Süddeutsche Zeitung

Kinderbetreuung in München:Die neue Vergabe allein löst das Problem nicht

Es ist gut, dass die Stadt ihren "Kita-Finder" reformieren will. Doch das ändert nichts daran, dass Erzieherinnen und Plätze fehlen.

Kommentar von Jakob Wetzel

Warum nicht gleich so? Die Frage drängt sich auf, angesichts der Reform, die das Bildungsreferat der Stadt jetzt für das Online-Portal "Kita-Finder" plant. Eltern sollen demnach in Zukunft gezielt angeben können, in welchem der Kindergärten oder in welcher der Krippen, in denen sie ihr Kind angemeldet haben, sie besonders gerne einen Betreuungsplatz hätten. Das klingt erst einmal wie eine Selbstverständlichkeit. Es ist aber keine, im Gegenteil.

Denn es geht nicht einfach darum, dass sich Eltern jetzt eine Tagesstätte für ihre Kinder aussuchen dürften. Eine solche Wahl treffen sie bei der Anmeldung ja ohnehin. Neu ist, dass sie innerhalb dieser Auswahl noch einmal auswählen sollen, damit ihnen gleich möglichst passende Plätze vermittelt werden können. Und im Umkehrschluss bedeutet das: Bislang melden Münchner Eltern ihre Kinder zuhauf auch in Einrichtungen an, in denen sie eigentlich nur ungern einen Betreuungsplatz haben möchten, nämlich nur im äußersten Notfall, wenn sie sonst keinen finden. Die Neuerung zeigt, dass das Platzangebot immer noch zu gering ist, auch wenn die Stadt seit Jahren viel Geld in den Bau und den Ausbau von Krippen, Kindergärten und Horten steckt. Und sie zeigt, wie verunsichert viele Eltern sind, und dass sie in ihrer Not nach jedem Strohhalm greifen.

Ein Vorwurf ist den Eltern deswegen nicht zu machen. Kita-Plätze sind existenziell. Wenn die Kinder nicht betreut sind, können die Mutter oder der Vater womöglich nach ihrer Elternzeit nicht in den Job zurück - und vielfach hängt es davon ab, ob sich die Familie das Leben im teuren München überhaupt leisten kann. Es ist legitim, dass Eltern nichts unversucht lassen, um einen Platz zu bekommen - und es ist richtig, wenn die Stadt ihren "Kita-Finder" dieser Realität anpasst.

Doch die neuen Regeln werden das Problem alleine nicht lösen. Der Mangel an Kita-Plätzen ist auch, aber nicht nur ein Vermittlungsproblem. Wenn Betreuungsplätze fehlen, warum auch immer - weil Erzieherinnen fehlen, weil die bisherigen Kinder länger im Kindergarten bleiben als gedacht oder auch, weil fast alle frei werdenden Plätze gleich mit Kontingentplätzen für die Kinder städtischer Mitarbeiter oder mit Geschwisterkindern aufgefüllt werden - dann hilft auch eine Priorisierung nichts.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4753536
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.01.2020/kast
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.