Tarifstreit:Erzieher sollten ihre Forderungen nicht mit ihrem Corona-Ärger verbinden

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Weil spontan gestreikt werden kann, ist noch nicht klar, welche Stellen genau betroffen sein werden. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Am Montag wollen viele Kita-Angestellte in München streiken. Dass sie mehr Geld wollen, ist berechtigt. Doch das Timing tut ihrem Anliegen nicht gut.

Kommentar von René Hofmann

Die Nachricht dürfte vielen Familien das Wochenende verderben. Am Montag werden in München wohl viele Kinderbetreuungseinrichtungen geschlossen bleiben. Die Rede ist von einer zweistelligen Zahl, vielleicht auch von einer dreistelligen. Genau konnte das am Freitag niemand sagen, was schon das erste Problem ist: Wenn es etwas gibt, was sich vor allem Familien mit Kindern in dieser Pandemie-Zeit wünschen, dann ist das Verlässlichkeit, Planbarkeit.

Die Gewerkschaft Verdi hat zu Warnstreiks aufgerufen. Eigentlich geht es um Gehaltssteigerungen. Und eigentlich sollten in den Kindertageseinrichtungen nur so viele in den Ausstand treten, dass der Betrieb gerade noch gewährleistet ist. Aber die Gewerkschaftler kannten offenbar die Gemütslage ihrer Klientel nicht. Dass die Stadt den Kita-Betrieb einigermaßen uneingeschränkt weiterlaufen ließ, als die Corona-Zahlen den kritischen 50er-Schwellenwert überschritten, stinkt vielen Kinderbetreuern dermaßen, dass sie jetzt trotzig in den Ausstand ziehen.

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Der Vorgang ist einigermaßen beispiellos. Er dokumentiert eine Entfremdung auf vielen Ebenen. Die bemerkenswerteste ist dabei die des SPD(!)-Oberbürgermeisters von den Gewerkschaftsmitgliedern. Für deren Verhalten fehle ihm "jegliches Verständnis", ließ Dieter Reiter ausrichten, für ihn sei es "schlicht verantwortungslos". So grobes Besteck packt der konziliante OB selten aus, was zeigt: Der Ton, in dem darüber gestritten wird, welches Verhalten angesichts der Pandemie angemessen ist, wird rauer - jetzt auch von der Seite der Politik aus.

Es ist richtig, dass die Anerkennung des Erzieherberufs weiter steigen sollte und dass sich dies auch in den Löhnen zeigen sollte. Aber gerade in München hat sich in den vergangenen Jahren durch die Erhöhung von Zulagen einiges getan. Und selbst ein an sich berechtigtes Anliegen kann durch ungeschicktes Timing und unglückliches Agieren beschädigt werden. Genau dies tun die Erzieher. Ihren Corona-Ärger hätten sie auch früher und anders formulieren können. Ihn jetzt mit einem Gehaltsstreik zu verbinden, ist kontraproduktiv. Darauf, dass viele Eltern Verständnis dafür haben, sollten sie eher nicht setzen.

© SZ vom 26.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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