Klimawandel:Mehr Sonne als im Jahrhundertsommer

Klimawandel: So viele Stunden mit Sonne gab es noch nie - zumindest an der Isar.

So viele Stunden mit Sonne gab es noch nie - zumindest an der Isar.

(Foto: Robert Haas)

Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gab es in München noch nie so viele Sonnenscheinstunden. Zu einem Hitzerekord hat es trotzdem nicht gereicht.

Von Thomas Anlauf

Dieser Sommer hat bei vielen Menschen in München mulmige Gefühle ausgelöst. Wochenlang schien die Sonne vom blauen Himmel, an manchen Tagen schlichen Passanten in den Fußgängerzonen von einem Schatten zum nächsten. In diesem außergewöhnlichen Sommer wurde auch den Münchnerinnen und Münchnern klar: Die Klimakrise ist längst auch hier angekommen. Die Bilanz, die das Münchner Klimabüro des Deutschen Wetterdienstes (DWD) für die Stadt zieht, ist eindeutig. 882,1 Stunden schien zwischen 1. Juni und 31. August die Sonne über München - so viele wie noch nie.

"Das ist Rekord", sagt Guido Kugelmann, Meteorologe und Klimasachverständiger beim DWD in München. Damit liegt die Sonnenscheindauer noch etwas höher als im bisherigen Jahrhundertsommer 2003, damals waren es 879,7 Stunden Sonnenschein im meteorologischen Sommer. Kugelmann sieht einen eindeutigen Trend: In den vergangenen zehn Jahren hätten die Sonnenstunden in den drei Vergleichsmonaten immer über dem langjährigen Mittel gelegen.

Viel Sonne bedeutet allerdings nicht automatisch auch Rekordhitze. Zwar lag die Durchschnittstemperatur in den Sommermonaten mit 20,6 Grad Celsius deutlich zu hoch. Den Rekord hält aber immer noch 2003, als es durchschnittlich 21,9 Grad hatte, was damals unter anderem am Dauerhoch "Michaela" lag. Besonders Anfang August stöhnte damals halb Europa über eine extreme Hitzewelle.

Am heißesten wurde es in diesem Sommer am 20. Juli. An jenem Mittwoch lag eine Bruthitze von 36,8 Grad Celsius über der Stadt, nur wenige Zehntelgrad unter dem bisherigen Rekord am 13. August 2003. Aber auch bereits am 19. Juni, als München das Stadtgründungsfest feierte, wurde es extrem heiß, da kletterten die Temperaturen auf 35,1 Grad. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sprach auf der Bühne auf dem Marienplatz von "verrücktem Wetter".

Nach Hitzeperioden kam es in München immer wieder zu Gewittern

Trotz der fast deutschlandweiten Dürreperiode hatte München allerdings noch Glück. "Besonders im August hatten wir rechtzeitig nach ein paar aufgeheizten Tagen immer wieder Gewitter", sagt Wetterexperte Kugelmann. Die gelegentliche abendliche Abkühlung hatte auch zur Folge, dass es in diesem Sommer lediglich eine Tropennacht gab, an der die Temperaturen nicht unter 20 Grad fielen.

Für die Bäche und Seen sowie das Grundwasser in und um München bedeuteten die Gewitter allerdings nur den Tropfen auf dem heißen Stein. Denn die kräftigen Schauer, die hin und wieder niedergingen, brachten zwar kurzfristig viel Regenwasser, aber das floss meist wegen der trockenen Böden oberirdisch ab. "Wir bräuchten nicht starke Regenfälle, sondern lang anhaltenden Regen über mehrere Wochen", sagt Stefan Homilius. Der stellvertretende Leiter des Wasserwirtschaftsamts München betrachtet mit Sorge die Entwicklung des Grundwassers in der Stadt. "Es sind schon extreme Wetterverhältnisse", so Homilius.

Klimawandel: Die Grundwasserstände sind bedrohlich niedrig, viele Feldfrüchte sind frühzeitig gereift oder zu trocken geworden. Aber eine echte Dürre ist in und um München ausgeblieben.

Die Grundwasserstände sind bedrohlich niedrig, viele Feldfrüchte sind frühzeitig gereift oder zu trocken geworden. Aber eine echte Dürre ist in und um München ausgeblieben.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Bereits im Winter habe es nur wenig Schnee gegeben, auch im Frühjahr fiel zu wenig Regen, als dass sich die Grundwasserschichten hätten auffüllen können. Zwar fließt die Isar wegen der Wasserzufuhr aus dem Sylvensteinspeicher noch einigermaßen normal durch München. Doch die Grundwasserspeicher sind zum Teil auf Rekordtief. In Haar beispielsweise wurde noch nie so ein niedriger Pegel gemessen, an anderen Messstellen des Niedrigwasser-Informationsdienstes stehen die Werte seit Wochen auf "sehr niedrig". Da der Starnberger See sehr viel Wasser verloren hat, führte auch die Würm in diesem Sommer deutlich weniger Wasser als üblich.

Seit 1955 geht es mit den Niederschlägen leicht abwärts

Und das, obwohl der diesjährige Sommer nicht einmal zu den niederschlagsärmsten zählt. Insgesamt fielen 271,4 Liter Regen pro Quadratmeter. Der Juni sei mit 106 Litern Wasser geradezu "gesegnet" gewesen, wie Guido Kugelmann vom DWD sagt. Im Juli hingegen fielen nur 55 Liter pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Im bisher trockensten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in München in den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts kamen zwischen Juni und Ende August lediglich 213,2 Liter Wasser pro Quadratmeter vom Himmel, im Jahr 2015 waren es immerhin 239,6 Liter, und auch im Hitzesommer regnete es 242,6 Liter pro Quadratmeter.

Der Trend sei eindeutig, sagt Wetterexperte Kugelmann. "Seit 1955 geht es mit den Niederschlägen leicht abwärts." Im Gegensatz zu Nordbayern blieb München in diesem Jahr aber von einer Dürreperiode weitgehend verschont, auch wenn frühzeitig einige Bäume in der Stadt ihre Blätter abwarfen. Auch größere Waldbrände blieben München und dem direkten Umland in diesem Sommer erspart. Doch das kann im kommenden Jahr schon wieder anders aussehen.

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