Deutlich mehr Eltern als bisher brauchen finanzielle Unterstützung bei den Kitagebühren und haben beim Sozialreferat Hilfen beantragt, um die Betreuung ihres Kindes bezahlen zu können. Die Zahl der Anträge auf die sogenannte Wirtschaftliche Jugendhilfe (WJH) hat sich nach Angaben des Sozialreferats – verglichen mit dem Vorjahr – vervierfacht, auf rund 4700 Fälle. Das ist der Stand von Ende September. Zu diesem Zeitpunkt gingen weiterhin täglich allein online zehn Anträge über die Servicestelle Kita-Beiträge ein, weitere Anträge wurden mit der Post geschickt.
Und nicht nur die Zahl der Anträge hat sich drastisch erhöht, auch die Summe, die über die WJH ausgezahlt wird, ist verglichen mit dem Vorjahr enorm gestiegen – und zwar um 116 Prozent. Waren es im September 2023 noch 857 400 Euro, die an die Eltern für die Kinderbetreuungskosten gezahlt wurden, sind es dieses Jahr im September 1,85 Millionen Euro gewesen.
„Das zeigt, dass die Wirtschaftliche Jugendhilfe funktioniert“, sagt Sebastian Weisenburger, Fraktionsvorsitzender der Grünen. „Es kommt bei den Menschen an, dass sie ein Anrecht darauf haben.“ Das Grundproblem, dass es mehr bezahlbare Betreuungsplätze in München brauche, bestehe weiterhin. Er hoffe, dass sich in den kommenden Monaten weitere Kitas dem neuen städtischen Fördermodell anschließen.
Ähnlich interpretiert die Fraktionsvorsitzende der SPD die Zahlen. „Die WJH entlastet viele Eltern wirksam“, sagt Anne Hübner. Sie rät allen Eltern, den eigenen Anspruch berechnen zu lassen und verweist auf den Online-Rechner der Stadt, den es dazu seit einigen Monaten gibt. Damit können Familien herausfinden, ob sie voraussichtlich einen Zuschuss zu den Kinderbetreuungskosten bekommen.
Die Wirtschaftliche Jugendhilfe gibt es schon lange, zu einem größeren Thema wurde sie, als zu Beginn dieses Jahres im Stadtrat die neue Münchner Kitaförderung (MKF) beschlossen wurde. Die MKF trat Anfang September in Kraft und löste das bisherige Fördermodell, die Münchner Förderformel (MFF), ab. Ein Gerichtsurteil hatte die bisherige Kitaförderung für rechtswidrig erklärt.
Im Frühjahr brachten einige Kitas, die bislang über die MFF gefördert wurden, sich aber aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage sahen, der MKF beizutreten, sehr hohe Kitagebühren ins Gespräch: 1200 Euro und mehr im Monat für einen Krippenplatz. Eltern befürchteten, dass sehr viele Kitaplätze in München in Zukunft nicht mehr bezahlbar sein könnten.
Seit September gilt die MKF, bisher nehmen 554 Kitas mit rund 35 770 Betreuungsplätzen daran teil. Das sind weniger als in der MFF, rund 3500 Betreuungsplätze sind damit deutlich teurer geworden. Insgesamt gibt es in München 1530 Kitas mit rund 92 500 Betreuungsplätzen; vier von fünf Betreuungsplätzen werden städtisch gefördert – über die MKF, den städtischen Träger oder ein Modell für Eltern-Kind-Initiativen.
Die Höhe der Unterstützung berechnet sich aus dem Einkommen
Alle Eltern, deren Kinder eine Kita besuchen, die nicht oder nicht mehr von der Stadt gefördert wird, und die sich hohe Kitagebühren nicht leisten können, sollten einen Antrag auf Unterstützung durch die WJH stellen, so teilte die Stadt das mit. Die Höhe der WJH berechnet sich unter anderem aus dem Einkommen der Eltern und den Kosten der Unterkunft sowie den Kitagebühren.
Die SPD hatte im März eine Beispielrechnung für die WJH veröffentlicht, ausgehend von einer vierköpfigen Familie mit zwei Kindern, die jeden Monat 1500 Euro an Kitagebühren inklusive Mittagessen zahlen muss. Bis zu einem Haushalts-Nettoeinkommen (einschließlich des Kindergeldes) von 4258 Euro übernimmt die Wirtschaftliche Jugendhilfe die vollen 1500 Euro. Verdienen die Eltern bis zu 7000 Euro monatlich, übernimmt die WJH immer noch rund 680 Euro von den Kitagebühren.
Anträge können in den Sozialbürgerhäusern und online gestellt werden. Rund 2400 der eingegangenen Anträge sind nach Angaben des Sozialreferats bereits bearbeitet und bewilligt worden, in diesen Fällen wurden Hilfen für Kitas, Kindergärten und Horte gewährt. Rund 1100 Anträge werden derzeit noch bearbeitet. In den Sozialbürgerhäusern werden außerdem Anträge auf Weiterbewilligung von Zuschüssen bearbeitet; im Sozialreferat rechnet man mit 1200 solcher Anträge. Insgesamt ergeben sich so rund 4700 Anträge – rund 3600 mehr als im Vorjahresmonat.
80 Prozent der Kita-Kosten könnten von der Steuer abgesetzt werden
Zu der Summe von 1,85 Millionen Euro, die im September von der WJH an Münchner Eltern ausgezahlt wurde, merkt das Sozialreferat an: In dieser Summe seien nicht nur Zahlungen für den Monat September enthalten, sondern zum Beispiel auch Nachzahlungen aus den Vormonaten, Rückstellungen und bereits Zahlungen für Oktober. Die Kostensteigerung sei nicht nur explizit auf die MKF zurückzuführen. Und: Es handle sich dabei um Kosten der WJH im Sozialreferat; „auf der anderen Seite müsste im Referat für Bildung und Sport in dem Bereich eine Kostenreduzierung erfolgen“, teilt eine Sprecherin des Sozialreferats mit.
Eine Sprecherin des Bildungsreferats teilt hingegen mit, die Ausgaben im Bereich Kita seien in der Gesamtheit nicht gesunken, da es auch in der Münchner Kitaförderung viele, teilweise auch neue, Ermäßigungstatbestände für Eltern gebe. Diese würden vom Bildungsreferat über den Defizitausgleich an die Träger der Einrichtungen finanziert.
Eine gute Nachricht hat Sebastian Weisenburger für die Münchner Eltern: In Zukunft können 80 Prozent der Kinderbetreuungskosten von der Steuer abgesetzt werden, bis zu einem Höchstbetrag von 4800 Euro; bisher konnten Eltern zwei Drittel der Kosten absetzen, bis zu einer Höhe von 4000 Euro. Am Freitag hat der Bundestag dem Jahressteuergesetz mit der entsprechenden Regelung zugestimmt.