Süddeutsche Zeitung

Operette in Pasing:Eitel Mondschein

Die Pasinger Fabrik bringt Paul Linckes Operette "Frau Luna" heraus und überspitzt sie bis in den Slapstick.

Von Klaus Kalchschmid, München

Ach war das schön, als man an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert in Film und Operette noch von einer Reise auf den Mond farbig träumen konnte, lange bevor die Fernsehbilder von der echten Mondlandung um die Welt gingen!

Mit viel Fantasie frönt in Paul Linckes "Frau Luna" von 1899, in der Pasinger Fabrik in der End-Fassung von 1921 gespielt, Fritz Steppke in einer kleinen Berliner Dachwohnung seinem liebenswerten Spleen einer Reise zum "Mann im Mond", der sich schließlich zu seiner Konfusion als allzu weiblich erweist. Denn als er seinen Lebenstraum schließlich, allen Widrigkeiten zum Trotz, in die Tat umsetzt, führt das zu allerlei, nicht zuletzt erotischen Verwirrungen zwischen Berlin und dem Mond, am Ende aber natürlich zu eitel Mondschein.

Nikos Striezel ist in kurzen Hosen und Weste dieser mit schönem sexy Musical-Tenor gesegnete, jungenhaft naive Steppke. Seine ebenso süße wie freche, allseits reimende Handpuppe namens "Lamentier" greift mit der Fistelstimme seines Papas immer wieder in die Handlung ein, wenn der zu schüchtern ist, was oft vorkommt. Ein begeh- und erkletterbarer Schrank am Rand ist seine Mansarde: eine feine Idee von Bühnenbildner Peter Engel. Er hat auch die von realistischen Mondkratern gerahmte, ironisch prachtvolle Show-Bühne für die Szenen auf dem Erdtrabanten entworfen. Von Uschi Haug stammen die nicht minder trefflichen, ebenfalls herrlich komisch altertümelnden Kostüme.

Die gerade mal vierköpfige Combo funkelt

Auch alle anderen Sängerinnen und Sänger sind mit viel berlinerndem Spiel- und Sangeswitz bei der Sache. Ihn hat Regisseurin Franziska Reng, die auch für die prägnante Dialogfassung verantwortlich ist, aus ihnen herausgekitzelt, manchmal auch in den Slapstick getrieben.

Reinste Karikatur ist der aufgetakelte Prinz Sternschnuppe (Luca Festner) mit platinblonder Perücke, Sonnenbrille und klobigen Plateau-Schuhen, die mit Pailletten besetzt sind, dazu ein kurzer Wams über den behaarten Beinen. Trotz Flirt mit Steppke nimmt Frau Luna - eine veritable Operndiva: Karolína Plicková - diesen Hallodri am Ende doch. Steppke bekommt in Gestalt der zauberhaften lyrischen Soubrette Andrea Jörg seine Marie, die ihn auf dem Mond als Stella verwirrte. Die resolute Frau Pusebach (Carolin Ritter) hätte genauso gut in eine Berliner Version des Ohnsorg-Theaters gepasst wie Herr Pannecke (Philipp Gaiser) oder Theophil (Guido Drell) in eine Offenbach-Operette.

Die gerade mal vierköpfige Combo aus dem klavierspielenden Dirigenten Andreas P. Heinzmann, Christophe Gördes (Klarinette), Wilbert Pepper (Kontrabass) und Alexander Herrmann (Schlagzeug) bildet das "Milk Street Orchestra". Das funkelt, blinkert und zwinkert ausnehmend exquisit und immer wunderbar witzig. Hier eine kleine Kantilene, dort ein paar geklöppelte Marimbaphon-Töne und immer mal wieder ein frecher Einwurf der Klarinette: mehr braucht es nicht für eine Berliner Operette wie "Frau Luna".

Bis 21. August ist die sommerlich heitere Produktion in der Pasinger Fabrik fast täglich in verschiedenen Besetzungen zu erleben, danach eine Woche open air auf Schloss Blutenburg.

Frau Luna, nächste Aufführungen: 1. bis 4. Juli, 19.30 Uhr, Pasinger Fabrik

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