Neue Medizin-Technologie:Der Roboter, der Kinder operiert

Lesezeit: 3 Min.

Oberarzt Jan Gödeke erklärt, wie der Roboter der Haunerschen Kinderklinik bei Operationen funktioniert. (Foto: Lorenz Mehrlich)

Am Haunerschen Kinderspital ist das erste Gerät deutschlandweit in Betrieb, das speziell für Eingriffe an kleinen Patienten eingesetzt wird. Welche Vorteile sich die Ärzte von der neuen Technik versprechen - für ihre Arbeit und für die Kinder auf dem OP-Tisch.

Von Stephan Handel

Was für Erwachsene bei immer mehr minimalinvasiven Eingriffen zum Standard wird, soll jetzt auch Kindern und Babys zugute kommen: Am Haunerschen Kinderspital arbeitet nun das deutschlandweit einzige Gerät, das ausschließlich bei der robotergestützten Kinderchirurgie angewendet wird.

Das 1,5 Millionen Euro teure System besteht aus drei Roboterarmen - einer für die Kamera, zwei für Werkzeuge - und einer Konsole, von der aus der Chirurg die Arme steuert. Damit sind Einsätze in Bauch und Brust der Patienten möglich: "Im Prinzip alle OPs, die wir sonst minimalinvasiv durchführen", sagt Oliver Muensterer, Direktor der kinderchirurgischen Klinik. Der Unterschied zu Operationsrobotern für Erwachsene: Die Instrumente sind nicht, wie sonst üblich, acht bis zehn, sondern nur drei bis fünf Millimeter groß. " Man muss sich vorstellen: Wir arbeiten in einem Hohlraum von sechs Zentimetern Durchmesser", sagt Oberarzt Jan Gödeke. "So groß ist der Bauch eines Babys."

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Die Technik ist noch so neu, dass kaum Daten über Erfolge und Vorteile vorliegen. Von Roboter-Operationen an Erwachsenen weiß man aber, dass die Patienten sich schneller erholten, weniger Schmerzen verspürten und weniger Blutverlust zu beklagen war. Die wissenschaftlichen Empfehlungen sehen derzeit vor, dass die kleinen Patienten mindestens ein Jahr alt und mindestens zehn Kilogramm schwer sein sollen. Am Haunerschen wurde aber zuletzt auch ein nur 3,5 Kilogramm schweres Baby mit Erfolg operiert.

Weil in Deutschland roboterassistierte Operationssysteme hauptsächlich an Erwachsenen eingesetzt werden und Kinderchirurgen nur gelegentlich zum Zug kommen, hält sich die Zahl der Eingriffe bislang in Grenzen: Gerade mal 50 wurden bundesweit gezählt. Der Haunersche Roboter hat dagegen in seinen ersten vier Wochen bereits bei sechs Operationen assistiert. So diktiert Direktor Muensterer sein Ziel: "Wir wollen den Zug fahren und Weichen stellen, wir wollen Gleise legen, wo noch niemand gefahren ist."

Dazu gehört neben den Behandlungen auch die oberste Aufgabe einer Universitätsklinik: die Forschung. So sollen die Vorteile der neuen Methode herausgearbeitet, zudem die Einsatzmöglichkeiten erweitert werden. Eines konnten die Forscher schon zeigen: Als sie Laien an das Gerät setzten und ihnen spielerische Aufgaben stellten, kam heraus, dass Kinder und junge Erwachsene einen intuitiven Zugang zu den Möglichkeiten hatten. Deshalb plädieren sie nun dafür, die robotergestützte Chirurgie zum Bestandteil der Mediziner-Ausbildung zu machen.

Der Roboter lässt sich bei der Operation an einer Konsole steuern. (Foto: Lorenz Mehrlich)

Bedenken, der Roboter operiere unbeaufsichtigt vor sich hin, zerstreuen die Experten: Seine Arme werden ausschließlich und zu jeder Zeit von dem Chirurgen an der Konsole gesteuert. Dessen Bewegungen werden direkt übersetzt - und zwar, das ist einer der großen Vorteile, skalierbar: Eine relativ große Bewegung an den Joysticks wird von den Armen im Millimeterbereich ausgeführt, sodass der Chirurg größtmögliche Präzision erreichen kann, ohne sein Fingerspitzengefühl zu überbeanspruchen. Ein weiterer Vorteil für den Arzt: Anstatt stundenlang am OP-Tisch stehen zu müssen, kann er nun bequem in einem Stuhl sitzen, zwischendurch mal aufstehen, kann sich sogar ablösen lassen. Das führt zu bemerkenswert weniger Schmerzen in Schultern und Rücken, wie Studien bereits ergeben haben.

Auf ein Problem bei der neuen Technik weist Markus Lerch hin, der Ärztliche Direktor des LMU-Klinikums, zu dem das Haunersche gehört: Weil der Einsatz des Geräts in der Kinderchirurgie noch so neu ist, haben sich die Krankenkassen noch nicht darauf eingestellt - und bezahlen deshalb die Verwendung der extrem teuren Geräte noch nicht. Schätzungen ergeben, dass die Klinik bei jeder Operation etwa 1500 Euro draufzahlt. Hier half, wie so oft, der Hauner-Verein, eine Art Freundeskreis der Klinik: Er warb eine riesige Einzelspende von einer Million Euro von einem Privatmann ein, sodass die Finanzierung der Operationen für die nächste Zeit gesichert ist. Eine weitere Spende in Höhe von 170 000 Euro von einem Ehepaar wurde für die Beschaffung des Geräts verwendet. Es ist vorerst nur geleast, nach einer Pilotphase soll über den Ankauf entschieden werden.

Zum Training waren drei Kinderchirurgen und zwei OP-Schwestern nach Mailand gereist, wo der Hersteller eine Übungs-Plattform betreibt. Die Installierung und Inbetriebnahme des Roboters selbst in der Lindwurmstraße dauerte sechs Monate - eine sensationell kurze Zeit, findet Oberarzt Jan Gödeke: "Das ist kürzer als eine Schwangerschaft."

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