Kindergärten in München:Nicht alle Eltern sind gleich

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Im Streit über die städtischen Zuschüsse zu den Kita-Gebühren zeichnet sich eine Entscheidung ab - die das Problem wohl nicht lösen wird.

Von Jakob Wetzel, München

"Gleiche Entlastung für alle": Das hat im August 2019 die CSU-Fraktion im Stadtrat gefordert. Bei der SPD klang es ganz ähnlich: "Alle Münchener Kindergartenkinder" beziehungsweise deren Eltern sollten entlastet werden, steht in einem Antrag der Fraktion vom Juli 2019. CSU und SPD, die damals gemeinsam regierten, wollten so einen Streit über städtische Zuschüsse zu den Kita-Gebühren entschärfen. Mehr als ein Jahr ist seither vergangen, eine private Kita hat mittlerweile gar stellvertretend für andere Klage gegen die Stadt eingereicht. Jetzt könnte der Streit enden, an diesem Mittwoch soll der Stadtrat entscheiden. Doch wenn der abnickt, was Bildungs- und Sozialreferat vorschlagen, ist ein Ende der Auseinandersetzung nicht in Sicht.

Um den Konflikt zu verstehen, hilft eine Rückblende: Begonnen hat er im Mai 2019. Damals entschied der Stadtrat, die Kita-Gebühren stark zu senken, aber nicht überall. Profitieren sollten nur Eltern, deren Kind eine städtische Kita besucht oder eine andere, die nach der Münchner Förderformel (MFF) bezuschusst wird. Diese Formel soll für Bildungsgerechtigkeit sorgen: Um gefördert zu werden, müssen die Kitas unter anderem die Gebühren deckeln und dafür notfalls ihr Angebot reduzieren. Für Elterninitiativen gibt es ein ähnliches Modell.

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:Es ist einfach ungerecht

Sollen alle Eltern mit Kindern in Kitas gleichermaßen unterstützt werden? Während die Stadt verhindern möchte, dass Luxus-Einrichtungen gefördert werden, verliert sie die Eltern aus dem Blick.

Kommentar von Jakob Wetzel

Eltern dagegen, deren Kita sich dem verweigert und die deshalb oft ohnehin höhere Beitrage bezahlen, sollten nicht entlastet werden. Es stehe den Kitas aber frei, der MFF beizutreten, hieß es. Gegen dieses Vorgehen regte sich Protest nicht nur von betroffenen Eltern, sondern auch von Betreibern privater Kitas, die sich im Dachverband der bayerischen Träger für Kindertageseinrichtungen (DBTK) zusammengeschlossen haben. Sie sehen sich von der Stadt - die nicht nur die Regeln aufstelle, sondern auch Wettbewerberin sei, klagen sie - in ihrer Existenz bedroht. Eltern und Träger forderten: Alle Eltern sollten gleichermaßen entlastet werden, unabhängig davon, wie ihre Kita gefördert wird.

Bildungs- und Sozialreferat haben nun ausgerechnet, was das bedeuten würde: Die Stadt müsste für jedes Kindergartenkind, das in eine nicht-geförderte Einrichtung geht, 102 Euro im Monat bezahlen. Im Jahr wären das insgesamt knapp zehn Millionen Euro. Zudem müsse man 16,5 zusätzliche Stellen in der Verwaltung schaffen.

Die beiden Referate raten davon aber ab. In ihrer Vorlage plädieren sie stattdessen dafür, die Wirtschaftliche Jugendhilfe großzügiger zu berechnen. Darunter fallen verschiedene gesetzliche Hilfen für Familien mit niedrigem Einkommen oder anderen Belastungen; so übernimmt die Stadt unter anderem ganz oder anteilig Kita-Gebühren. Der Vorschlag, hier anzusetzen, geht auf einen Stadtratsantrag der SPD von Februar 2020 zurück. Künftig könne man mehr Familien unterstützen, heißt es nun. Damit könnten etwa ein Drittel der Familien Hilfe beantragen, doppelt so viele wie bisher. Und das soll unter dem Strich nicht einmal mehr Geld kosten - wobei die Stadtkämmerei dem explizit widerspricht.

Die beiden Referate sammeln Argumente, warum es besser sei, an der Jugendhilfe anzusetzen anstatt Pauschalen zu bezahlen. Da heißt es etwa, manchen Eltern bringe das mehr als 102 Euro. Wenn pauschal bezahlt würde, werde "indirekt ein Standard unterstützt", der höher sei als in städtischen Kitas, und man riskiere, dass Kitas wieder aus der Münchner Förderformel austreten. Unklar aber bleibt, warum die beiden Referate die beiden Modelle nicht unabhängig voneinander vorschlagen, sondern alternativ - warum also entweder alle Eltern gleich behandelt oder die Wirtschaftliche Jugendhilfe großzügiger berechnet werden soll und nicht womöglich beides. In den Anträgen der Stadträte ist keine Rede davon, dass das eine ein Ersatz für das andere sein sollte. Das Bildungsreferat antwortet auf diese Frage schlicht: Der Vorschlag der Stadtverwaltung trage zur Elternentlastung bei, sei sinnvoll und der aktuellen Haushaltslage angemessen.

DBTK-Geschäftsführer Andreas Lorenz reagierte mit Unverständnis auf die Vorlage: Wenn die Jugendhilfe anders berechnet werde, ändere das ja nichts daran, dass die Eltern weiter ungleich behandelt würden.

© SZ vom 30.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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