München:Senkung von Kita-Gebühren war rechtswidrig

Kinderbetreuung in einer Kita

Ein privater Kita-Träger hatte gegen die Stadt geklagt und wollte eine Ausgleichszahlung erstreiten, um ebenfalls die Preise senken zu können.

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Weil die Kosten nicht für alle Kita-Kinder weniger wurden, spricht ein Gericht von Wettbewerbsverzerrung - die Stadt muss ihre Förderung nun überprüfen.

Von Jakob Wetzel

Es ist ein Millionengeschenk für Münchens Eltern gewesen: Zum September 2019 hat die Stadt die Gebühren in einem Großteil der Münchner Kindergärten und Krippen erheblich gesenkt, viele Eltern müssen dort seither gar nichts mehr zahlen. Doch jetzt stellt sich heraus: Dieses Geschenk war rechtswidrig - zumindest so, wie es der Stadtrat verteilt hat. Das geht aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts München hervor, das jetzt bekannt gegeben worden ist. Die Konsequenzen daraus sind noch unklar. Die Stadt kündigte am Dienstag an, sie werde prüfen, ob sie die Förderung anpassen müsse.

Das Problem ist: Die Stadt entlastet nicht alle Eltern, sondern nur diejenigen, deren Kita der "Münchner Förderformel" beigetreten ist. Das ist ein städtisches Zuschuss-System, das für mehr Bildungsgerechtigkeit sorgen soll. Die Kitas müssen dann unter anderem ihre Gebühren deckeln und dafür notfalls ihr Angebot einschränken. Die Stadt wollte so vermeiden, überteuerte Kitas zu fördern. Wenn sich eine Kita nicht den Regeln der Förderformel unterwirft, erhält sie keinen Zuschuss der Stadt, und damit bleiben auch die Eltern außen vor. Betroffen sind etwa 15 Prozent der Münchner Eltern von Kita-Kindern.

Im Frühjahr 2020 hat dagegen ein privater Träger geklagt: Die gemeinnützige Kibiku GmbH, die unter anderem eine Kita in Kooperation mit dem Süddeutschen Verlag betreibt, wollte eine Ausgleichszahlung erstreiten, um ebenfalls die Preise entsprechend senken zu können. Kibiku klagte stellvertretend für 30 weitere Träger und mit Hilfe des Dachverbands Bayerischer Träger für Kindertageseinrichtungen (DBTK). Diese Klage ist gescheitert: Das Verwaltungsgericht hat sie abgewiesen. Doch paradoxerweise gibt die Urteilsbegründung der Klage weitgehend Recht.

Die fünf Richterinnen und Richter stellen in ihrem Urteil darauf ab, dass die Stadt mit ihren Millionen den Wettbewerb unter den Kitas verzerre. Sie übe bewusst Druck auf private Träger aus, sich der Förderformel anzuschließen, heißt es. Und ihr Vorgehen insgesamt habe "mindestens eine berufsregelnde Tendenz", was unzulässig sei: Damit überschreite sie ihre Kompetenzen. Sie greife so in die vom Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit ein, und das gehe nur mit einem Gesetz. Städtische Richtlinien und das kommunale Haushaltsrecht reichten nicht.

"Wir haben formal die Klage verloren, inhaltlich aber gewonnen"

Geld für Kibiku gibt es freilich dennoch keines: Wenn Zuschüsse rechtswidrig verteilt würden, werde das nicht dadurch besser, den Kreis der Begünstigten auszuweiten, steht sinngemäß in der Urteilsbegründung. Es sei aber möglich, die Stadt auf Unterlassung zu verklagen.

Die vor Gericht unterlegenen Kläger fühlen sich nun dennoch als Sieger. "Wir haben formal die Klage verloren, inhaltlich aber gewonnen", sagte am Dienstag deren Rechtsanwalt Johannes Mierau bei einem Pressegespräch im Wirtshaus zum Franziskaner in der Altstadt. Davon, in Berufung zu gehen, rate er ab. Die Stadt müsse nun reagieren: "Wenn sie die Beitragsentlastung retten will, muss sie sie aus der Koppelung mit der Förderformel herausnehmen" - damit würden dann alle Eltern entlastet. Andreas Kurzlechner, Geschäftsführer von Kibiku, betonte, es gehe nicht generell gegen die Förderformel; tatsächlich werden seine vier Kitas zum Jahreswechsel in diese Formel eintreten. Aber das Vorgehen der Stadt sei nicht in Ordnung. Man mache diese seit Jahren darauf aufmerksam, habe aber kein Gehör gefunden.

Stadtschulrat Florian Kraus (Grüne) betonte am Dienstag, die Stadt stehe weiter zu dem mit der Förderformel verbundenen Ziel der Bildungsgerechtigkeit. Vertreter der drei großen Fraktionen im Stadtrat äußerten sich ähnlich. "Steuergeld ist aus unserer Sicht nicht dazu da, Gewinne privater Anbieter zu finanzieren", sagte Christian Müller, Fraktionschef von SPD und Volt. "Es ist eine erhebliche Fehlleistung des Freistaats, Elternbeiträge nicht zu deckeln." Die Förderformel bringe "optimale Startchancen für alle Kinder."

Es werde weiter eine städtische Förderung der freien Kitas geben, versprach Sebastian Weisenburger (Grüne). In den Kitas müssten Qualität, eine faire Platzvergabe, familienfreundliche Öffnungszeiten und bezahlbare Preise Priorität haben. Die CSU wiederum macht Druck: Das Bildungsreferat müsse die Förderkriterien unverzüglich ändern, forderte die bildungspolitische Sprecherin der CSU-Fraktion, Beatrix Burkhardt. "Wir sind es den Trägern schuldig, dass dies zügig geht".

Der DBTK setzt aufs Gespräch mit der Stadt, will sich aber nicht hinhalten lassen. "Wir werden genau verfolgen, wie es weitergeht", sagte Günther Hanel vom DBTK-Vorstand. "Da muss Tempo rein, sonst werden wir weitere rechtliche Schritte prüfen."

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