Klimapolitik in München:Reicht das alles wirklich aus?

Klimapolitik in München: In wenigen Minuten vollgetankt - Wasserstoff bietet Vorteile gegenüber dem Elektroauto.

In wenigen Minuten vollgetankt - Wasserstoff bietet Vorteile gegenüber dem Elektroauto.

(Foto: Rupert Oberhäuser/imago)

Im Rathaus zeichnet sich eine große Klima-Koalition ab. Noch geht es ihr nicht schnell genug: Um das Ziel bis 2035 zu erreichen, will man harte Fristen setzen, um Unternehmen zur Disziplin zu zwingen.

Von Jakob Wetzel

Die Aufgaben sind groß, die nötigen Investitionen auch, und die Einigkeit, die Münchens Stadträtinnen und Stadträte an diesem Dienstag demonstrieren, ist es ebenfalls. München will bis 2035 klimaneutral werden, und auf diesem Weg stehen zentrale Entscheidungen an: Gutachter haben zwei Jahre lang die Infrastruktur der Stadt untersucht und nun mehr als 250 einzelne Maßnahmen vorgeschlagen, das Klimaschutzreferat hat diese in einen Grundsatzbeschluss gegossen.

München will demnach bis 2025 knapp 390 Millionen Euro in Gebäudesanierungen und Solarzellen investieren, in Elektrofahrzeuge und in Kampagnen, um die Wirtschaft und die einzelnen Münchnerinnen und Münchner zum Mittun zu motivieren. Entschieden wird darüber im Januar. Jetzt hat der Stadtrat in zwei Online-Runden erstmals über die Vorschläge diskutiert - und wenn man so will, zeichnet sich im Rathaus eine große Klima-Koalition ab, mit einer Gemeinsamkeit: Denen, die sich zu Wort meldeten, geht es nicht schnell genug. Und die Frage ist: Reichen die Vorschläge wirklich aus?

Es brauche jetzt ein Umsetzungskonzept, eine "Roadmap", eine "Maßnahmen-Kaskade", hieß es von Grünen und SPD, CSU, von der ÖDP sowie von der Fraktion Die Linke/Die Partei. Man müsse konkrete Fristen setzen und diese regelmäßig prüfen; und in einzelnen Punkten müsse man nachschärfen. Wenn es etwa darum gehe, die Wirtschaft einzubinden, müsse man kreative Lösungen finden, sagte etwa Marie Burneleit (Die Partei). Im Beschluss stehe sinngemäß, die Stadt könne hier wenige Vorgaben machen. "Damit ist aber die Frage nicht beantwortet: Was können wir tun?" Nicola Holtmann (ÖDP) hatte zuvor bereits die Pläne, die Erdgas-Heizkraftwerke der Stadtwerke ab 2035 mit Wasserstoff zu betreiben, als Wunschtraum abgetan. Die Studie sei zu freundlich zu den Stadtwerken, sagte sie. Es sei nicht sicher, ob es 2035 überhaupt genügend klimaneutral erzeugten Wasserstoff gebe.

Die Stadt bemühte sich, die Kritik zu entkräften: Es würden bereits Pläne entwickelt, um vor allem auf kleinere und mittelgroße Unternehmen zuzugehen, die seien der Schlüssel, sagte Klimaschutzreferentin Christine Kugler. Auch den Vorschlag einer "Roadmap" greife sie auf; Fristen erzeugten ja Disziplin. Stadtwerke-Chef Florian Bieberbach sagte, man wisse tatsächlich nicht sicher, wie viel Wasserstoff 2035 wirklich zur Verfügung stehe. Er sei aber optimistisch. Er rechne damit, dass sich beim Wasserstoff eine ähnliche Dynamik entwickle wie vor zwei Jahrzehnten in der Photovoltaik-Technik, dass also schnell mehr und günstigerer Wasserstoff zur Verfügung stehe als zuvor gedacht.

Für den Klimarat könnte es deutlich schneller gehen

An einzelnen Stellen Luft nach oben hatte freilich bereits am Donnerstag vergangener Woche auch der Münchner Klimarat gesehen. In dem 16-köpfigen Gremium sitzen neben Stadträtinnen und Stadträten Vertreterinnen und Vertreter von Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft; der Rat ist im Herbst gebildet worden und soll den Stadtrat bei Entscheidungen in Klimafragen beraten. Für mehrere seiner Mitglieder könnte es schneller gehen, etwa in der Verkehrswende. "Wir können nicht darauf warten, dass die Leute freiwillig das Auto aufgeben", mahnte etwa Thomas Auer, Professor für Klimagerechtes Bauen an der Technischen Universität München. Man müsse darangehen, den Straßenraum neu zu verteilen.

Die Stadt müsse sich beim Bund dafür einsetzen, eine City-Maut einführen zu dürfen, und außerdem Parkplätze verteuern, sagte auch Sylvia Hladky von der Münchner Initiative Nachhaltigkeit. Daniela Schmid vom Münchner Ernährungsrat mahnte zudem, das Thema "Lebensstile" werde stiefmütterlich behandelt. Die Stadt müsse es den Menschen praktisch ermöglichen, sich nachhaltig zu ernähren, das beginne schon bei der Stadtplanung. Kampagnen, wie sie im Grundsatzbeschluss vorgesehen sind, seien "nur ein ergänzender Baustein." Der Klimarat will bis zum Januar, wenn der Stadtrat entscheidet, schriftlich Stellung nehmen.

Für eines werden die Maßnahmen jedenfalls nicht reichen: Ihr Ziel, schon bis 2035 klimaneutral zu werden, wird die Stadt wohl verfehlen - so geht es aus einem der Gutachten hervor. Doch da sei das letzte Wort nicht gesprochen, sagte am Dienstag Dominik Krause (Grüne): Laut Studie sei die Stadt von vielen äußeren Faktoren abhängig; diese könnten sich auch positiver entwickeln. Man müsse regelmäßig prüfen, ob nicht doch mehr möglich ist. 2035 sei nicht erreichbar, sagte dagegen Sebastian Schall, umweltpolitischer Sprecher der CSU. Aber es gehe weniger um die Jahreszahl als darum, "dass wir uns extrem anstrengen müssen". Dass das Ziel verfehlt werde, heiße nicht, das man nachlassen dürfe. "Sondern dass wir nach wie vor Vollgas geben müssen."

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