnen hatte die Polizei die maximal mögliche Präventiv-Haft von 30 Tagen beantragt, da sie "die Begehung weiterer Straftaten ausdrücklich angekündigt hatten", wie es in einer Medienmitteilung heißt. In der wird außerdem darauf hingewiesen, dass Zulässigkeit und Dauer des Freiheitsentzugs auf dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz (PAG) beruhen. Das ist allerdings höchst umstritten in Justizkreisen. Gegen die Novellierung des PAG im vorigen Sommer sind noch Verfassungsklagen und -beschwerden anhängig; Kritiker halten die darin zugestandenen Polizeimaßnahmen für unverhältnismäßig.
Laut Polizeisprecher Franken habe bislang aber keiner der verurteilten Aktivisten Beschwerde oder Rechtsmittel gegen den Gewahrsam eingelegt: "Die Rechte der Betroffenen wurden durch gerichtlich bestellte beziehungsweise bevollmächtigte Rechtsanwälte gewahrt", heißt es in einer am Nachmittag versandten Medienerklärung.
Nach Angaben der "Letzten Generation" erhielt Wolfgang M. am Mittwoch erstmals Besuch von Repräsentanten der Umweltbewegung, "es geht ihm den Umständen entsprechend gut", hieß es danach. Polizeisprecher Franken erklärte, dass ein Hungerstreik für die JVA Stadelheim nichts Neues sei. Der Patient werde umgehend dem medizinischen Dienst vorgeführt, untersucht, gewogen und über die Konsequenzen eines Hungerstreiks aufgeklärt; anschließend werde er "engmaschig begleitet".
Ein Sprecher der "Letzten Generation" erklärte am Mittwoch, dass Wolfgang M. seinen Hungerstreik sofort beende, wenn eine der Forderungen der Koalition "Unite Against Climate Failure" erfüllt werde. Zu deren Forderungen gehören unter anderem das Eingeständnis der Regierung, dass das international vereinbarte 1,5-Grad-Ziel bei der Erderwärmung nicht mehr einzuhalten sei, ein Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde oder die Wiedereinführung des Neun-Euro-Tickets.