Süddeutsche Zeitung

Streit über Zuschüsse:Private Kita-Träger wollen klagen

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Die Stadt erlässt und ermäßigt einem Großteil der Eltern die Kita-Gebühren, während andere für die Kinderbetreuung weiterhin viel Geld zahlen müssen. Das ist gut gemeint, aber auch gerecht?

Von Jakob Wetzel, München

"Ich habe eine extreme Wut im Bauch, auf die Stadt", sagt Nadine Widmann. Die Münchnerin hat zwei Söhne, Anton, 4, und Emil, 1. Beide besuchen eine Kindertagesstätte in Pasing. Und während die Stadt zum September 2019 die Kita-Gebühren für die meisten Eltern freiwillig stark gesenkt hat und ein Großteil der Kindergartenplätze seither gar nichts mehr kostet, muss Widmann immer noch viel Geld bezahlen, sie spricht von 1600 Euro im Monat. SPD und CSU, die im Münchner Rathaus regieren, versichern seit Monaten, sie wollten alle Familien gleichermaßen entlasten. Mütter wie Widmann aber bleiben bislang dennoch außen vor. Darüber, ob das zulässig ist, wird nun wohl ein Gericht entscheiden.

Nadine Widmanns Pech ist: Weil sie keinen Platz in einer städtischen Kita bekam, hat sie ihre Buben in einer privaten Einrichtung angemeldet. "Wir haben einfach einen Betreuungsplatz gebraucht", sagt sie. Die Stadt könne den Bedarf ja alleine nicht decken. Einen kostenlosen Kindergartenplatz oder niedrigere Gebühren - es geht zum Teil um mehrere Hundert Euro im Monat - gibt es jetzt aber nur in städtischen sowie in privaten Kitas, die sich einem speziellen Zuschusssystem der Stadt unterwerfen, der Münchner Förderformel. Dafür müssen Kitas aber unter anderem die Gebühren deckeln und womöglich beim Angebot Abstriche machen, also etwa die Öffnungszeiten einschränken.

Widmanns Kita tut das nicht. "Wir werden im Regen stehen gelassen", klagt Widmann. Und sie ist nicht allein. Alexandra Jaman neben ihr erzählt eine ähnliche Geschichte. Sie habe für ihre zwei Töchter ebenfalls vergeblich probiert, einen Platz in einer städtischen Einrichtung zu finden, sagt sie. Jetzt zahlt sie für beide im Monat zusammen etwa 2100 Euro. "Da geht man nur für die Rente arbeiten."

Es gehe ihnen nicht darum, dass die Stadt die teuren Gebühren komplett übernimmt, sagen Widmann und Jaman. Sie wollten nur genauso gefördert werden wie andere auch. Stattdessen würde sie von Eltern, die mehr Glück hatten, jetzt auch noch Spott ernten, sagt Widmann. "Wenn ich erzähle, was ich zahlen muss, sagen die, ich sei ja bescheuert."

Widmann, Jaman und andere Eltern sind am Freitag in die Franziskaner-Gaststätte an der Residenzstraße gekommen, um den Dachverband bayerischer Träger für Kindertageseinrichtungen (DBTK) zu unterstützen. Der Verband vertritt mehr als 45 freie Kita-Träger, die etwa ein Viertel der Krippen- und Kindergartenplätze in München bereitstellen und so dazu beitragen, dass die Stadt den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kinder ab einem Jahr erfüllen kann. Seit Ende 2018 kämpft der Verband dafür, dass alle Eltern entlastet werden, unabhängig davon, wer ihre Kita trägt. Jetzt kündigt einer der Träger an, zu klagen, und 27 weitere Träger wollen ihn dabei unterstützen, sagt Rechtsanwalt Johannes Mierau. Man wolle sich zwar weiterhin außergerichtlich mit der Stadt einigen. Doch nach mehreren Monaten des Wartens müsse man nun tätig werden. Ende Januar will er die Klage bei Gericht einreichen.

Grundsätzlich sei die Initiative der Stadt, die Kita-Gebühren zu senken, sehr sinnvoll, sagt Günther Hanel vom Vorstand des DBTK. Dass dabei aber nicht alle profitieren, sei "äußerst ungerecht" - auch gegenüber den Trägern. Denn wenn die einen deutlich höhere Gebühren erheben müssten als die anderen, sei der Wettbewerb verzerrt. Für einige Träger gehe es um die Existenz. Dabei sei das Vorgehen der Stadt nicht nur unfair, sondern auch rechtswidrig.

Zu diesem Ergebnis kommt zumindest ein Rechtsgutachten, das der DBTK im Frühjahr 2019 erstellen ließ. Der Wiesbadener Familienrechtler Reinhard Wabnitz schlussfolgert darin, dass die Stadt unter anderem gegen die vom Grundgesetz garantierte Gleichheit aller vor dem Gesetz verstößt und nicht nur die vom Sozialrecht vorgesehene Trägervielfalt bedroht, sondern auch die Freiheit der Eltern, zwischen diesen zu wählen. An diesem Freitag hat der DBTK ein zweites Gutachten präsentiert: In diesem kommt Martin Burgi, Jura-Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, zu einem ähnlichen Ergebnis. Die Stadt verletze zusätzlich die Berufsfreiheit der Träger sowie europäisches Recht, denn sie behindere den europäischen Binnenmarkt, heißt es darin. Dabei sei die Abhilfe einfach: Sie müsste den Zuschuss nur je Kind bezahlen oder ihre Förderrichtlinien anpassen.

Bei der neuen Beitragsentlastung gehe es weder um eine Gegenleistung für bestimmte Angebote der Kitas noch darum, wie viel die Eltern verdienen, erklärt Burgi. Es gehe nur um die Kinder - und diese müsse die Stadt alle gleich behandeln. Zugespitzt, sei es nach der aktuellen Regelung aber etwa möglich, dass Millionäre im besten Stadtteil keine Beiträge zahlen müssten, während Normalverdiener, die weniger Glück hatten, zahlen müssen.

Der DBTK hatte bereits im Mai 2019 angekündigt, einzelne seiner Mitglieder würden vor Gericht ziehen. Dazu kam es bislang nicht - auch weil SPD und CSU im Stadtrat im Sommer 2019 beide dasselbe forderten wie der DBTK, nämlich alle Eltern gleichermaßen zu entlasten. Aufgegriffen wurden diese Anträge aber bislang nicht. Sie würden verschleppt, klagt Hanel. Das Thema sei sehr komplex, erklärt dagegen das Bildungsreferat. Die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen.

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SZ vom 11.01.2020
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