Kindlpass:Zu viele Münchner Kindl

Teddy in Munich, 2005

Nur ein paar Klicks: Dann erhält auch dieser Stoffhase den Titel "Münchner Kindl".

(Foto: Stephan Rumpf)

Per Web-Formular kann sich jetzt jedes Kind ein Dokument erstellen, das sein Kuscheltier als echtes Münchner Kindl ausweist. Und all die Zuagroastn müssen zusehen, wie sie zur Minderheit werden und zu Bürgern zweiter Klasse.

Glosse von Julian Hans

Weltoffenheit und Willkommenskultur haben Tradition in München. Aber alles hat seine Grenzen und irgendwann muss auch mal Schluss sein. Schon jetzt hat die Landeshauptstadt eine der liberalsten Einbürgerungsregelungen der Republik: Um sich ein Münchner Kindl nennen zu dürfen, genügt es, hier geboren zu sein. Anderswo wird viel strikter unterschieden, wer wirklich dazugehört und wer nicht.

In Kassel zum Beispiel. Wer nur zugezogen ist, ist Kasseler und damit geradeso ein Mensch. Nur ein Buchstabe trennt ihn von einer gepökelten Schweinerippe. Wer in Kassel geboren wurde, ist Kasselaner. Und nur Menschen, deren Vater und deren Mutter ebenfalls in Kassel das Licht der Welt erblickt haben, dürfen sich offiziell Kasseläner nennen. Damit verfügen die Nordhessen über das geeignete sprachliche Instrumentarium, um bei normabweichendem Verhalten jederzeit den Grad des Migrationshintergrunds der Beteiligten deutlich zu machen. Bekanntermaßen lässt sich ohne dieses wichtige Detail heute kein Ereignis mehr befriedigend erklären.

München dagegen kennt nur Zuagroaste und Münchner Kindl. Letztere sind übrigens seit Jahr und Tag in der Minderheit: Schon im 19. Jahrhundert war gerade einmal jeder Dritte Bewohner der Stadt auch an der Isar geboren. Die Quote ist seitdem stabil. Doch das könnte sich bald ändern. Ein bislang kaum beachtetes Programm öffnet alle Schleusen: Unter www.kindlpass-muenchen.de kann jedes Kind per Web-Formular ein Dokument erstellen, das sein Kuscheltier oder seine Puppe als echtes Münchner Kindl ausweist. Ausgedacht haben sich das Werkstudenten im IT-Referat.

Man braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, was da nach Weihnachten los ist: In Scharen werden zottelige Bären, glupschäugige Monster und anorektische Barbies mit dem einst privilegierten Titel ausgezeichnet werden. Und all die Zuagroastn, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben in die Landeshauptstadt gezogen sind und keine Mietzahlungen scheuen, müssen zusehen, wie sie zur Minderheit werden und zu Bürgern zweiter Klasse!

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